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Ethan Freeman - auch in diesem Jahr der Star des Bonifatius-Musicals - Alle Fotos: Max Colin Heydenreich

Am Anfang steht die Verwandlung des Mannes der Gegenwart in Bonifatius
05.08.06 - Fulda
BONIFATIUS (1): Wunder oder Kuriosum? Auch 3. Spielzeit lohnt Besuch
Die dritte Spielzeit von „Bonifatius - Das Musical“ kann den Fuldaern zu einer ganz neuen Kulturerfahrung verhelfen, die Menschen in Städten mit weit größerem Theater- und Musicalangebot – oder durch Deutschland reisende Fans - schon gemacht haben: dass man denselben Stoff in einer neuen Inszenierung aus veränderter Sichtweise und mit anderen Gefühlen erlebt. >Ein Stück ist ein Stück< - mitnichten. >Was man einmal oder zweimal gesehen hat, kann doch nicht mehr interessant sein< - stimmt nicht. „Bonifatius“ beweist, dass nicht nur die Integration einer neuen Szene und eines neuen Songs eine Aufführung auffrischen. Die geführte Mischung aus „alter“ und neuer Besetzung sowie die inszenatorische Kunst, die selbst durch winzige Veränderungen im Einzelnen eine Verdichtung des Ganzen erreicht, machen aus dem bekannten Musical ein neues, weil erneuertes Stück. Wer sich darauf einlässt, erlebt eine nun ausgereifte Version des Musicals mit viel Leidenschaft, Tempo, Humor und nachdenklichen Momenten.
“Dass die Premiere der dritten Bonifatius-Staffel heute stattfindet, grenzt an ein Wunder“, sagte Produktionsleiter Peter Scholz kurz vor 19 Uhr. Denn vieles war zusammengekommen: das dritte Musical in Folge am Originalschauplatz setzte alle Beteiligten unter speziellen Erfolgsdruck, die materiellen Bedingungen waren nicht leichter geworden, die Vorbereitung der „Bonifatius“-Aufführungen in Bremen kostete Zeit, das für Juli 2007 geplante neue Musical der „spotlight“-Produktion erfordert bereits Energie – und Krankheit sowie plötzlicher Tod des bisherigen Produktionsleiters Michael Weiß wirkte sich sehr erschwerend auf die Organisation aus. Doch in dieser schwierigen Lage sei „das Team über sich hinaus gewachsen“, erklärte Scholz. Deshalb stattete die Musicalproduktion auch vor Beginn der 83. Vorstellung einen umfangreichen Dank an alle ab, die die dritte Staffel durch ihre Unterstützung möglich gemacht hatten.
Das „Kuriosum“ der 3. Spielzeit – so Peter Scholz – sei durch die Hauptsponsoren Rhönsprudel („...Sie haben immer ein offenes Ohr für uns“) und Opel Fahr („....diese Autos mit den überdimensionalen Bildern sind in ganz Deutschland die besten Botschafter“) möglich geworden. Dank ging ebenso an die Medienpräsentatoren FFH, Harmony FM und Fuldaer Zeitung, die 12 Unternehmen der Region, die als Sponsoren von Darstellern fungieren, und die Stadt Fulda. Anerkennung aber auch dem Ensemble auf und den 67 Helfern hinter der Bühne („...die Leute aus der Region, die nach Schule oder Arbeit mitmachen, sind das Fundament des Stückes...“), Regisseur Reinfried Schießler („...er macht den Job von 10 Leuten“) samt allen aus dem Kreativ- und dem Technikteam („...alle haben in den letzten 30 Tagen wirklich Tag und Nacht gearbeitet“). Dank aber auch an das Publikum, das „zu 70 Prozent das Stück schon drei- oder viermal gesehen hat“.
Der Komponist des „Bonifatius“, Dennis Martin wartete geduldig auf seinen Part, kommentierte aber trocken, wenn er von der langen Rede gewusst hätte, wäre er „nochmal um den Block gegangen“. Martin schilderte knapp, dass am 7.7.2007 das zweite Musical von „spotlight“ über die Heilige Elisabeth von Thüringen am Fuß der Wartburg Welturaufführung haben wird: „Wir wollen zeigen, welches Potenzial für Musicals in uns steckt“. Und dann kam eine unsentimentale, doch bewegende Botschaft, auf die viele warteten: “Wir wollen diese Spielzeit einem Mann widmen, der fast von Anfang an dabei war. Michael, ich weiß, dass Du uns jetzt irgendwie zusiehst – wir werden 2006 zu einer grandiosen Spielzeit machen“.
Dass dies Versprechen eingehalten wird, zeigten alle Darsteller, Helfer und Techniker bereits in der Premiere. Nahtlos fügten sich die neue „Schänkenszene“ – in der Bonifatius seine Herkunft und Motivation zur Mission schildert – und das Lied „Ein Leben lang...“ in die Handlung ein und dürfte vor allem den norddeutschen Zuschauern den Apostel der Deutschen besser erklären. Besser gelöst als in den Vorjahren: das Fällen der Donareiche und die Szene, in der Bonifatius ermordet wird und stirbt. Im Gegensatz zu den beiden ersten Staffeln schließt sich am Ende der Kreis: in der Eröffnungsszene wurde aus einem Mensch der heutigen Zeit der englische Missionar – nun „verwandelt“ sich Bonifatius zurück.
Die Darsteller überzeugten mit Spielfreude, spürbarer Gemeinsamkeit und reibungsloser Ensembleleistung. Ethan Freeman, stimmgewaltig wie im Vorjahr, beeindruckte mit noch mehr Leidenschaft, berührender Verzweiflung und schauspielerischen Zwischentönen. Gesanglich und darstellerisch waren die „Neuen“, Jasmina Sakr und Luciano di Gregorio als „verhindertes Liebespaar“ Alrun und Sturmius, ein großer Gewinn für das Stück. Ebenso wie die überzeugende Mara Dorn als Nonne und Cousine von Bonifatius. Der Friesenherzog Radbod ist 2006 der dunkelhäutige Daniel Dodd-Ellis mit imposantem Bass-Bariton. Auch die neuen Darsteller des Wirts Luidger (Till Schubert) und der Martell-Söhne Karlmann (Sebastian Scheuthle) und Pippin (Gerald Reiter) setzten neue Akzente in ihren Rollen. Simone Kerchner als leidenschaftlich anklagende Mutter und Juan Mochales als Papstgesandter erhielten wie in den Vorjahren spontanen Szenenapplaus.
Zu den „Uraufführern“ von 2004 gehören drei Schauspieler und Sänger, die sich die besondere Sympathie der Zuschauer erworben haben: Artur Ortens als Mönch und Biograf Willibald, Stefan Poslovski als dekadenter Bischof Gewilip und Frank Lang in seiner Doppelrolle als Karl Martell und Papst Gregor II. Ihre Interpretationen waren noch ausgefeilter: Ortens genügt minimale Gebärde und Mimik, um Widersprüche, Ironie oder drohendes Unheil auszudrücken. Poslovski fasziniert erneut als machtbesessener, skrupelloser Amtsinhaber mit imponierender Stimme; gibt den Gewilip aber weniger lasziv und umso gefährlicher. Lang gewinnt der Adeligenrolle mehr subtilen Humor ab und gibt der Papst-Figur einen Hauch bedauernswerten Gefangenseins.
Wenn auch die Hauptdarsteller herausgehoben erscheinen - was den „Bonifatius 2006“ ausmacht, ist die homogene Ensembleleistung der Sänger, Schauspieler und Tänzer und deren geradezu unbändige Lust der Darsteller, die Zuschauer ins frühe Mittelalter zu entführen. Kein Grund also, nicht noch ein weiteres Mal ins Schlosstheater zu pilgern - zumal es ja keine weiteren Aufführungen in Fulda geben wird.
Gabriele Weigand-Angelstein +++
(Abschließend noch ein Hinweis: Die geäußerten Einschätzungen sind lediglich eine persönliche Ansicht und erheben keinerlei Anspruch darauf, „wahre Kritik" oder unangreifbares Urteil zu sein. Jeder Zuschauer sieht ein Stück mit seinen Augen – und jeder hat nicht nur ein Recht auf seine eigene Empfindung, sondern auch die Pflicht dazu.)

