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15.09.13 - NACHGEDACHT (36)
Kämpfen Sie gern gegen sich selbst? - Gedanken von Ch. LEINWEBER
"Es ist nicht der Berg, den wir bezwingen, wir bezwingen uns selbst." - Starker Spruch von dem neuseeländischen Bergsteiger Edmund Hillary. Kann ich gut verstehen, auch ich bin schon auf einem Berg angekommen - nach ein wenig Anstrengung und Mühe. Das Gefühl ist ergreifend - keine Frage. Man hört so etwas oft in Zitaten - "sich selbst bezwingen" - es geht aber auch noch eine Spur härter: "Sich selbst bekämpfen ist der allerschwerste Krieg. Sich selbst besiegen, ist der allerschönste Sieg." Wahnsinn, scheinbar sind wir selbst unser größter Feind?! Wir sollen übertrieben gesagt mit Pfeil und Bogen, Schwert oder Lanze gegen uns selbst kämpfen. Und gegen was genau?
Wahrscheinlich erst einmal gegen des Menschen liebsten Freund: den Schweinehund. Jeder kennt ihn, wenn er am Hosenbein zieht und uns zum Stehen bringt. Man wird faul und träge, destruktiv und langweilig. Das kann ganz schlimm werden, wenn man sich oft von diesem Hund fangen lässt. Es gibt sogar ein Krankheitsbild dafür: "Prokrastination" - "chronische Aufschieberitis". Lieber morgen als heute Dinge erledigen, auch wirklich wichtiges, gehört zu dieser Krankheit. Natürlich bleibt man dann irgendwann hinten stehen, Entwicklungschancen gehen damit auch ein.
Aber es gibt auch noch die andere Seite der Medaille: sich krankhaft selbst hetzen. Immer höher, schneller, weiter. Am besten jetzt und nicht erst gleich. Da ist gar kein Schweinehund zu sehen - der wurde schon erledigt. Auch hier gibt es ein Krankheitsbild - das aber erst nach dem Hetzen und Kämpfen einsetzt: eine Burn-Out-Erkrankung. Dann hat man sich wirklich selbst erledigt - den Krieg hat man dann vielleicht auch gewonnen, aber mit Siegen hat das wenig zu tun.
Also ist es wie immer - man muss eine gute Balance finden. Wir sollten aufpassen, dass wir uns im Streben nicht selbst erledigen und uns zu viel hetzen. Und genauso sollten wir uns auch mal träge neben den Schweinehund legen dürfen, um Ruhe zu finden. In der Natur des Menschen liegt beides. Und einen Berg erklimmen oder eben sich selbst bezwingen - das kann auch mal befreiend wirken, stolz machen und Selbstwertgefühl geben. (Christina Leinweber) +++
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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - inzwischen hat sie ihr 1. Staatsexamen in der Tasche. Gleichzeitig ist sie Mitarbeiterin bei osthessen-news.de, bezeichnet sich selbst als liberal-theologisch und kommentiert (seit 36 Wochen) in der neuen Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++