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05.05.07 - Fulda
DGB zur Kritik an "1. Mai-Pranger": "Lassen uns keine Themen vorschreiben"
Der DGB Südosthessen hat mit einem gemeinsamen offenen Brief von DGB und Mitgliedsgewerkschaften an OB Möller und Landrat Woide auf die massive Kritik nach der Maidemonstration in Fulda reagiert ("Osthessen-News" berichtete mehrfach). Für den Regionsvorsitzenden Arno Enzmann sind die Gewerkschaft "Angriffe des Arbeitgeberlagers" durchaus gewohnt. Gerade in Fulda sei dies nicht neu. Offensichtlich wünschten sich die Arbeitgeber in Osthessen eine "gewerkschaftsfreie Zone oder aber mindestens gefügige Gewerkschaften". Diesen Gefallen werde man nicht tun und lasse sich auch "weder Themen noch Handlungsformen" diktieren.
"Irritiert" seien die Gewerkschaften auch von der "einseitigen Parteinahme der Politik. Landrat und OB hatten in der Vergangenheit oft genug die Gelegenheit, Beschäftigte bei ihren begründeten Forderungen und Auseinandersetzungen zu unterstützen. Hier hätten wir uns über ebenso deutliche Worte gefreut. Wenn die Politik nicht zu ausgewogenen Äußerungen bereit ist, erwarten wir zumindest ihre Zurückhaltung". Der DGB werde "gerne" mit Landrat Woide und OB Möller über Entwicklungsperspektiven der Region reden, allerdings über "Perspektiven, die nicht auf Kosten der Beschäftigten erkauft werden.“ +++
Offener Brief des DGB IM WORTLAUT
Offener Brief
Stellungnahme zur Maidemonstration des DGB Fulda
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Möller,
Sehr geehrter Herr Landrat Woide,
der DGB und seine Gewerkschaften halten Ihre einseitige öffentliche Parteinahme zu Gunsten von Herrn Helmig für unausgewogen und sachlich höchst fragwürdig. Die Angriffe aus dem Arbeitgeberlager sind für Gewerkschaften nicht neu. Insbesondere in Osthessen scheinen sich die Arbeitgeber und ihre Funktionäre einen gewerkschaftsfreien Raum zu wünschen. Wenn sie nun als gewählte Volksvertreter in dieses Horn der Arbeitgeber stoßen, halten wir dies für sehr bedauerlich. Selbstverständlich haben Sie das gute Recht die Gewerkschaften und deren öffentliche Artikulationsformen zu kritisieren.
Dabei würden wir es begrüßen, wenn Sie nicht nur gewerkschaftliche Aktivitäten Ihres kritischen Blickes unterziehen würden. Es waren die immer wiederkehrenden Angriffe und Provokationen der Arbeitgeber, welche die jetzige Form der Auseinandersetzung bestimmen. Hier haben wir bei vielen Anlässen Ihre deutlichen Worte vennisst:
* Es gab keine Äußerungen von Ihnen, als es bei Reform zu einem Ausstieg aus dem Sanierungstarifvertrag kam und den Beschäftigten damit trotz vorher erzielter Einigung weitere Zugeständnisse abgepresst worden sind.
* Es gab keine öffentliche Äußerung von Ihnen, als Herr Helmig in der Fuldaer Zeitung behauptete, dass Herrn Hareter "etwas in der Birne fehle" (vgl. Fuldaer Zeitung vom 04. April 2007).
* Ferner gab es keine öffentliche Äußerung von Ihnen, als Herr Helmig in eben diesem Interview erklärte, dass er Geldgeschenke an Belegschaften (hier GSD) von der Sympathie abhängig mache.
Die Anlässe, bei denen Sie gut begründet Ihre Solidarität mit Beschäftigten in Fulda und der Region hätten zeigen können, sind noch deutlich zahlreicher als hier aufgeführt. Dennoch haben Sie immer wieder zu den Angriffen und Provokationen von Herrn Helmig und anderer Arbeitgeber geschwiegen.
Dabei trägt das Handeln von Herrn Helmig in den Augen der Gewerkschaften immer wieder feudale Züge. Deutlicher als in Geldgeschenken nach Sympathie kann diese Grundhaltung wohl kaum zum Ausdruck kommen. Und eben diese feudalen Züge wurden am 1. Mai symbolisch dargestellt.
Die aktuelle wirtschaftliche Situation in Osthessen ist nicht zuletzt den Leistungen der Beschäftigten zu verdanken. Diese Beschäftigten verlieren aber nun das Vertrauen in die kommunale Politik, wenn Sie Ihre einseitige Parteinahme für Herrn Helmig verfolgen. Wirtschaftliche Prosperität in der Region Osthessen kann nicht langfristig auf Verzicht und Einschnitten auf Seiten der Beschäftigten basieren.Entsprechend setzen sich der DGB und seine Gewerkschaften mit Augenmaß für die jeweilige betriebliche Situation um eine angemessene Beteiligung der Beschäftigten an den Unternehmensgewinnen ein - die Risiken tragen die Beschäftigten ohnehin schon.
Wir diskutieren gerne mit Ihnen Wege der wirtschaftlichen Entwicklung der Region Osthessen. Und wir wünschen Ihnen bei Ihrem politischen Wirken die Kraft, im Sinne der Menschen in der Region wenn nötig auch öffentlich gegen die wirtschaftliche Macht eines Herrn Helmig zu opponieren.
Mit freundlichen Grüßen
Arno Enzmann
DGB-Regionsvorsitzender Südosthessen
Michael Pilz
1. Bevollmächtigter IG Metall Hanau / Fulda
Angelika Kappe
Geschäftsführerin ver.di Osthessen
Wolfgang Werner
Geschäftsführer IG BCE Bezirk Hanau l Fulda
Klaus-Dieter Körner
Geschäftsführer IG BAU Mittelhessen
Thomas Scheunert
Kreisgruppenvorsitzender GdP Fulda
Elke Runge
Geschäftsführerin NGG Mittelhessen"
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