Archiv

Versuchsweise wird schon jetzt zu 30% "Fluff" verbrannt, um die Wirkung auf die Umwelt testen zu können - Bilder: Stefan Knopp

... ganz am Ortsrand von Müs
27.06.06 - Großenlüder
Angst, Bedenken und viel Kontrolle! Mehr "Fluff" für OTTERBEIN-Zement
Was wird sich ändern, wenn bei der Zementherstellung in den Zement- und Kalkwerken (ZKW) Otterbein GmbH & Ko. KG in Großenlüder-Müs (Kreis Fulda) verstärkt Sekundärroh- und brennstoffe zum Einsatz kommen? Was genau ist darunter zu verstehen? Mit welchen Schwermetall-Emissionen ist zu rechnen? Diesen Fragen stellten sich gestern Abend auf einer (nicht vorgeschriebenen, sondern freiwilligen) Informationsveranstaltung im Bürgerhaus Müs der Geschäftsführer der Firma Otterbein, Winfried Müller, und externe Sachverständige unter anderem von der Umweltbehörde. Etwa 100 Bürger waren gekommen. Die ZKW wollen aus Einsparungsgründen die Verwertung der Sekundärbrennstoffe von 30% auf 60% erhöhen und planen dafür neue Anlagen und Filter einzurichten. Der entsprechende Antrag wird jetzt geprüft, wobei Untersuchungen der möglichen Umweltbelastung im Vordergrund stehen.
Unter den Anwesenden waren Bewohnern aus Müs ebenso wie aus umliegenden Ortsteilen der Gemeinde Großenlüder, aber auch Bürgermeisterin Silvia Hillenbrand (SPD). Zur fachlichen Unterstützung waren von der Umweltbehörde der Dezernent für Emissionsschutz, Wärme und Energie, Wolfgang Weber, sowie Dr. Bernd Augustin, weiterhin Dr. Volker Hoenig vom Verein der deutschen Zementindustrie, Bodo Delhey aus Gelnhausen von der Gesellschaft für Umweltfragen und der Beirat der Firma Otterbein, Prof. Wolter. Sie standen den Bewohnern Rede und Antwort auf ihre Fragen.
Geschäftsführer Müller stellte zunächst die Pläne vor. Der Antrag sei eine Sparmaßnahme, die unter anderem durch steigende Stromkosten und einen deutschlandweiten Produktionsrückgang nötig werde, sagte er. Von rund 34 Mio. Tonnen in Deutschland produzierter Klinker würden nur 24 Mio. Tonnen benötigt, was unter anderem zu Werkschließungen und härterem Wettbewerb geführt habe. Müller geht davon aus, dass das "Erlösniveau in Zement sich nicht wesentlich verbessern" werde. Deshalb seien die geplanten Maßnahmen notwendig. Zu Versuchszwecken würden bereits jetzt 30% "Fluff" als Sekundärbrennstoff eingesetzt, um die Wirkung auf die Umwelt testen zu können. Mit einem neuen Filter soll dieses Material dann 60% der Sekundärbrennstoffe ausmachen.
Es geht vor allem um Sekundärbrennstoffe, also solche, die zusätzlich zum Kohlenstaub bei der Zementherstellung verbrannt werden. Dazu zählen unter anderem Tiermehl, Flugasche und so genannter "Fluff", das sind zum Beispiel Plastikabfälle aus der Industrie. Diese Stoffe werden in zertifizierten Betrieben aufbereitet an die Werke geliefert und dort verbrannt. Bislang liegt der Anteil an Sekundärbrennstoffen bei 30%, die Firma Otterbein will diesen Anteil auf 60% erhöhen und auch Trockenklärschlamm, Papierfaserfangstoffe und ölverunreinigte Bleicherde mit verbrennen. Hierfür würden spezielle Trockensilos und Lager- und Dosierungseinrichtungen benötigt, erklärte Delhey. Zudem müssten ein neuer Brenner eingerichtet und der Schornstein der Drehofenanlage um 7 m auf 30 m erhöht werden.
Ein bei den anwesenden Bewohnern besonders strittiger Punkt waren die Emissionen der Anlage. Für das erhöhte Niveau an Fluff-Verbrennung werde auch ein verbesserter Gewebefilter nötig, der den bisherigen Elektrofilter ersetzen soll, hieß es seitens der Experten. Die Abgase über dem Kamin und die Deposition luftverunreinigender Stoffe, die schädliche Umweltwirkungen haben könnten, würden genauso geprüft wie die Auswirkungen auf das Wasser. Zudem werde es eine konstante Schwermetallmessung geben, sagte Delhey, wobei vor allem auf Quecksilber als das "flüchtigste Element" geachtet würde. Über Abgase durch die Verbrennung von Tiermehl müsse man sich keine Gedanken machen: "Die hohe Verbrennungstemperatur bewirkt eine vollständige Zerstörung aller organischen Stoffe."
Hoenig erläuterte, dass die meisten Schwermetalle aus den Sekundärbrennstoffen aber gar nicht erst die Anlage verließen, sondern entweder den Herstellungsprozess komplett durchliefen oder aber über den Weg der bei der Verbrennung entstehenden Dämpfe nähmen. Diese würden für die Trocknung des Rohmaterials ins Trockensilo umgeleitet. Wenn die Staubwerte im Rahmen seien, ergänzte Wolfgang Weber, dann seien es in der Regel auch die Schwermetallwerte.
Weiterhin sieht der Antrag vor, dass bentonitgebundener Gießereialtsand als sekundärer Rohstoff mit zum Zement verarbeitet wird. Dies würde die Qualität des Endprodukts nicht mindern und verursache aufgrund des zehnprozentigen Wasserbestands auch keine Staubbildung bei der Verbrennung. Auch sei richtig, so Müller, dass eine neue Entstaubungsanlage gebaut würde. Diese sei aber aufgrund neuer TA-Luft-Richtwerte nötig geworden und würde unabhängig vom Antrag eingerichtet.
Der Antrag befindet sich noch im Anfangsstadium und wird laut Müller erst im Oktober 2007 zu einer Entscheidung führen. Bis dahin liefen die Prüfungsverfahren durch das Umweltamt. Die zuständigen Behörden hatten die entsprechenden rechtlichen Schritte gestern Vormittag bei einer gemeinsamen Konferenz in Bad Hersfeld auf den Weg gebracht. (S.K.) +++

Der Einsatz von Sekundärbrennstoffen soll auf 60% aufgestockt werden

Die Bürgerinnen und Bürger von Müs und Umgebung bei der Infoveranstaltung im Bürgerhaus um 19 Uhr

"Wir wohnen auch in Müs und sind auf größte Sicherheit bedacht": Geschäftsführer Müller

Neue Trockensilos müssen dafür gebaut werden

....rund 650 Tonnen Zementklinker werden hier jeden Tag hergerstellt

Die Fachleute von links: die Herren Augustin und Weber vom Umweltamt, Dr. Hoenig vom Verein der deutschen Zementindustrie und Herr Delhey von der Gesellschaft für Umwelt-Consulting

Hoenig erklärt, um was es sich bei "Fluff" handelt

Die Bürgermeisterin von Großenlüder, Silvia Hillenbrand

"Bestmögliche Emissionsüberwachung": Delhey bei seinem Vortrag

Die Zement- und Kalkwerke Otterbein GmbH & Co. KG..

Das Werk Otterbein will sich im Wettbewerb auch künftig behaupten können

62 LKW-Bewegungen stehen derzeit pro Tag bei der Firma Otterbein an, durch die vermehrte Anlieferung von Sekundärbrennstoffen sollen es 70 pro Tag werden