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16.05.11 - REGION

Tagebuch der "wüsten Sanitäter" (5) - Das traurige Ende eines Abenteuers

Seit dem 30. April sind sie unterwegs, die "wüsten Sanitäter" - auf dem Weg in die jordanische Hauptstadt Amman. Mensch und Maschine müssen nun zwei Wochen lang beweisen, dass sie dem Abenteuer "Allgäu-Orient-Rallye" gewachsen sind. osthessen-news präsentiert das offizielle Tagebuch der sechs Abenteurer, das von Teamsprecher Hans-Peter Chilian geschrieben wird. Der Bericht über den Hintergrund der Rallye und das zum Teil osthessische Team findet sich unter: http://osthessen-news.de/beitrag.php?id=1196892 .

Montag, 9.5.

"Nach einem perfekten Frühstück mit deutschen Filterkaffee und Semmeln, Sonne und angenehmen Temperaturen warten wir auf die Dinge, die da kommen sollen. Mit viel Mühe setzte ich die neuen Informationen und Fotos an unsere Presse ab. Das Internet bricht immer wieder zusammen – natürlich genau zu dem Zeitpunkt, wenn die Mail gesendet werden soll ! Wir essen wieder in unserem abendlichen Lokal und der Fisch war ausgezeichnet auf dem Grill zubereitet. Also, es sollte es ja um 15 Uhr Richtung Zypern gehen und letztendlich ging es dann ca. 3 Uhr morgens los. Große Aufregung überall, da die Anweisungen widersprüchlich waren, auf welche Fähre wir sollten. Es gibt zwei Fährhafen, die ca. vier Kilometer voneinander entfernt sind.

Ich hatte dann Glück auf diesem altem Rostkasten - ich fand ein kleines "Zimmer", in dem ich alleine war und dort auf dem Boden geschlafen habe. Alles unheimlich vergammelt, die Toilettenanlagen sind schlichtweg unvorstellbar. Ich habe dann trotzdem relativ gut und lang geschlafen. Nach dieser Nacht sahen alle etwas zerknittert aus - auch die jungen dynamischen, die vermeintlich immer gut drauf sind.

Um ca. 11 Uhr kamen wir dann auf Zypern (GERLIN) an, und das Ausladen der Fahrzeuge war wieder ein ewiger Prozess. Die Pässe wurden von den Türken eingesammelt, dass niemand auf die Idee kommt, womöglich in den griechischen Teil der Insel zu fahren. Nun sollen wir wieder um 17 Uhr im Hafen sein, was aber nicht bedeutet, dass wir annähernd um 17 Uhr abfahren. Wir wissen nur, dass es nach Port Said in Ägypten geht; wie lange die Schiffsfahrt dorthin ist, ist nicht bekannt. Nach einem furchtbaren Durcheinander bei der Rückgabe der Pässe und einem chaotischen Beladen mit den Fahrzeugen legen die drei Fähren schließlich um ca. 2 Uhr morgens ab. Wir sind wieder auf der CALYPSO, die etwa 285 Passagiere und ca. 70 Fahrzeuge geladen hat.

Dienstag, 10.5.

Ich kann wieder meine „Einzelkabine“ belegen die aber den Nachteil hat, dass sie total vergammelt ist und direkt neben der einzigen(!) Damentoilette liegt. Diese entwickelt von Zeit zu Zeit einen Schwall an Fäkaliengerüchen, der den gesamten vorderen Teil der Aufenthaltsräume durchflutet. Meine Hüften schmerzen bereits von der ersten Nacht auf den Stahlplanken und ich muß eine "Falttechnik" entwickeln, dass der Schlafsack die Schmerzen an den Hüften begrenzt. Der Tag ist lang auf See und die Gerüchteküche brodelt vor sich hin, wie lange wohl die Fahrtzeit bis Port Said sei. Die Schätzungen belegen einen Zeitraum von 24 bis 48 Stunden. Keine Information vom OK zu diesem Vorgang. GPS-bewehrte Rallye-Teilnehmer versuchen aufgrund der Position, der Fahrtgeschwindigkeit und der Entfernung eine Ankunft zu errechnen … alles falsch, wie sich später herausstellen soll. Zum Glück haben wir im Team noch Proviant gekauft; auf der Fähre gibt es nur Kekse, Chips und ein undefinierbares Fladenbrot gefüllt mit Käse. Die 3. Nacht beginnt im meinem „Einzelzimmer“ und für die anderen auf Schlafsesseln, Liege-matratzen und Decken. Ich schlafe sehr unruhig und die Schultern, Hüften und Glieder schmerzen.

Donnerstag, 12.5.

