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02.04.07 - Vogelsberg

"Jagd auf Kommunen" - Privates Kapital will sich in Wasserbetriebe einkaufen

"Die Städte sind zum großen Teil abgegrast, jetzt ziehen sie aufs Land: die Heuschrecken privater Kapitalanleger", prognostiziert Cécile Hahn, 1. Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V. So würden in Mittelhessen gegenwärtig etliche Kommunen von internationalen Investmentgesellschaften, die mit der Infrastruktur von Städten und Gemeinden viel Geld verdienten, goldene Berge versprochen, wenn sie diesen Anbietern ihre Anlagen zwecks Betriebsführung oder Kauf überlassen würden. Besonders aktuell seien die Angebote des weltweit agierenden, französischen Veolia-Konzerns, der unter der Tarnkappe ‚Mittelhessische Wasser und Abwasser GmbH’ (MHWA) im nördlichen Vogelsberg auch Mitglieder der Schutzgemeinschaft Vogelsberg e.V. (SGV) zu einer ‚Abwasser-Partnerschaft’ zu überreden versucht habe.

Privates Kapital wolle sich in Wasser- und Abwasserbetriebe einkaufen. Dies geschehe weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Denn je besser die Kenntnisse über die Methoden und die wahren Ziele der Investmentgesellschaften vor Ort seien, desto größer werde meist der Widerstand gegen eine Beteiligung von internationalem Privatkapital an der örtlichen Ver- und Entsorgung. Und das mit gutem Grund: die Erfahrung lehre, dass diese Konzerne nur so lange Interesse an den jeweiligen Städten und Gemeinden hätten, wie sie über Abschreibungen oder über Gebühreneinnahmen satte Gewinne für ihre oft weltweit verstreuten Aktionäre einfahren könnten. Die SGV sieht sich aufgrund ihrer Recherchen und Erfahrungen gefordert, die Kommunen der Region zu ihrem eigenen Besten über die möglichen Konsequenzen aus einer eventuellen Privatisierung ihrer Eigenbetriebe aufzuklären.

Denn zu den Verlierern zählten bei solchen Geschäften so gut wie immer der Naturraum, die Investitionen in Netzsanierungen, die Arbeitsplätze und die Verbraucher. So torpediere EON als Eigner der Stadtwerke Gelnhausen den Schutz von Niedermooren gegen Grundwasserraubbau und so habe RWE seine Tochtergesellschaft Thames Water (vertragswidrig) finanziell ausgehungert, als Milliardeninvestitionen in Rohrnetze fällig geworden seien. Sowohl Veolia als auch RWE, Suez und andere bewiesen immer wieder aufs Neue, dass sie ihre Kosten vor allem durch Entlassungen und Niedriglöhne zu senken und ihre Einnahmen durch Gebührenerhöhungen zu steigern verstünden – Millionen von Verbrauchern müssten das bereits erfahren. Ein lukratives Geschäft sei für die Konzerne oft auch das Schließen von Wasserwerken mit anschließendem Verkauf hochwertiger Grundstücke in ehemaligen Wasserschutzzonen.

Damit unterliefen Verkauf, Verpachtung oder eine privatisierte Betriebsführung von Wasser und Abwasser in vielen Fällen die gesetzliche Verpflichtung der Kommunen für eine nachhaltige Zukunftsvorsorge. Denn neben den obigen Folgen könne für viele Kommunen die Kurzlebigkeit von Tochtergesellschaften privater Ver-und Entsorger sowie der Verlust von Personal und Fachwissen im Eigenbetrieb schnell zu einem großen Problem werden. Zudem fließe durch private Beteiligungen oft der größte Anteil von erwirtschafteten Gewinnen nicht in die Kommune oder in die Region, sondern in die Aktienpakete von internationalen Investoren. Da internationale Großkonzerne über ein Geflecht von Beteiligungsgesellschaften verfügten (wie z.B. Veolia mit Veolia-Environnement, OEWA Leipzig und MHWA Antriftal), würden Kommunen, die Verträge mit solchen Privatinvestoren geschlossen haben, immer stärker von großen Monopolisten gegängelt, wie es das Beispiel Berlin drastisch vor Augen führe. Niemand sollte sich Illusionen über die Ziele der Salami-Taktik von Weltkonzernen hingeben, die oft mit begrenzten Beteiligungen einstiegen um dann, falls genügend Gewinne winkten, die Komplett-Übernahme von Infrastruktur zu forcieren.

Die SGV warnt die Kommunen der Region eindringlich davor, ihre Eigenständigkeit und die langfristige, kommunale Daseinsvorsorge ohne Not durch eine vertragliche Bindung an private Investmentgesellschaften wie Veolia, die erst 2002 aus der Riesenpleite von Vivendi hervorgegangen ist, vermeintlichen finanziellen Vorteilen zu opfern. Nicht ohne Grund versuchte gegenwärtig eine Reihe von deutschen Städten in einem Akt von ‚Re-Kommunalisierung’, ihre verkaufte Infrastruktur wieder zurückzukaufen – was mit sehr großen Schwierigkeiten und hohen Kosten verbunden sei - oder, wie im Fall Hamburg, durch ein Gesetz die Privatisierung zu verbieten. Falls Städte und Gemeinden ihre Ver- und Entsorgung nicht mehr in Eigenregie erledigen könnten, empfiehlt die SGV ihnen dringend, sich und ihre Bürgerinnen und Bürger vor einer Ausschreibung umfassend über den besten Weg zu Kooperationen schlau zu machen. Eine Begutachtung aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei als Grundlage für solch eine wichtige Entscheidung jedenfalls bei weitem nicht ausreichend. Die SGV biete zumindest ihren Mitgliedskommunen Hilfestellung für einen umfassenden Wissenserwerb an.+++

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