Mönch Willibald (Artur Ortens) war Biograf - und greift als Erzähler auch in das Spiel ein

Tanzszenen sorgen für Dynamik

Der Hausmaier Karl Martell (Frank Lang) unterstützt den Missionar

Der Gefährte Sturmius (rechts) wird von Luciano Di Gregorio gespielt

Jasmina Sakr als Mädchen Alrun, das mit dem Bruder eine Schänke betreibt

Dort spielt die neue Szene, in der Bonifatius den Gefährten von England und seinem Werdegang als Mönch erzählt

Ebenfalls neu: Alruns Bruder Luidger (Till Schubert, links) und Karlmann (Sebastian Scheuthle, Mitte)

Die Szene mit den Heiden und Donar....

... und dem Kubus als Abstraktion der Eiche, die Bonifatius fällt

Daniell Dodd-Ellis als Friesenherzog Radbod

Mara Dorn spielt die Cousine Lioba

Eine wütende und verzweifelte Mutter sprengt die geplante Taufhandlung

Karlmanns Bruder Pippin (rechts) wird von Gerald Reiter dargestellt

Der "böse" Bischof Gewilip (Stefan Poslovski) war erneut Publikumsliebling

Der junge Mönch Sturmius...

... und das Mädchen Alrun singen ein Liebeslied - doch jeder für sich allein

Der Papst unterzeichnet ständig Papiere - und wirkt melancholisch

Der Papst hat Gewilip abgesetzt - und der schwört Rache

Noch sind die Gefährten guter Dinge...

...und richten das Kreuz für den Bau des Klosters Fulda auf

....Klosters Fulda auf

Gewilip gelingt es, Radbod zum Mordkomplott zu überreden

...währenddessen zweifelt Bonifatius als Bischof von Mainz an Kirche und eigenem Glauben

Die Gefährten in Fulda erfahren vom kaiserlichen Gesandten, dass Bonifatius in eine Falle gelockt wurde

....erst stirbt Luidger...

...dann folgt Bonifatius' Martyrium

Sturmius verspricht, den Missionar in Fulda zu begraben

In der nächsten Szene folgt die Rückverwandlung in den Mann der Gegenwart..

...noch vor dem Schlussbild