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Den Schülerinnen und Schülern über die Schulter geschaut... - Fotos: Caritas

Seit Anfang der 1970er-Jahre existiert die Hausaufgabenhilfe in Fulda

03.08.05 - Region

Mehr als Nachhilfe - Caritas bietet Hausaufgabenhilfe für ausländische Kinder an

Es ist kurz vor zwei Uhr. Das Schulgebäude der Fuldaer Bardoschule hat sich weitgehend geleert. Auf dem Schulhof spielen ein paar Jungen Fußball. Sie scheinen noch nicht nach Hause zu streben. Und in der Tat: Als eine Frau über den Schulhof kommt und zum Gebäudetrakt geht, beenden die Jungen sofort das Ballspielen, sammeln ihre Taschen ein und eilen in den Klassenraum. Die mittägliche Stunde der Hausaufgabenhilfe beginnt.

Doris Freydank, ehemalige Lehrerin und seit Jahren Koordinatorin der Hausaufgabenhilfe an den Fuldaer Schulen, ist an der Bardoschule selbst im Einsatz. Doch sie kümmert sich nicht allein um die Gruppe der zwölf bis 20 Schülerinnen und Schüler, die sich hier mittags nach dem Regelunterricht versammeln. Drei bis vier Helfer je Schule schauen den Kindern und Jugendlichen beim Erledigen der Hausaufgaben über die Schulter, stehen ihnen bei, wenn es nicht weiter geht, zeigen – wenn nötig - Lösungswege auf und kontrollieren auch gleich die Ergebnisse. Erklärtes Ziel der Hausaufgabenhilfe ist es, die Kinder zusätzlich zum Unterricht zu fördern und ihnen Unterstützung bei der Bewältigung schulischer Probleme zu bieten.

Heute besteht das weitere Helferteam an der Bardoschule aus einem Schulleiter im Ruhestand, einer Mutter, die selbst ein Schulkind an dieser Schule hat, sowie einer Schülerin vom nahen gymnasialen Oberstufen-Zentrum, die sich mit dieser Tätigkeit ein kleines Taschengeld dazu verdient. Obwohl: im eigentlichen Sinne bezahlt wird die ehrenamtliche Tätigkeit nicht, sondern jeder Einsatz wird mit einer kleinen Aufwandsentschädigung abgegolten – gedacht zur Tilgung eventueller Fahrkosten oder anderer entstehender Unkosten.

Die Unruhe im Klassenraum ist erstaunlich schnell vergangen. Die Schülerinnen und Schüler haben rasch ihre Hefte heraus geholt und konzentrieren sich auf ihre jeweiligen Aufgaben. Erst müssen alle Hausaufgaben erledigt sein, dann gibt es, wo nötig, auch individuellen Nachhilfeunterricht oder Vorbereitung auf Klassenarbeiten. Praktisch alle Klassenstufen von der vierten bis zur zehnten Klasse aus Grund-, Haupt- und Realschule sind vertreten, und die Kinder sind auch in ihrer Herkunft und Hautfarbe bunt zusammen gemischt, denn die Hausaufgabenhilfe ist ja auch in erster Linie gedacht für schulpflichtige Kinder von ausländischen Eltern und aus Aussiedlerfamilien.

Doch die deutschen Kinder sind natürlich nicht ausgeschlossen und können bei Bedarf die Hausaufgabenhilfe gleichfalls in Anspruch nehmen. In der Regel sind immer wenigstens ein oder zwei Deutsche in der Gruppe dabei. So dürften diese gemeinschaftlichen mittäglichen Stunden abseits der Klassenverbände und Schulhofcliquen auch ein wesentlicher Beitrag zum gegenseitigen „Beschnuppern“ und zur Integration von jungen Neubürgern sein. Denn immer wieder sind auch Kinder vertreten, die erst wenige Monate in Fulda zu Hause sind, wie beispielsweise Dimitri, der mit seinen Eltern aus Lettland nach Osthessen kam. Auch dank der Hausaufgabenhilfe hat er einige Mitschülerinnen und -schüler außerhalb seines Klassenverbandes kennen gelernt und konnte seine Deutschkenntnisse rasch verbessern.

Ebenfalls erst hier Deutsch lernen musste die 13jährige Ksenija aus Sibirien. Andere Kinder mit ausländischen Eltern sind dagegen in Fulda geboren und haben dementsprechend keine wirklichen Sprachprobleme – wie der elfjährige Turan, dessen Familie aus der Türkei stammt, oder der zehnjährige Achmed, dessen Eltern aus Syrien und Afghanistan kommen. Trotzdem wird die Hausaufgabenhilfe besonders von den nichtdeutschen Kindern benötigt, wie Doris Freydank erläutert. Denn ihnen fehle im Elternhaus häufig die nötige ergänzende Förderung. „Bei unserer Arbeit stellt sich immer wieder heraus, dass viele ausländische Schüler erst bei der gemeinsamen Bewältigung der Hausaufgaben den im Unterricht besprochenen Stoff richtig verstehen“, unterstreicht sie.

