Vorfreude auf fünfte Paralympics - "Möchte die Spiele genießen"

31.08.16 - „Wäre Manuela Schmermund ein Land, wäre sie die Nummer 81 im ewigen Paralympics-Medaillenspiegel. Vor Saudi-Arabien und Chile“ – das schrieb das „Inferno Schmermund“, eine Gruppe viraler Unterstützer, auf Twitter über Manuela Schmermund. Die 44-Jährige Schützin der SGi Mengshausen bestreitet in Rio de Janeiro ihre fünften Paralympischen Spiele – und ist angespannt wie vor ihren ersten Spielen.

„Das bin ich vor jedem Wettkampf, egal ob Kreismeisterschaft oder Liga. Eine gewisse Anspannung und Nervosität gehört einfach dazu. Es wäre schlecht, wenn es nicht so wäre“, sagt Schmermund vor dem Abflug an den Zuckerhut im Gespräch mit ON|Sport. Die Spiele in Brasilien sind bereits ihre fünften. Wie sich die Paralympics in dieser Zeit entwickelt haben? „Es ist alles sehr viel professioneller geworden“, sagt die 44-Jährige, die im Luftgewehr und Kleinkaliber an den Start gehen wird.

Vier Medaillen hat die 44-Jährige bisher geholt, die Spiele in Rio will Schmermund ...

Die Schützin der SGi Mengshausen geht im Luftgewehr und Kleinkaliber an den Start ...

Allerdings laboriert die 44-Jährige derzeit an einer Entzündung im Schultereckgelenk ...

Einmal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze lautet ihre bisherige Ausbeute bei den Paralympics. Dazu gesellen sich zahlreiche Titel bei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und deutsche Meisterschaften. Für die Spiele am Zuckerhut hat sich Schmermund diesmal aber kein bestimmtes Ziel gesetzt. „Medaillentechnisch habe ich mir nichts vorgenommen, ich möchte die Spiele genießen. Dafür waren die letzten anderthalb Jahre zu schwer“, sagt Schmermund. Sie laboriert derzeit zudem an einer Entzündung im Schultereckgelenk und versucht, die Schmerzen rechtzeitig zu den Wettkämpfen in den Griff zu bekommen.

Geboren und aufgewachsen in der Schützenhochburg Mengshausen war Schmermunds Weg als Sportschützin quasi vorgezeichnet. Eine Sportart, bei der viel Zeit und Geduld gefragt ist. Da kann es schon mal dauern, bis die richtige Position gefunden ist und jeder Millimeter Veränderung beeinflusst das Ergebnis. „Es ist für mich ein Ausgleich. Irgendwie muss man ja mal runter kommen“, sagt die 44-Jährige und schiebt lachend hinterher, „aber eigentlich bin ich total ungeduldig.“

Manuela Schmermund ist auch Athletensprecherin des Internationalen Paralympischen ...

In heißen Phasen vor Wettkämpfen übt Manuela Schmermund etwa 25 Stunden in der Woche – ein ordentliches Pensum für einen Leistungssportler, der das Ganze quasi nebenbei zum Vollzeit-Job betreibt. Kein Wunder, dass Schmermund oftmals Anerkennung und Wertschätzung vermisst. „Wir sind Amateure, von denen Profi-Leistungen verlangt werden“, kritisiert die 44-Jährige, die auch Athletensprecherin beim Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) ist.

In dieser Funktion sorgte Manuela Schmermund kürzlich mit einem bemerkenswerten Statement für Aufsehen. „Offenbar haben wir mehr Cojones als das IOC“, wurde Schmermund im Zuge der Sperre für russische Sportler zitiert. Denn während das IOC einknickte und doch nicht sämtliche Athleten aus Russland ausschloss, blieb das IPC konsequent. „35 Proben russischer Sportler wurden manipuliert. Das ist systematisches Doping. Das geht nicht“, sagt Schmermund und legt nach: „Ob IOC oder FIFA – für mich ist das alles eine Klitsche.“

... das Russland komplett von den Spielen ausschloss. "Offenbar haben wir mehr Cojones ...

Trotzdem überwiegt bei Manuela Schermund die Vorfreude auf ihre fünften Spiele und steckt in der Endphase der Organisation. Zwei Waffen, Ersatzteile und Werkzeug – all das muss mit gepackt werden. „Ich habe etwa 90 Kilo an Gepäck, das mit nach Rio muss“, erzählt Schmermund. Vielleicht, wenn alles rund läuft, ist auf dem Rückflug ja Medaille Nummer fünf im Gepäck. (Tobias Herrling) +++