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Der "heißeste Punkt" im Kalten Krieg: Point Alpha
- Fotos: Daniel Kister
06.12.07 - Rasdorf
Vom Vogelkäfig zum Demokratiesymbol - Neue Point Alpha-Dauerausstellung
Wenn die Luft in den Bergwerken früher zu dünn wurde, dann fielen die Kanarienvögel von der Stange auf den Käfigboden und warnten mit ihrem Tod die Arbeiter. Eine ähnliche Funktion hatten die amerikanischen Soldaten auf dem Grenzposten Point Alpha, verglich heute der Amerikaner Colonel Ray A. Graham. Er ist Commander der U.S. Army Garrison in Wiesbaden. Heute war er da, wo früher die menschlichen Kanarienvögel wachten, wo sie einen möglichen Angriff der Sowjetunion erwarteten. Der Angriff ist nicht gekommen. „Die Kanarienvögel leben noch“, sagte Graham.
„Ende gut – alles gut“, sagte Berthold Dücker, Vorsitzender des Fördervereins Point Alpha e.V. Er bezog sich nicht auf das „erste Ende“ das gut ausging – damals bei der Widervereinigung – sondern auf das zweite glückliche Ende, das zugleich ein Anfang ist: Heute öffnete die neu gestaltete Dauerausstellung in der Gedenkstätte Point Alpha. Insgesamt 600.000 Euro kostete die Renovierung und Neugestaltung. Der Bund und das Land Hessen teilten sich die Hauptkosten von 500.000 Euro je zur Hälfte. 40.000 Euro zahlte der thüringische Wartburgkreis, 50.000 Euro der Landkreis Fulda und selber konnte die Gedenkstätte 10.000 Euro aus eigenen Mitteln aufbringen.
Schon im März berichtete Osthessen-News mit Video und Bildern über das neue Museumskonzept für Point Alpha: http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1133521 . Eine große Bilderserie mit einer detaillierten Beschreibung der Veränderungen auf Point Alpha findet sich in einem weiteren Artikel von heute: http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1143611.
Speerspitze der Freiheit, heißester Punkt im kalten Krieg, Symbol für die Überwindung der Spaltung in der Welt, strategisch wichtiger Punkt, Siegessymbol der Demokratie, authentischer Erinnerungsort, moderne Gedenkstätte, mehr als ein Grenzpunkt, mehr als ein Museum – all das war oder ist der amerikanische Grenzposten an der ehemals innerdeutschen Grenze, all das war oder ist „Point Alpha“. „Nirgendwo sonst – außer in Berlin – standen sich Amerikaner und Russen so nah gegenüber wie hier“, erklärte Ministerialdirektor Professor Dr. Hermann Schäfer: „Hier stießen Symbol und Weltanschauung aufeinander. Hier konnte man die Truppenbewegung der jeweils anderen Seite genau beobachten. Hier wurden die Angriffe der anderen erwartet“, erklärte er weiter.
Aufklärung tut Not
„Auch heute noch verbreiten ehemalige Offiziere DDR-Propaganda in Reinkultur“, warnte der thüringische Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten Gerold Wucherpfennig. Die Verharmlosung des Unrechtsregimes sei Realität, „der Kampf um die Deutungshoheit in vollem Gange“. Erst vor kurzem sei in einem Leserbrief der Schießbefehl an der Mauer geleugnet worden. Nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen sprächen davon, dass „nicht alles schlecht“ gewesen sei, kritisierte Wucherpfennig. Die Unfreiheit, die Bespitzelung, die Mauer, der Schießbefehl – all das bleibe ausgespart oder werde allenfalls am Rande erwähnt. „Das dürfen wir nicht zulassen“, warnte er und folgerte: „Aufklärung tut weiterhin Not“.
„Kein Buch der Welt kann erklären, was Point Alpha kann“, freute sich Vereinsvorsitzender Dücker heute. Point Alpha sei eine Brücke zwischen Hessen und Thüringen, veranschaulichte er. Die Ausstellung richte sich besonders an junge Leute, denen die „Tragödie der Teilung des Vaterlandes erspart blieb“. Tiefere Vorkenntnisse seien zum Verständnis der Ausstellung nicht notwendig; sie richte sich auf einem „10.-Klasse-Niveau“ an den „Alltagsmenschen“. (Daniel Kister) +++
Colonel Ray A. Graham ist Commander der U.S. Army Garrison Wiesbaden. Hier zusammen mit seiner Frau.
Berthold Dücker: Heute Vorstizender des Fördervereins Poit Alpha e.V. Zu DDR-Zeiten versuchte er mit Hilfe einer Zange den Grenzzaun zu überwinden.
Blumen von Dücker (rechts) für Professor Dr. Hano Sowade (links) und Ulrich Spannaus. Sowade ist von der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn. Spannaus vom Erfurter Artus Atelier gestaltete das Museum.
Stefan Grüttner, Staatsminister und Chef der hessischen Staatskanzlei und sein thüringischer Amtskollege Gerold Wucherpfennig.
Ministerialdirektor Professor Dr. Hermann Schäfer ist aus Berlin nach Rasdorf gereist. Er ist in der Hauptstadt Abteilungsleiter beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.