Archiv


Gut besucht war der Festgottesdienst in der 300 Jahre alten Fachwerkkirche.
25.09.12 - Feldatal
Größte Fachwerkkirche Oberhessens feierte 300. Geburtstag in Stumpertenrod
„300 Jahre steht ihre bedeutende Kirche nun mitten im Dorf. Wer vor ihr steht, sie umwandert von allen Seiten betrachtet und dann hineingeht, der spürt etwas vom Selbstbewusstsein der Stumpertenröder, vom Stolz der Gemeinde damals, die ein solches Gebäude zu errichten in der Lage war“, so Dekan Dr. Jürgen Sauer am Sonntagnachmittag im Dorfgemeinschaftshaus des Feldataler Ortsteils Stumpertenrod in seinem Grußwort zum 300-jährigen Jubiläum der evangelischen Kirche.
Wer diesen Eindruck auf sich wirken lasse, der beginne etwas zu ahnen von der Fähigkeit der Menschen im hohen Vogelsberg, das Leben in dieser eher kargen Landschaft zu bestehen, von ihrer Schaffenskraft und ihrer Kenntnis, Wiesen, Felder und Ställe so zu bewirtschaften, dass im Herbst die Ernte eingebracht, Schlachtfeste gefeiert und der harte Winter überstanden werden konnte, so Dr. Sauer weiter. Die Kirche im Dorf erzähle etwas vom bäuerlichen Selbstbewusstsein vergangener Jahrhunderte und sie sei ein Zeugnis hoher Kunstfertigkeit Vogelsberger Handwerker. Die Kirche wurde 1696 vom Herbsteiner Zimmermann H.-G. Haubruch aufgeschlagen und 1697 laut dem Heimatbuch der Gemeinde Feldatal „in die Mauer und Dach gebracht“.
Da die Gemeinde nicht mehr in der Lage war, den weiteren Ausbau zu finanzieren ruhte die weitere Fertigstellung und die Gottesdienste wurden im Rohbau abgehalten. Erst 1712 erfolgte dann die Einweihung. Dekan Dr. Sauer zeigte sich erfreut, dass die Kirche auch tagsüber offen sei und so als ein Ort stiller Besinnung zu Gott genutzt werden könne. „300 Jahre evangelische Kirche, das sind 300 Jahre einer bewegten Zeit, in der Menschen in diesem Gotteshaus zusammen kamen und hier einen Ort fanden, des Zusammenseins, der Freude, des Leides oder des gemeinsamen Feierns der christlichen Feiertage“, sagte Bürgermeister Dietmar Schlosser. 300 Jahre seien Anlass genug an die Geschichte der Kirche zu erinnern. In seinem Grußwort erinnerte er an die Mühe und Kraft in der damals die Kirche gebaut wurde. So hätten nach dem Dreißigjährigen Krieg im Jahre 1648 nur noch 32 Männer und fünf Witwen in Stumpertenrod gewohnt. Dies habe ihm einmal vor Augen geführt, wie tief der Glaube im Leben der Menschen verwurzelt war und wie geduldig sie an ihren Zielen gearbeitet hätten.
Schlosser betonte, dass früher die Kirche und der Glaube, Mittelpunkt des dörflichen Geschehens war, heute aber rückte im Zeitalter interkulturellen Zusammenlebens und des demografischen Wandels zusätzlich ganz neue Perspektiven und Herausforderungen in das alltägliche Leben der Menschen und der Kirchengemeinde. Diesen Herausforderungen müsse sich die Kirche jetzt stellen. Grußworte gab es anschließend von Vertretern der Kirchengemeinden Köddingen und Helpershain, sowie von fast allen Kirchengemeinden des Gruppenpfarramtes Vogelsberg. Berthold Schmidt sprach für alle elf Vereine des Dorfes und Karl Dörr berichtete als unmittelbarer Nachbar über ein paar Erlebnisse bezüglich Kirche und Pfarrhaus. Grußworte in schriftlicher Form trug Pfarrer Manfred Benz vom Kirchenpräsident und ehemaligen Pfarrer in Stumpertenrod, Dr. Volker Jung und dessen Vorgänger in der Pfarrstelle Stumpertenrod Friedhelm Kalbhenn vor. Verhindert waren auch Landrat Manfred Görig und Probst Matthias Schmidt.
Im Anschluss stellte die Malerin Annete Seyer-Klein, die im Rahmen einer Veranstaltung des „Dorftreff“ gemalten Bilder zum Thema „Kirche“ vor. Teilnehmer von 7 bis 77 hatten die teilweise beachtlichen Kunstwerke erstellt und nun ausgestellt. Die Feierlichkeiten hatten zuvor mit einem Festgottesdienst in der Kirche begonnen. Pfarrer Manfred Benz hatte dabei seine Predigt als Gespräch der 300 Jahre alten Kirche mit einem Gottesdienstbesucher aufgebaut. So sprach die Kirche über ihren Bau: „Als die Kleinen barfuss in Kitteln liefen, und die ganz Kleinen in der Wiege festgebunden waren, während der schweren Feldarbeit, da wurden meine Steine behauen und meine mächtigen Balken zusammengefügt. Ganz groß und stolz und schön haben sie mich gemacht“ und weiter: „Ich wurde gebaut um zu bleiben. Um da zu sein, hier mitten im Dorf.“ A
n einer anderen Stelle dann: „Ich bin immer noch da. 300 Jahre sind über mich hinweg, durch mich durch und an mir vorrübergezogen. Kriegs- und Friedenszeiten. Hier standen schon Offiziere von Napoleon „Grande Armee“ mit Federbusch und Portepee und amerikanische GI`s mit Zigaretten im Mundwinkel und Kaugummi in der Brusttasche. Hier wurden Siege gefeiert und Gefallene beklagt. Hier wurde Ostern gefeiert und Weihnachten. Hier wurden Kinder getauft, Ehen gesegnet und der Verstorbenen erinnert.“
Die musikalische Umrahmung des Festgottesdienstes hatten der Evangelische Posaunenchor unterstützt von den Jungbläsern und einigen Mitgliedern des Posaunenchores Ulrichstein, der Projektchor Stumpertenrod, beide unter Leitung von Hans Appel, und an der Orgel spielte Christian Karl. ++gr++

Bei einer Veranstaltung des „Dorftreff“ wurden Bilder gemalt und nun im Dorfgemeinschaftshaus ausgestellt.



Der evangelische Posaunenchor Stumpertenrod hatte Unterstützung durch die Jungbläser und Mitglieder aus Ulrichstein.

Erfreut über die vielen Umschläge „mit Inhalt“ von der örtlichen Vereinen, die Berthold Schmidt überreichte, zeigte sich Pfr. Manfred Benz (links).

Mit zwei Liedern trug der Projektchor zur Gestaltung des Festgottesdienstes bei.


Die beiden Wetterseiten der Fachwerkkirche sind verschindelt.

300 Jahre sind Anlass genug an die bewegte Geschichte der Kirch zu erinnern, meinte Bürgermeister Dietmar Schneider.

Als einen Ort, an dem Höhen und Tiefen menschlichen Lebens im Licht des Glaubens bedacht, gefeiert, beklagt und besungenn werden, bezeichnete Dekan Dr. Jürgen Sauer die 300 Jahre alte Kirche.
