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Johann Prinz (18) hat besonderen Berufswunsch: staatlich geprüfter Artist
05.01.17 - Ob Ingenieur, Versicherungskaufmann oder Schreiner, der Auswahl an Berufen sind keine Grenzen gesetzt. Doch Johann Prinz hat etwas Außergewöhnliches im Sinn: Er möchte Artist werden. Um diesen Wunsch zu erfüllen, besucht der 18-Jährige aus Langenbieber seit knapp zwei Jahren die staatliche Artistenschule mit dem Ziel, nach seinem Abitur staatlich geprüfter Artist zu werden. Momentan kann man Johanns beeindruckende Fähigkeiten im Fuldaer Weihnachtscircus bestaunen.
Man kann es fast als Zufall bezeichnen, dass Johann Prinz zur Artistik kam, denn zunächst betrieb er den Kampfsport Ju-Jutsu. „Als mein Trainer dann aufgehört hat, habe ich angefangen mich für das Turnen zu interessieren“, erklärt Prinz, der schließlich im Alter von acht Jahren dem Kunstturnverein Fulda (KTV) beitrat. Dort turnte er auf Hessenebene. Schließlich wurden die bekannten Clown Kasper und Gaya auf den damals Elfjährigen aufmerksam. „Die beiden haben mir einen Flyer vom Kinder- und Jugendzirkus in Hammelburg gegeben. Dort verbrachte ich dann meine Sommerferien“, blickt Johann zurück.
Denn während andere Kinder in den sechswöchigen Ferien ins Fußballcamp gingen, probierte Prinz sich an verschiedenen Zirkusnummern wie dem Jonglieren oder Luftturnen. Den beiden Clowns hat Johann es auch zu verdanken, dass er die einzige staatliche Artistenschule in ganz Europa besuchen darf. „Die Beiden haben mich erst darauf aufmerksam gemacht, indem sie gesagt haben: hey der Johann könnte doch dahin gehen“, so Prinz.
Gesagt getan. Mit seinem Vater im Gepäck fuhr Johann nach Berlin zum Tag der offenen Tür und guckte sich die Absolventenshow an. Die nun staatlich geprüften Artistinnen und Artisten, welche nach ihrem Abschluss durch die Varietés Deutschland touren, begeisterten den 14-Jährigen sehr. „Ich habe dann recherchiert, wie ich mich bewerben kann." Hier kam Johann dann seine turnerische Erfahrung zu Gute. Im Kinder- und Jugendzirkus „Luna“ hatte er sich schon ausprobieren können und so fiel seine Wahl auf die sogenannten Strapaten. Strapaten sind lange, stabile Stoffbänder, die von der Decke herunterhängen. Er fing an zu trainieren und stellte sein Bewerbunngsvideo zusammen, denn die Anforderungen sind hoch.
„Das Video muss Grundlagen von Boden- und Geräteturnen enthalten“, erklärt Prinz, „für die Bewerbung habe ich dann auch die Strapatennummer genutzt.“ Schließlich wurde er zu zwei Probetagen eingeladen und seine Fähigkeiten noch einmal auf Herz und Nieren geprüft.
Johann hatte es nun geschafft. Zu diesem Zeitpunkt besuchte er die 10. Klasse der Rudolph-Steiner-Schule Loheland. Er wechselte nach Berlin und ging dort zurück in die 9. Klasse. Grund: die 9. und 10. Klasse der staatlichen Artistenschule dienen dazu, sich auf ein bestimmtes Requisit zu spezialisieren.
„Ich bin so gesagt ein Quereinsteiger“, scherzt Prinz, aber dabei ist er nicht der Einzige. Aktuell besucht er nämlich die 11. Klasse des gymnasialen Zweiges. In seiner Klasse sind sie zu neunt – zwei Mädchen und sieben Jungen. Davon sind die sieben männlichen Schüler allesamt Quereinsteiger. Ausschließlich die beiden weiblichen Schulkameraden Johanns sind von Beginn an auf der Berliner Schule. „Nach der 10. Klasse muss man sich noch einmal bewerben, da wird dann aussortiert“, so Johann. Geschafft haben es im Endeffekt nur Johann und seine zwei Mitbewerberinnen. Aber gibt es in einer Klasse eigentlich Konkurrenzdruck? „Nein“, lacht Johann, „ich bin der Einzige, der mit Strapaten arbeitet“. Seine Klassenkameraden haben sich zum Beispiel auf Hoolahoop, das Jonglieren mit Ringen oder auf den Luftring spezialisiert.
In zwei Jahren wird Johann voraussichtlich sein Abitur und den Titel „staatlich geprüfter Artist“ in der Tasche haben und hoffentlich auch davon leben können. „Das ist eine Frage, die ich oft gestellt bekomme, aber für mich gibt es dann viele Möglichkeiten“, erklärt Johann. Zum Beispiel kann er sich eine Company oder einem Zirkus anschließen.
Seit zwei Jahren ist er nun auf der Berliner Schule, die im Stadtteil Prenzlauer Berg ihren Sitz hat. Ganz in der Nähe bewohnt er mit einem Freund eine Zwei-Zimmer-Wohnung. "Vorher", so Johann, "habe ich im Internat gewohnt. Nach der 10. Klasse muss man sich jedoch etwas eigenes suchen." In sein Heimatdorf Langenbieber kommt er, trotz seines straffen Stunden- und Trainingsplanes immer wieder gerne, denn dort warten seine drei Schwestern und seine Eltern auf ihn, die ihn und seinen ungewöhnlichen Wunsch, Artist zu werden, schon immer unterstützt haben. (Franziska Vogt) +++