So verfolgt die Hausaufgabenhilfe der Caritas auch ausdrücklich einen ganzheitlichen pädagogischen Ansatz. Zwar nehmen die Kinder und Jugendlichen freiwillig teil, sollen aber von den Betreuerinnen und Betreuern zum regelmäßigen Besuch angehalten werden, um durch Kontinuität auch einen Lernerfolg zu sichern. Dabei, so Irene Schmidt-Bruchhäuser vom Caritas Sozialdienst für Ausländer, wo die Hausaufgabenhilfe angesiedelt ist, gehe es auch um die Förderung des Sozialverhaltens und die Kooperationsbereitschaft zwischen deutschen und ausländischen Kindern, die im Schulalltag doch immer wieder zu wünschen übrig lasse. Hier aber sitzen alle friedlich zusammen in einem Raum.

Und das klappt augenscheinlich ganz hervorragend. Die Hausaufgabenhelfer haben heute einen ruhigen Mittag. Turan, der sich mit einem Deutschaufsatz plagt, hat sich die Oberstufenschülerin Johanna Lange als Unterstützerin erbeten: „Die hat nämlich alles drauf!“, meint er verschmitzt. Johanna hilft vor allem in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathe, und meist ist sie bei den Schülern der höheren Klassenstufen im Einsatz, denn deren Lernstoff hat sie ja selbst erst vor wenigen Jahren aufgenommen, und dementsprechend ist ihr alles noch präsent, ob es nun um Prozentrechnen oder um englische Grammatik geht. „Vor allem das rasche Umschalten – etwa von Erdkunde, fünfte Klasse auf Mathematik, neunte Klasse und wieder zurück zum Deutsch der Grundschule – macht die Tätigkeit zwar abwechslungsreich, aber auch unberechenbar“, analysiert Jungpensionär Josef Kimmel, der selbst aus dem Lehrerfach kommt und gerade die Mathehausaufgaben der Marokkanerin Yasmina kontrolliert.

Yasmina steht in der Abschlussklasse der Realschule. Sie hat die Hausaufgabenhilfe von ihren Schulleistungen eigentlich gar nicht nötig, aber sie möchte ihre Mathenote für das Abschlusszeugnis noch etwas verbessern. Deshalb sitzt sie jeden Mittag freiwillig zwischen den meist kleineren Mitschülern und ist überzeugt, dass es ihr auch schon etwas gebracht hat. „Sie ist tatsächlich ein echter Sonderfall für uns“, sagt Doris Freydank . „Yasmina arbeitet vollkommen selbstständig – sie will nur die Kontrolle und Gewähr, dass alles korrekt ist. Auch ihre Eltern sind sich dessen bewusst, dass sie hier Unterstützung erfährt. Ihr Vater hat sie schon einmal hierher begleitet und sich bei uns bedankt. Das habe ich in der Form sonst so gut wie noch nie erlebt. Der Kontakt zu den Eltern ist in der Regel leider eher dürftig.“

Die Hausaufgabenhilfe existiert in Fulda bereits seit Anfang der 70er Jahre – damals ins Leben gerufen von einer ehemaligen Stadträtin. Heute, so Doris Freydank, müsse man feststellen, dass eine schulbegleitende Unterstützung für die Kinder ausländischer Eltern wichtiger sei denn je. Denn dank "Pisa" sei deutlich geworden, dass Herkunft und sozialer Status in Deutschland im direkten Zusammenhang mit schulischer Leistung und Zukunftschancen der jungen Menschen stünden. So sieht die Caritas als Träger laut Irene Schmidt-Bruchhäuser gute Möglichkeiten, die Hausaufgabenhilfe zukünftig in den Schulen als „Puzzlestein“ des Ganztagsschulenangebotes zu integrieren und setzt auf eine Zusammenarbeit mit den Schulleitungen in diesem Sinne. Schon für die nahe Zukunft würde man das Angebot gerne bereits etwas erweitern. Doris Freydank hofft darauf, eine kleine Präsenzbibliothek für die Kinder einrichten zu können, damit sie nach Erledigung der Hausaufgaben auch einmal gemeinsam in einem Kinder- oder Sachbuch schmökern können. Für eine solche Ausstattung fehlten jedoch noch die notwendigen Mittel. Weitere Infos zu den Schulen und Zeiten im Internet unter http://www.rcvfulda.caritas.de (Christian Scharf) +++


In der Bardoschule gibt es ein Helferteam, das sich um 12 bis 20 Schüler kümmert

Die Kinder und Jugendlichen nehmen freiwillig an der Hausaufgabenhilfe teil


Gedacht ist die Hausaufgabemhilfe in erster Linie für ausländische Kinder, aber auch deutsche Kinder nehmen die Hilfe in Anspruch

So soll mit der Nachhilfe nicht nur das Lernen, sondern auch das Sozialverhalten und die Kooperationsbereitschaft gefördert werden

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