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Die 18-jährige Bettina Block, Lehrling des Monats Dezember, hier beim "Blaumachen". - Bilder: Max Colin Heydenreich

Von links die Firmenchefs von Colora Hans-Jörgen Ochs und Horst Gesang neben dem "Stolz" der Firma Bettina Block. .Rechts neben ihr Dr. Jörg Meyer-Hesseln von der Handwerkskammer Kassel, Peter Nemela von Colora und Manfred Schüler, Kreishandwerkerschaft Fulda.
20.12.05 - Neuhof
Bettina BLOCK ist Lehrling des Monats - "Maler und Lackierer, dann werd ich das!"
Eine Baustelle allein abzuwickeln, ja, das kann sie sich durchaus vorstellen, sagt Bettina Block. Die Auszubildende im dritten Lehrjahr erlernt das Maler- und Lackiererhandwerk bei der Firma Colora, Malerwerkstatt in Neuhof. Die eigenverantwortete Baustelle - keine große Sache also, sondern Zutrauen in das eigene Können, gepaart mit dem Vertrauen, das man bei Colora in die Lehrlinge setzt. Die drei Geschäftsführer, Peter Nemela, Hans-Jürgen Ochs und Horst Gesang, sehen es gerne, wenn ihre Auszubildenden im dritten Lehrjahr mehr oder weniger selbstständig wie ein Geselle arbeiten, selbstverständlich unter der teilnehmender Beobachtung des zuständigen Ausbilders. Wie Bettina Block.
Die hat nicht nur ihre Zwischenprüfung im Sommer diesen Jahres mit einer Eins und einer Zwei bestanden, sondern bekommt auch von ihren drei Vorgesetzten ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Bescheiden sei sie, unkompliziert, anpassungsfähig, was die Arbeit betrifft, immer freundlich. Deshalb wundert es die drei nicht, dass Bettina von jedem der Kollegen gerne mitgenommen wird, dass es immer wieder Nachfragen gibt, wo sie denn gerade im Einsatz ist und ob sie dort nicht vielleicht abkömmlich sei. Sie wissen: "Das ist nicht bei allen Lehrlingen so." Alles in allem Grund genug für die Handwerkskammer Kassel und die Kreishandwerkerschaft Fulda, Bettina Block als "Lehrling des Monats Dezember" auszuzeichnen.
Auch wenn sie keine Vorstellung hatte, welchen Beruf sie erlernen sollte, war Bettina Block von Anfang an klar, dass sie ins Handwerk und auf keinen Fall ins Büro wollte. Ein Berufswahltest ergab, dass das Maler- und Lackiererhandwerk das Richtig sein könnte. "Dann werd´ ich das", sagte sich die gebürtige Fuldaerin. Das folgende Schulpraktikum überzeugte sie dann restlos. Weil sie im ersten Anlauf keinen Ausbildungsplatz im Maler- und Lackiererhandwerk gefunden hatte, ging sie nach dem Realschulabschluss weiter zur Schule. Aber nur so lange, bis sie von einer Nachbarin erfuhr, dass in der Firma Colora, wo diese arbeitete, ein Bewerber abgesprungen war. Bettina Block schickte ihre Unterlagen los und konnte sofort überzeugen. Eine Frau am Bau.
Dass sie ein Handwerk erlernt, freut ihren Vater sehr. Dass es ein Ausbauhandwerk sein musste, das einen recht großen körperlichen Einsatz verlangt, davon war er nicht begeistert. Aber er ließ sich schnell von seiner Tochter überzeugen, denn die erzählte jeden Abend begeistert von der Arbeit. Der neue Alltag war zwar anstrengend, aber Bettina Block hatte sich rasch an die körperliche Arbeit und den zeitigen Arbeitsbeginn - immerhin geht es bei Colora in der Regel um sechs Uhr früh los - gewöhnt.
Auch wenn ihre Ausbildung mit ganz einfachen Tätigkeiten wie Abdeckarbeiten begann, ist die 18-jährige heute bei allen Arbeiten dabei. Und das lieber drinnen als draußen, wo doch eher die gröberen Arbeiten zu erledigen sind. "Bei den feineren Arbeiten tun sich die Frauen leichter", ist man sich einig. Und wie ist das so als Frau auf dem Bau? Immer allein unter Männern? In der Berufsschule, berichtet Bettina Block, sind es drei Frauen, die mit ihr das Maler- und Lackiererhandwerk erlernen, in ihrer Klasse ist sie aber das einzige weibliche Wesen. "Sprüche stören mich nicht", sie denke sich dann ihren Teil. Und eigentlich komme sie ganz gut mit den Jungen aus. In der Firma hat sie in jedem Fall großen Rückhalt. "Das Betriebsklima ist besser, wenn Frauen da sind", fassen die drei Geschäftsführer die guten Erfahrungen der Firma mit den weiblichen Auszubildenden zusammen.
