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Bei der Buchvorstellung: Oberbürgermeister Gerhard Möller (rechts) , Dr. Franz-Georg Trabert (städtische Volkshochschule), Rainer Klitsch, Dr. Thomas Heiler, Dr. Wolfgang Hamberger und den Bearbeitern Gerda Lobe-Röder, Martin Herber, Frithjof Heinrich, Konrad Neumann, Christoph Helfrich, Heidi Rößing und Ingrid Möller-Münch (von links nach rechts).
06.12.04 - Fulda
Ältestes Einwohnerbuch der Stadt - Veröffentlichung des Geschichtsvereins
Nicht nur heute stöhnen die Bürger über eine hohe Abgabenlast. Vor genau 400 Jahren gingen in der Fürstabtei Fulda die Steuereinnehmer herum und trieben von den Untertanen ein halbes Prozent ihres Vermögens für den Krieg gegen die Türken ein. So unangenehm diese Sondersteuer für die damalige Bevölkerung war, so sehr freuen sich heute die Historiker darüber. Die akribisch arbeitende fürstäbtliche Verwaltung notierte sich nämlich in jedem noch so kleinen Ort oder Gehöft den Namen des Steuerzahlers samt dem abgelieferten Betrag. Das Ergebnis, eine über 900 Seiten umfassende Abrechnung mit fast 12 000 Namen in etwa 300 Siedlungen, ist nicht wie so viele andere fuldische Archivalien der Frühen Neuzeit untergegangen, sondern findet sich noch unter der Bezeichnung „Türkensteuerregister von 1605“ im Marburger Staatsarchiv.
Die Rechnung gilt als die bedeutendste bevölkerungsgeschichtliche Quelle des Fuldaer Landes vor Einführung der amtlichen Statistik im 19. Jahrhundert. Viele Ortschronisten und Familienforscher griffen in der Vergangenheit auf das teilweise schwer zu lesende handschriftliche Register zurück, eine bequem zugängliche Ausgabe des Werkes in maschinenschriftlicher Umsetzung fehlte aber bisher.
Grund genug für den Fuldaer Geschichtsverein, dieses einmalige Zeugnis der fuldischen Historie in Buchform der Öffentlichkeit vorzulegen. Der von Dr. Thomas Heiler, dem Leiter des Fuldaer Stadtarchivs herausgegebene Band enthält auf 569 Druckseiten neben einer Einführung nicht nur den vollständigen Text des Originals, sondern auch umfangreiche Orts- und Personenregister sowie eine Karte zur Lokalisierung der teils nicht mehr bestehenden Siedlungen.
Dr. Wolfgang Hamberger, der Vorsitzende des Geschichtsvereins, zeigte sich bei der Buchpräsentation besonders erfreut über die ungewöhnlichen Umstände der Entstehung des Projekts. Angesichts der Fülle des zu bearbeitenden Materials nahm sich eine zehnköpfige Bearbeitergruppe der Umschrift und drucktechnischen Aufbereitung des Türkensteuerregisters an. Das engagierte Team aus Familien- und Heimatforschern war aus mehreren Kursen über den Umgang mit alten Dokumenten und Schriften hervorgegangen, die der Herausgeber an der städtischen Volkshochschule gehalten hatte.
Oberbürgermeister Gerhard Möller freute sich denn auch in seinem Grußwort über die gelungene Bündelung von Kräften der Volkshochschule, des Stadtarchivs und des Fuldaer Geschichtsvereins. Verlagsleiter Rainer Klitsch betonte die lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen Geschichtsverein und dem Verlag Parzeller, der nunmehr die 64. Vereinspublikation vorlegen könne.
Die zahlreichen Auswertungsmöglichkeiten des Türkensteuerregisters zeigte Thomas Heiler auf. So sei es zum ersten Mal möglich, eine einigermaßen verlässliche Einwohnerzahl für die Fürstabtei vor dem Dreißigjährigen Krieg zu geben. Unter den geschätzten 75 000 Landeskindern befanden sich auch 120 jüdische Familien. Das ermittelte Durchschnittsvermögen in Höhe von 190 Gulden entsprach etwa dem dreifachen Jahresgehalt des Fuldaer Bürgermeisters. Auch lassen sich nachträglich – wenn auch längst verjährt – Steuerhinterziehungen aufdecken. So gab etwa der als Hexenrichter bekannt gewordene Balthasar Nuss, der sich am Vermögen seiner Opfer bereichert hatte, nachweislich ein zu geringes Vermögen an.
Thomas Heiler (Herausgeber), Das Türkensteuerregister der Fürstabtei Fulda von 1605, Verlag Parzeller, Fulda 2004 (64. Veröffentlichung des Fuldaer Geschichtsvereins). Preis 17,50 Euro. Erhältlich über den Buchhandel. Verbilligter Bezug für Mitglieder des Geschichtsvereins über dessen Geschäftsstelle (Tel. 0661/102-1443). +++