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von links nach rechts: Heinrich Heß, Hauptnaturschutzwart des Rhönklubs, Dr. Helmut Röscheisen von Deutschen Naturschutzring. und Helmut Seitel vom Deutschen Wanderverband.
27.08.07 - Rhön
Symposium über Tabu-Zonen, "Wanderwelt Nr.1" und ein "düsteres Bild"
RASDORF. Sehr gut besucht war das von der ARGE Rhön, dem Verein Natur- und Lebensraum Rhön und dem Rhönklub initiierte Symposium zum Thema „Wandern & Natur(schutz)“ im „Haus auf der Grenze“ bei Geisa/Rasdorf. Etwa 90 Teilnehmer hatten den weiten Weg in den Norden der Rhön nicht gescheut und waren bei herrlichem Wanderwetter in das am 17. Juni 2003 eingeweihte „Museum“ gekommen. Ewald Klüber, Wirtschaftsdezernent im Wartburgkreis, begrüßte im Namen des Landrates Reinhard Krebs und erinnerte daran, dass vor 19 Jahren eine solche Tagung an diesem Ort nicht möglich gewesen wäre.
„Düsteres Bild ließ alle erschauern“
Hauptredner Dr. Helmut Röscheisen vom Deutschen Naturschutzring nannte das Thema „Wandern und Natur(schutz)“ ein sehr wichtiges mit großer Bedeutung im Hinblick auf den Klimawandel und Klimaschutz. Tourismus und Erholung seien in der heutigen Zeit wichtige Bereiche, über die geredet und beraten werden müsse. Der Klimaschutz sei im Moment in aller Munde, denn die Bundesregierung befasse sich genau mit diesem Problem. Den Teilnehmern wurden in „schauerlichen Zahlen Schreckensvisionen der Zukunft aufgezeigt“: Co2-Ausstoß, Methan-Produktion, Ozonloch, Temperaturanstieg um bis zu 4 Grad in den nächsten Jahren, Anstieg des Meeres durch Abschmelzen der Gletscher, Versauerung der Ozeane, extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und Dürre, Golfstromveränderung, Wasserknappheit, Artenschwund, Küstenschäden, Gesundheitsschäden mit hohen Kosten als Folge. „Das düstere Bild ließ alle erschauern“, berichtete ein Teilnehmerin.
„Energie sparen und ÖPNV nutzen“
Bei seinen Forderungen an die Wandervereine nannte er einige Beispiele, wie jeder selbst zum Klimaschutz beitragen könne: Verzicht auf Flugreisen, dafür Urlaub im eigenen Land; Energie sparen, bis zu 50 Prozent seien möglich, auf erneuerbare Energien setzen, Ernährung mit heimischen Produkten, weil geringe Frachtkosten entstehen, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzen und den PKW stehen lassen. Die Forderung nach verbesserten ÖPNV-Angeboten für die Wochenenden gilt als eine uralte Forderung des Rhönklubs, weil ihm ständig vorgeworfen werde, er verfahre zu viele PKW-Kilometer für seine Wanderungen in der Rhön. Auch die Hütten der Wandervereine sprach der Redner an. Hier sollten Sanierungen mit Wärmedämmung und Solardächern vorgenommen werden. Auch diese Idee hätte längst schon beim Rhönklub gegriffen. Frage sei nur: Wer bezahlt diese Sanierungen? Zuschüsse seien dafür leider nicht zu erhalten.
Konflikte zwischen Wandern und Naturschutz
Laut Umfrage wollen 74 % aller Urlauber „Natur“ erleben, erklärte der Redner. Der Tourismus sei also auf eine intakte Natur angewiesen. Dazu müssten naturverträgliche Wandertouren angeboten werden, forderte er. Immer wieder ergäben sich jedoch Konflikte zwischen Wandern und Naturschutz: durch Wegebau, bei Unterkünften, durch falsches Verhalten, durch Massenveranstaltungen, durch Ausweisung ungeeigneter Parkflächen, durch fehlerhafte Kennzeichnung der Wege. In einer Pressemitteilung des Rhönclubs heißt es dazu, dass der Rhönklub keine Weg baue. „Wenn neue Weg ausgewiesen werden, dann sind diese Wege bereits vorhanden. Sie werden vom Rhönklub lediglich gekennzeichnet, eben, damit sich kein Wanderer verläuft.“
„Rhönclub nimmt Rücksicht auf Tabu-Zonen“
Auch die vom Redner angesprochenen Massenveranstaltungen führt der Rhönklub nicht durch. Die Wandergruppen seien maximal 40 „Mann“ stark. Sternwanderungen mit hoher Besucherzahl fänden nicht „mitten in der Natur“ statt. Bei Wegeführungen in Naturschutzgebieten habe der Rhönklub seit Jahren Rücksicht auf die „Tabu-Zonen“ genommen, sagt Pressesprecherin des Rhönklubs Regina Rinke. Besonders im Gebiet der Langen Rhön seien auf Wunsch der Behörden mehrere Wegeverlegungen durchgeführt worden. „Die Forderung Röscheisens nach Fortbildung, Weiterbildung und Aufklärung der Mitglieder in Naturschutzfragen sind beim Rhönklub seit Jahrzehnten die Praxis.“
Verbandsnaturschutzwart Helmut Seitel referierte zum Thema „Wanderbares Deutschland – sanfter Tourismus“. Das Naturerlebnis sei der erste Schritt zum naturverträglichen Handeln, so begann er seinen Vortrag. Deutschland sei Weltmeister im Reisen, denn es werden durch den Urlaub, durch das Reisen jährlich 56 Milliarden EURO umgesetzt. Umweltverträglich sei das Wandern, weil dazu keinerlei technische umweltschädliche Hilfsmittel notwendig seien. Wandern sei Vielfalt und deshalb bei 13 % der deutschen Bevölkerung sehr beliebt. Der Deutsche Wanderverband publiziere den sanften und naturverträglichen Tourismus. Geschulte Wanderführer mit guter Ausbildung verfolgen das Ziel, den Mitwanderern die Landschaft zu erschließen. Der Wanderer soll die Landschaft erleben, sie verstehen lernen, denn dann ist er auch bereit sie zu schützen. „Was ich kenne, das liebe ich, was ich liebe, das schütze ich“ – nach dieser Erkenntnis sollten die im Wanderverband organisierten Vereine handeln.