Die Gesellenprüfung steht für Bettina Block im nächsten Sommer an. Was dann kommt, weiß sie noch nicht, im Moment ist ihr vor allem wichtig, dass die Prüfung gut gelingt. Im Beruf bleiben möchte sie schon, erst einmal. Sie kann sich aber durchaus vorstellen, später etwas anderes zu machen. Geht es nach ihren Ausbildern "kann sie gerne im Betrieb bleiben, wenn die Prüfung gut wird." Was keiner der drei ernsthaft bezweifelt. Sie wäre dann die erste Frau, die nach der Lehre auch als Maler- und Lackiererin in der Firma arbeitet. Und das wäre ihnen ganz recht, denn dann hätten sie eine Frau nicht nur als Auszubildende, sondern auch als Angestellte.
Der Betrieb: "Frauen sind gut fürs Klima"
Vor 15 Jahren wagten Horst Gesang, Peter Nemela und Hans-Jürgen Ochs mit ihrer Firma "Colora" in Neuhof den Sprung in die berufliche Selbstständigkeit, nachdem sie festgestellt hatten, dass sie sich gut ergänzen und auch die selben Vorstellungen haben, wie ein Handwerksbetrieb zu führen ist. So gehört es für die drei Geschäftsführer selbstverständlich dazu, dass ein Handwerksbetrieb ausbildet. "Wir bilden aus, um die Firma zu erhalten", lautet ihr Credo, unter Hinweis darauf, dass Facharbeiter bereits heute gesucht werden. Zwei bis drei Bewerber finden jedes Jahr bei Colora eine Lehrstelle. Fast 50 jungen Menschen haben sie so den Start in den Beruf ermöglicht.
Bemerkenswert: Fünf ihrer 46 Auszubildenden im Maler- und Lackiererhandwerk waren Frauen. Gesang, Nemela und Ochs halten sich nicht lange mit Vorurteilen gegen Frauen in Bau- und Ausbauberufen auf. Sie freuen sich lieber über die positiven Veränderungen, die Frauen mit sich bringen. Argumente, Frauen könnten nicht so schwer tragen, bräuchten eine eigene Toilette, brächten Unruhe in die männliche Belegschaft oder Ähnliches, lassen sie nicht gelten. Ihre Erfahrungen stellen das Gegenteil aller gängigen Vorurteile dar: Der Ton auf den Baustellen sei freundlicher, das Benehmen der Kollegen zuvorkommender. Und bei der Arbeit wollten Frauen ganz normal behandelt werden. Dafür seien sie disziplinierter und zielstrebiger bei der Arbeit. So wurde eine ihrer Auszubildenden nicht nur Landessiegerin im Praktischen Leistungswettbewerb, sondern setzte sich auch auf Bundesebene mit einem 3. Platz durch. Und mit Bettina Block bilden sie den "Lehrling des Monats Dezember" aus. Auf beide sind sie mächtig stolz.
Auch Bedenken, was die Kunden wohl zu einer Maler- und Lackiererin sagen würden, haben sich als gegenstandslos erwiesen. Gerade bei Gestaltung und Kundenberatung kämen typische weibliche Eigenschaften der Firma sehr wohl zugute, wissen die drei. "Wichtig ist die richtige Durchmischung der Firma mit jungen und älteren, mit männlichen und weiblichen Mitarbeitern," lautet die Maxime."Wir sind ein Dienstleistungshandwerk", sind sich die drei einig. Das gilt auch für die Lehrlinge. Zurzeit sind es sieben, die ihre Lehre bei dem Malerbetrieb in Neuhof absolvieren. Bei der Auswahl der Kandidaten achtet man darauf, dass der Schulabschluss halbwegs stimmt. Ein Praktikum ist gern gesehen, so findet gut die Hälfte der Lehrlinge den Weg in die Firma. Letztlich entscheidend ist aber, wie sich ein Bewerber, eine Bewerberin gibt. Was zählt, ist der Gesamteindruck. "Es geht nicht nur darum, dass jemand seine Arbeit macht, sondern auch, wie er bei den Kunden ankommt." Denn im Betriebsalltag entscheidet nicht zuletzt das Auftreten der Mitarbeiter, das Erscheinungsbild, das sie als Aushängeschild des Betriebs abgeben, über den Erfolg der Arbeit.
Der wirtschaftliche Erfolg der Firma Colora ruht auf vier Säulen: Malerarbeiten, Innenausbau, Fassaden und Restaurierung. 90 bis 95 Prozent der Aufträge, die vom Streichen eines Gartenzauns über die Gestaltung und Renovierung einer Villa bis zur Restaurierung einer Kirche reichen, werden in einem Umkreis von 100 bis 150 km abgewickelt. Wenn es sich ergibt, darf es aber auch schon mal Paris oder Sylt sein. Mit 34 Mitarbeitern ist Colora in der Lage Aufträge anzunehmen, bei denen anderen Betriebe die Kapazität fehlt.+++

"Alles Farbe oder was?" Das Firmen-Lager in Neuhof treibt es ziemlich bunt.

Ihr macht die Arbeit an der Wand und mit den meist männlichen Kollegen sichtlich Spaß