Ich muss um 2 Uhr morgens die Toilette aufsuchen und stelle mit Entsetzen fest dass kein Wasser mehr fließt. Kann also den Toilettengang nicht beseitigen noch die Hände waschen. Danach kann ich nur schwer einschlafen da ich mir die Auswirkungen ausmale falls das Frischwasser wirklich zu Ende ist. Wieder ein langer, endloser Tag auf See, wobei jedoch die Aussicht, dass wir heute Abend in Ägypten anlanden werden, die Hoffnung und den Durchhaltewillen nährt. Inzwischen gibt es etliche Seekranke an Bord, darunter unser bedauernswerter Werner dem es stündlich schlechter geht. Die Vorräte sind zum grossen Teil aufgebraucht. Die Teams, deren Fahrzeuge sich auf der CALYPSO befinden, haben den Vorteil, dass sie immer wieder notwendige Dinge aus ihren Fahrzeugen holen können. Leider sind alle unsere Fahrzeuge auf einer anderen Fähre.

Um ca. 20 Uhr stoppt unser Schiff, und es wird bekannt gegeben, dass wir noch keine Einfahrtgenehmigung in ägyptische Hoheitsgewässer haben. Um 21 Uhr bekommen wir die Nachricht von Walter (OK), dass wir KEINE Einreisegenehmigung für Ägypten bekommen und wir wieder zurückfahren. Die Enttäuschung ist natürlich riesengroß und der Groll auf die fahrlässige Planung des OK wird immer größer. Ganz bedauernswert sind natürlich die Seekranken, die auf ein Ende der Seereise gehofft haben. Die Essensvorräte sind auch weitgehend aufgebraucht und wir stellen uns auf eine „Seediät“ á la Allgäu-Orient Rallye ein.

Freitag, 13.5.

Man höre und staune – um ca. 8:30 Uhr wird bekannt gegeben, dass für alle eine warme Suppe und 2 Stück Weißbrot ausgeteilt wird. Auch mittags und abends werden nun Notrationen in Form von gekochtes Gemüse und Linsensuppe ausgeteilt. Nur, unser Team und weitere haben kein Essbesteck noch Teller …. Also werden Plastikwasserflaschen halbiert und als Trinkschale verwendet. Aber die offene Frage ist ja wirklich, woher kommen plötzlich diese Essensbestände ? Hat man sich schon mal vorsorglich auf eine Rückfahrt eingestellt oder war es bereits bei der Abfahrt klar dass wir wieder zurückfahren werden? In jedem Fall komme ich mir vor wie ein Gefängnisinsasse, der seine mageren Portionen dankend entgegennimmt, und ansonsten der Zukunft ausgeliefert ist! Seit wir auf See sind, schaue ich immer wieder nach Seevögeln, Fischen oder auch Fischerbooten... aber es gibt nichts zu sehen. Dieser Teil des Mittelmeeres erscheint tot.

Samstag, 14.5.

So, Heute müssen wir ja ankommen. Damit steigt die Laune sichtlich bei allen. Dass wir dann noch 2 Stunden früher ankommen als geplant ist eine freudige Überraschung und wird dankend entgegengenommen. Wieder an Land zu sein und mit meinem Schatz zu telefonieren (nach fünf Tagen Ungewissheit) war für mich ein sehr emotionaler Augenblick. Erst da wird mir klar, wie angespannt die ganze Situation war - nun diese Befreiung. Wir können wieder unsere Pension direkt am Hafen beziehen bei unserem freundlichen Deutsch-Türken und geben uns komplett der Körperpflege hin. Duschen, die Kleidung wechseln, gut essen und trinken… die Stimmung schlägt Kapriolen. Das OK hält noch eine Informationsveranstaltung im Hafen ab, wobei von den meisten Teams kein Interesse gezeigt wird, an dieser teilzunehmen. Unser Plan ist, unsere Fahrzeuge in Bulgarien zu verkaufen und von Thesaloniki / Griechenland zurückzufliegen. Morgen beginnt also unser Rückmarsch über Ankara, Istanbul, Griechenland nach PETRICH / Bulgarien."

Nachdem sowohl Israel als auch Ägypten den Rallye-Teilnehmern die Einreise untersagt haben und Syrien durch die augenblickliche politische Lage nicht bereist werden soll, besteht für die "wüsten Sanitäter" jetzt keine Möglichkeit mehr, nach Jordanien zu kommen. Die Rallye ist beendet. Einzig Michael Schürmann, der krankheitsbedingt zu Hause bleiben musste, fliegt mit seiner Lebensgefährtin auf eine "Stippvisite" nach Amman und besucht die Paralympics - als einziger der "wüsten Sanitäter". +++


Die Toiletten auf der Fähre.

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