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08.09.13 - NACHGEDACHT (35)

Warum müssen wir leiden? - Gedanken von Christina LEINWEBER

Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu? Warum lässt ein allmächtiger und gütiger Gott zu, dass wir leiden müssen? Warum hat Gott den Holocaust, Kriege, Krankheiten und Tod zugelassen, warum greift er nicht ein, wenn etwas wirklich Schlimmes passiert? Er ist doch allmächtig, er könnte doch eingreifen?! Diese Fragen beschreiben das Theodizeeproblem im Glauben, das es nicht nur im Christentum sondern auch in anderen Religionen gibt. Es geht darum, wie man an Gottes gütige Existenz überhaupt noch glauben kann, obwohl er Leid passieren lässt und trotz seiner Allmacht nicht eingreift.

Das ist so schwer – das ist so verdammt schwer, zu verstehen oder zu denken. Im Studium lernt man zahlreiche philosophische Ansätze, wie man Gott immer noch gütig beschreiben kann, ohne ihm die Schuld für das Leid in die Schuhe zu schieben. Der Ansatz, der bei mir Eindruck gemacht hat, war derjenige von Richard Swinburne mit dem Titel „free will defense". In diesem Denkansatz geht es darum, dass Gott dem Menschen und der Welt ihren freien Willen gibt. Menschen sind in allem frei, in ihrem Denken, in ihrem Handeln und in ihren Taten. Gott lässt dem Menschen komplett seine Freiheit. Einfach gesprochen: Er zeigt nicht mit dem Zeigefinger, wo es hingehen soll oder stellt sich uns in den Weg. Freiheit ist hier das höchste Gut. In diesem Ansatz wird das Leiden quasi für das höhere Gut der Freiheit in Kauf genommen.

Im Umkehrschluss heißt dieser Ansatz aber auch: Ich bin frei und komplett auf mich allein gestellt. Mir kann alles passieren, es gibt keinen Schutz – nicht vor Krankheiten, nicht vor Leid, nicht vor allem Unbehagen. Denn sobald ich komplett frei bin, bin ich auch so gut wie ungeschützt. Ist das der Denkansatz, der das Theodizeeproblem lösen kann? Er war es jedenfalls für viele Theologen nicht. Es kamen neue Theorien. Aber egal wie gut so eine Theorie ist - Kein Denkansatz der Welt tröstet uns über das Leid hinweg. Es tut unermesslich weh und ein rationales Denkraster, warum Leid passiert, erscheint mir sogar schon fast wie Hohn. Leid kann man nicht wegdenken, man muss es ertragen.

In solchen Situationen fühlt man sich oft verlassen, vielleicht auch gottverlassen. Das Christentum schaut auf solch eine große Leidensgeschichte zurück: das Leid von Jesus von Nazareth, das einem Martyrium glich. Der Kreuzestod war in der antiken Zeit die schlimmste und grausamste Exekutionsform überhaupt. Und auch Jesus – wenn man dem Johannesevanglium glaubt – fühlte sich in seinem Leiden verlassen, als er am Kreuz sagte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen." In manchen Situationen geht es uns genauso wie diesem Jesus. Und was bleibt uns dann noch? Woran können wir dann überhaupt noch glauben, wenn uns Leid passiert ist? Vielleicht an das, was Jesus vor seinem Tod gelebt hat: Stärker als alles Leid ist die Liebe.

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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - inzwischen hat sie ihr 1. Staatsexamen in der Tasche. Gleichzeitig ist sie Mitarbeiterin bei osthessen-news.de, bezeichnet sich selbst als liberal-theologisch und kommentiert (seit 35 Wochen) in der neuen Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++

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