Hauptnaturschutzwart Heinrich Heß vom Rhönklub hatte sich „Das Land der offenen Fernen“ zum Thema seines Referates gewählt. Das alte Buchenland „Buchonia“ habe sich in den letzten Jahren in das Land der offenen Fernen verwandelt, „weil der Mensch Bedürfnisse hatte und sich den Wald roden musste.“ Die Landschaft sei nun eine Kulturlandschaft, die aber nicht statisch, sondern dynamisch sei. Sie verwandele sich wieder, der Wald erobere sich die Rhön zurück. Sie habe viele verschiedene Lebensräume: Kernzonen, Kalkmagerrasen, Basaltblockschutthalden und Buntsandsteinformationen. Sie biete außerdem ein abwechslungsreiches Bild mit Tälern, Hügeln, Kuppen und Schluchten zählte Heß weiter auf.
Rhön soll „Wanderwelt Nr.1“ werden
Der Rhönklub und auch die Politiker haben ein großes Ziel: Sie möchten die Rhön zur „Wanderwelt Nr.1“ machen. Dabei möchte die Rhön Vorbild für nachhaltigen Tourismus werden. Das Prinzip der Nachhaltigkeit sei, nicht mehr aus dem Wald zu entnehmen als wieder nachwächst. „Mit der Landschaft muss also verantwortlich umgegangen werden. Die Menschen sollen sich aus der Landschaft ernähren, sie aber nicht ausbeuten.“ Die Rhön sei im 19. Jahrhundert oft als das „Deutsche Sibirien“ bezeichnet worden. Das habe Außenstehende abgeschreckt, diese Region zu besuchen. Heute gelte es, sich zur Rhön zu bekennen, „denn die Rhön ist nicht Sibirien“.
Wegkennzeichnung, Bänke & Piktogramme statt lang Erklärung
Die Rhön habe viel zu bieten, u. a. auch hervorragende Produkte, die es anzubieten gelte. Diese Vermarktung der Produkte stärke die Landwirtschaft und damit auch den Erhalt des Landes der offenen Fernen. Auf dem Weg zur „Wanderwelt Nr. 1“ sei es wichtig, die Wege klar zu kennzeichnen, die Weg aber auch dezent mit Bänken auszustatten. Anstelle von Erklärungstafeln mit langen Texten sei es besser mit Piktogrammen zu arbeiten, die schneller verstanden werden. Der Rhönklub sei mit seinen Fortbildungsmaßnahmen auf dem Naturschutzsektor vorbildlich, lobte der Hauptnaturschutzwart Heß. Der beste Naturschutz sei nämlich der im Kopf. Die jährlich einmal stattfindende Hauptnaturschutztagung habe stets ein anderes Thema und spreche viele Wanderfreunde an. In der Vereinszeitschrift würden Naturthemen veröffentlicht und seien für jedes Mitglied präsent. Brisante Themen wie Windkraft oder Fotovoltaik beinhalteten Konfliktpotential, bei dem der Landschaftsschutz überwiege.
Diskussion um geplante Straße Fulda – Meiningen
Die anschließende Diskussion befasste sich intensiv mit der Resolution des Rhönklubs zur geplanten Straße Fulda – Meiningen. Ewald Klüber setzte sich für „seine“ thüringische Rhön vehement ein, für die er nach 45 Jahren Entwicklungsrückstand endlich den Anschluss an das moderne Deutschland forderte. Die Thüringer Rhön verlöre ihre Bewohner – die jungen Leute zögen weg, weil die Region nichts biete: keine Arbeitsplätze, keine Firmengründungen, keine neuen Betriebe, keine Hotels oder Gaststätten, keine vernünftigen Straßen. Es müsse sich endlich etwas tun, damit durch eine gut ausgebaute Straße das Leben in diesen Teil der Rhön zurückkehre. Von den Gegnern der Straße habe sich niemand zu Wort gemeldet, wie Rhönklub-Pressesprecherin Rinke mitteilte. +++





