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Stephan Schad (Nathan), Stephan Ullrich (Tempelherr) - Fotos: Hans Hermann Dohmen

Chrlotte Puder (Recha)

17.06.13 - BAD HERSFELD

Mit Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise" begannen am Samstagabend die 63. Bad Hersfelder Festspiele. Das Drama, Lessings letztes Werk, gehört gewissermaßen zum Urstoff des Theaters und eignet sich allein deshalb bestens für eine Festspieleröffnung in Bad Hersfeld. Intendant Holk Freytag legt großen Wert darauf, nicht nur die Stücke, sondern auch das Theater selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Seit Jahren gelingt ihm dies in Bad Hersfeld auch durch die Inszenierung klassischer Werke, die durch die Zeitlosigkeit ihrer Themen eine Brücke ins Hier und Jetzt schlagen. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben die Bad Hersfelder Festspiele ihre Bedeutung in der deutschen Theaterlandschaft erlangt.  

Wie im letzten Jahr mit „König Lear" und vor drei Jahren mit dem „Tell", setzte Freytag auch in diesem Jahr ein großes Menschheitsthema auf das Festspielprogramm und zeichnete als Regisseur und Intendant gewissermaßen für dessen Innen- und Außenwirkung verantwortlich. 

Das Miteinander der Weltreligionen ist auch nach ihrer über zweitausendjährigen Geschichte aktueller denn je, und so ist die Bad Hersfelder Inszenierung auch vom historischen Rahmen befreit. Die Eröffnungsszene, in der drei Hirten an drei Feuern sitzen, unterstreicht nicht nur die räumliche Weite der Bühne, sondern auch die zeitliche Weite der Thematik, lässt die Assoziation des Publikums aus der Handlungszeit des Lessingstoffs, der Zeit der Kreuzzüge in die Gegenwart springen, als die akustischen Bilder überfliegender Hubschrauber und Kampfjets am Abendhimmel auftauchen und die drei Hirten in die Flucht schlagen. Die Feuer brennen indessen weiter und werden dies bis zum Ende des Stücks tun. Es ist einzig die Eröffnungsszene, welche den äußeren Konflikt so effektvoll darstellt.  

Die Inszenierung wendet sich von nun an den inneren Konflikten zu. Sie spielt nicht mit effektvoller Darstellung und bewegungsreichen Interaktionen. Die Bühne bleibt in ihrer Weite Handlungsraum für innere Monologe und intensive Dialoge. Das Bühnenbild beschränkt sich auf die drei Feuer und den Raum, den in diesem Ausmaß nur die Bad Hersfelder Bühne bieten kann. 

Diesen Raum mit der Kraft des Wortes und den eher filligranen Ausdrucksmitteln des Ideendramas zu füllen oder einfach nur Raum sein zu lassen ist eine große Aufgabe, nicht nur für die Darsteller, sondern auch für das Publikum. Beides sind in Bad Hersfeld längst äußerst verlässliche Größen, und der Intendant und Regisseur kennt nicht nur sein Ensemble, er kennt längst auch sein Publikum. So meistert er diese Herausforderung mutig und überzeugend, ebenso wie die Darsteller, ebenso wie das Publikum. „Kein Mensch muss müssen", so betont Nathan gegenüber seinem Freund, dem Derwisch Al-Hafi (Manfred Stella). Doch die Beschäftigung mit einem großen philosophischen Menschheitsthema bedeutet zumindest „müssen wollen". Wer sich mit dem Hersfelder Nathan auseinander setzt, „will müssen", will sich die grundlegenden Fragen des Lebens und des Menschseins stellen, und immerhin wollte dies bei der gestrigen Premiere eine nahezu vollbesetztes Stiftsruine.  

Und so brennen die Feuer weiter, und Nathan (Stephan Schad) gibt den reichen jüdischen Geschäftsmann nuancenreich und nüchtern, überzeugend doch niemals überzogen. Die Inszenierung verträgt keinerlei Pathos und Übertreibung, sie lebt von Klarheit und Reduziertheit auf Wesentliches, kleine Gesten, feine Mimik und natürliche Artikulation sind wahrhaft große Herausforderungen auf der Hersfelder Bühne. Sultan Saladin (Dirk Glodde) zeigt trotz dieser Reduzierung auf das Elementare ein beeindruckendes Ausdrucksrepertoire von Witz bis Ernsthaftigkeit. Auch Nathans Tochter Recha (Charlote Puder) überzeugt mit ihrem darstellerischen Spektrum. Ihr Retter, der Tempelritter (Stephan Ullrich) spiegelt die innere Ambivalenz des frommen Kriegsherrn meisterhaft.  

Aus dieser inneren Ambivalenz erwachsen die Perspektivenwechsel, die den Wahrheitsanspruch der Religionen in Frage stellen und sie damit einander umso näher bringen. Denn niemand „hat das Original" Gottes, wie der Patriarch von Jerusalem (Hans-Christian Seeger) deklamiert und sich damit der Komik preisgibt. Die Ringparabel im Zentrum des Stückes ist der Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung, um die sich die Geschichte der leiblichen Verwandtschaft der Protagonisten als Bild einer gemeinsamen jüdisch-christlich-muslimischen Religionsfamilie spinnt. 

Das Stück, die Inszenierung und nicht zuletzt das Thema stellen eine große Herausforderung dar, der die Premiere in beeindruckender Weise gerecht wird: nicht mit überwältigenden Bildern und virtuoser Darstellung sondern allein durch die Kraft des Authentischen. Einen absoluten Wahrheitsanspruch gibt es ebenso wenig wie eine einzige Wahrheit. Die Wahrheit existiert jedoch, nicht im Großen, jedoch vielmehr im Kleinen und nicht allein, sondern gemeinsam mit unzähligen anderen Wahrheiten. Der Nathan der Bad Hersfelder Festspiele bietet Raum für viele von ihnen (KLAUS SCHEUER)  +++ 


Chrlotte Puder (Recha), Stephan Ullrich (Tempelherr)

Hans-Christian Seeger (Patriarch)


Stephan Schad (Nathan)

Chrlotte Puder (Recha), Stephan Ullrich (Tempelherr)


Stephan Ullrich (Tempelherr)

Fabian Baumgarten (Klosterbruder)


Annett Kruschke (Daja)

Annett Kruschke (Daja), Stephan Schad (Nathan), Chrlotte Puder (Recha)

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