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11.10.10 - KASSEL
Urteil des VGH: „Kaloku-Kinderland“ in Rotenburg bleibt weiter geschlossen
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 14. September 2010 den sofort vollziehbaren Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb einer Tageseinrichtung für Kinder des Vereins „Kaloku-Kinderland e. V.“ in Rotenburg an der Fulda durch das Hessische Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit bestätigt. Im August 2008 war dem Verein „Kaloku-Kinderland e. V.“ die Erlaubnis für den Betrieb einer Tageseinrichtung für Kinder in Rotenburg an der Fulda vom Hessischen Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit erteilt worden. Nach ihrer Kindergartenordnung soll diese Einrichtung in ihrer pädagogischen und philosophischen Ausrichtung an den natürlichen Bedürfnissen der Kinder orientiert geführt und betrieben werden.
Aufgrund von Presseberichten und Mitteilungen von Eltern der Kinder erlangte das örtliche Jugendamt Kenntnis von Praktiken in der Kindertageseinrichtung, wonach Kinder mit „besprochenem“ Salz und mit homöopathischen Mitteln behandelt worden seien. Kinder seien „ausgependelt“ und mittels eines virtuellen Staubsaugers „entprogrammiert“ worden. Auch sei die private Lebenseinstellung der Erzieher/innen beeinflusst und auf dem Spielplatz des Kindergartengeländes seien giftige Pflanzen bewusst stehen gelassen worden, damit die Kinder lernten, Giftpflanzen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Mit Bescheid vom 1. April 2010 widerrief das Ministerium die Betriebserlaubnis mit sofortiger Wirkung, weil in der Einrichtung des Vereins das körperliche, geistige und seelische Wohl der Kinder gefährdet sei. Dagegen hat der Verein am 21. April 2010 Klage beim Verwaltungsgericht Kassel erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2010 abgelehnt; die dagegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Zur Begründung seiner Beschwerdeentscheidung führt der Hessische Verwaltungsgerichtshof aus, das Verwaltungsgericht habe den Antrag des Vereins auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt, weil der Widerruf der Erlaubnis offensichtlich rechtmäßig sei und die dagegen erhobene Klage deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Nach Ansicht der Richter des zuständigen 10. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist der Widerruf der Erlaubnis rechtmäßig, weil das Wohl der in der Einrichtung des Vereins betreuten Kinder gefährdet und der Verein nicht bereit sei, diese Gefährdung abzuwenden.
Im Einzelnen folgen die Richter der Begründung des Widerrufbescheids des Ministeriums, die Kindertageseinrichtung sei überbelegt, der Verein halte keine geeigneten Fachkräfte zur Betreuung der Kinder vor und die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und den Eltern der betreuten Kinder entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Dadurch habe der Verein mehrfach gesetzliche Vorgaben missachtet, die dem Schutz von Kindern in Einrichtungen dienen. So sei z. B. durch den Einsatz von „besprochenem“ bzw. „gesegnetem“ Salz ein ganz offensichtlich wirkungsloses Mittel eingesetzt worden und damit ein zuvor als besorgniserregend und einer Reaktion des Erziehungspersonals bedürfendes Verhalten eines Kindes tatsächlich unbeeinflusst gelassen worden. Ein derartiges Verhalten wie auch etwa das „Auspendeln“ mit dem Ziel, den Erziehern/innen ein Verhalten im Umgang mit den Kindern zu empfehlen oder die in der Einrichtung geübte Praxis, aus der Entwicklung von Pflanzen auf die Befindlichkeiten der Kinder zu schließen, seien als Tatsachen anzusehen, die nach einem normalen Geschehensablauf eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten ließen. Lasse der Verein als Träger einer Einrichtung es regelmäßig zu oder fördere es sogar, dass erzieherische Problem- und Fragestellungen durch wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte, esoterische Methoden beurteilt werden, nehme er zufällige und damit auch falsche oder gar gefährliche Entscheidungen des Erziehungspersonals billigend in Kauf, da eine Prüfung und gegebenenfalls eine Korrektur der beabsichtigten erzieherischen Vorgehensweise anhand fachlicher Kriterien nicht stattfinde.
Es bestehe somit die Gefahr, dass notwendige Reaktionen aufgrund der von Zufälligkeiten geprägten Entscheidungsfindung unterblieben. Eine Gefährdung des Kindeswohls sei zudem darin zu sehen, dass von der dem Antrag auf Erlaubniserteilung beigefügten vorläufigen Konzeption der Tageseinrichtung im Sinne der Weltanschauung der ehemaligen Vorsitzenden des Vereins abgewichen worden sei, ohne dies den Eltern und den zuständigen Behörden bekannt zu geben. Der Verein „Kaloku-Kinderland e. V.“ ist nach der Überzeugung der Richter des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs auch nicht bereit, die festgestellten Gefährdungen des Kindeswohls abzuwenden. In der Begründung der Beschwerdeentscheidung ist hierzu ausgeführt, es sei nicht zu erwarten, dass sich der Einfluss der ehemaligen Vorsitzenden des Vereins oder zumindest der von ihr propagierten Weltanschauung auf den Betrieb der Kindertageseinrichtung verringern werde. Die Tageseinrichtung des Vereins in Rotenburg an der Fulda darf somit auch für die Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage des Vereins gegen den Widerruf der Erlaubnis nicht betrieben werden. Über diese Klage hat zunächst das Verwaltungsgericht in Kassel zu entscheiden. Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist unanfechtbar. Das Aktenzeichen lautet 10 B 1374/10.+++