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Ein volles Podium und ein... - Fotos: Thorsten Jahn

...gut gefüllter Saal am Freitag in Thalau beim Infoabend...
07.10.07 - Ebersburg
"Dorffrieden im Auge behalten" - Infoabend der BI gegen die Putenmastanlage
Wie stark das Informationsbedürfnis ist und wie groß inzwischen die Besorgnisse vieler Bürger im Hinblick auf eine geplante landwirtschaftliche Großanlage im Bereich der Gemeinde Ebersburg (Kreis Fulda) sind, zeigte sich am Freitagabend bei einer Veranstaltung der - im Sommer gegründeten - Bürgerinitiative. Rund 350 interessierte Bürger waren in die Mehrzweckhalle im Ortsteil Thalau zum Informationsabend mit anschließender Podiumsdiskussion gekommen, zu dem die „Bürgerinitiative für die Erhaltung des Lebensraumes von Mensch und Tier Ebersburg e.V.“ eingeladen hatte.
Der informative Abend drehte sich um ein Reizthema in der Rhöngemeinde: die geplante intensivierte Putenmast zwischen den Ebersburger Ortsteilen Thalau, Schmalnau und Ried, die bei weiten Teilen der Einwohner auf Ablehnung stößt. Fachleute aus allen relevanten Bereichen referierten zu den verschiedenen Aspekten des Bauvorhabens und standen den Bürgern in der anschließenden Diskussion Rede und Antwort.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Professor Erich Ott, Professor am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Fulda. Nach der Begrüßung erläuterte der Vorsitzende der Bürgerinitiative, Karsten Fries, zunächst die Planungsfakten der intensivierten Putenmast, die mit ihrem industriellen Charakter "mit dörflicher Landwirtschaft kaum noch gemeinsame Schnittpunkte" habe: in drei großen Ställen sollen insgesamt an die 21.000 Puten in einer 16-wöchigen Mastdauer zur Schlachtreife gezüchtet werden. Laut Fries könne man mit einem jährlichen Mistaufkommen von 900 Tonnen rechnen.
Da eine Gesundheitsgefährdung sowie eine Geruchsbelästigung der anliegenden Ortschaften nicht sicher ausgeschlossen werden könne, sei die Bürgerinitiative aktiv geworden und habe mit der Sammlung von mittlerweile über 1.000 Unterschriften gegen die Mastanlage und einer breiten Information der Bürger die Öffentlichkeit mobilisiert.
Dr. Hubert Beier, der Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld, ließ erkennen, dass er dem geplanten Bau einer Putenmast gelassen entgegensehe, zumal die von der BI angesprochenen Befürchtungen durch ein Immissionsgutachten widerlegt worden seien. Gerade von Seiten zugezogener Bürger gebe es häufig Beschwerden zu landwirtschaftlichen Betriebsabläufen; hier müsse man sich aber klarmachen, dass „Landwirtschaft zur Rhön gehört“.
Der Naturheilarzt und Gründer der Gersfelder Schlosspark-Klinik, Dr. med. Jürgen Freiherr von Rosen, warnte vor den Gefahren des großzügigen Einsatzes von Antibiotika in der Putenmast, der zur Resistenzbildung verschiedener Erreger führen könne, für die es dann kaum noch Behandlungsmöglichkeiten gäbe. Auch die Gefahr von Tierseuchen, wie z.B. die Papageienkrankheit, stelle eine potentielle Gefahr für den Menschen dar.
„Der geplante Bau ist ein massiver Eingriff in die Kulturlandschaft“, sagte Dr. Dieter Wittmann von der Forschungsstelle „Region und Nachhaltigkeit“. Er sah in der optischen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes vor allem ein Problem für den Fremdenverkehr, zumal der Bau einer Putenmastanlage gegen den Nachhaltigkeitsgrundsatz des Biosphärenreservates verstoße. Dies könne auch Auswirkungen für den Fortbestand der Schutzwürdigkeit des Biosphärenreservats Rhön durch die UNESCO haben.
Der Immobilienmakler Georg Sticherling aus Fulda stellte die Auswirkungen einer Putenmastanlage auf die Preisentwicklung der Anlieger-Gebäude oder -grundstücke dar. „Immobilienkauf hat immer einen emotionalen Charakter“ erklärte Sticherling und schloss einen Wertverfall von 50 bis 100 % bei einer Realisierung der Mastanlage nicht aus.
Dunja Fiedrich, die erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Fulda und Umgebung, beschrieb in ihrem Referat und mit einer Bilderpräsentation eindrucksvoll die quälenden Aufzuchtbedingungen für Puten in der intensivierten Mast. „Kannibalismus und ein Verenden von über 10 % der Tiere während der Aufzucht stehen auf der Tagesordnung“, sagte Fiedrich. Diese Mastfolgen seien auch auf fehlende rechtsverbindliche nationale Vorgaben bei der Putenzucht zurückzuführen. Hier läge auch Verantwortung beim Kunden, der durch gezielte Nachfrage von Bioprodukten einen "entsprechenden Druck" ausüben könne.
Helmut Schönberger von der Bioland Hofgemeinschaft Rönshausen hob die Unterschiede zwischen intensivierter Putenmast und Biopute hervor. Im Biobetrieb seien Wachstums- und Leistungsverstärker verboten, es werde ein entsprechender Freilauf bei wesentlich größerem Platzangebot garantiert. Auch Schönberger sah in diesem Zusammenhang die Verbraucher gefragt, die beim Fleischkauf über Angebot und Nachfrage entscheiden würden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion kamen die Interessen der anwesenden Bürger zur Sprache: hier standen Aspekte wie Vogelgrippe, Mistausbringung oder Geruchsbelästigung - am Beispiel des Vorfalles beim Einkaufszentrum "Kaiserwiesen" - im Vordergrund. Auch wurde die Auswirkung einer Putenmast auf die Anerkennung des Ortsteiles Thalau als „staatlich anerkannter Erholungsort“ thematisiert.
Im Schlusswort hielt Professor Ott fest, dass durch die Gemeindevertretung eine "sehr feinfühlige Abwägung" des Allgemeinwohls erfolgen müsse. „Der Dorffrieden muss im Auge behalten werden“ sagte Ott und appellierte an die Verantwortlichen, eine für alle Seiten tragbare Lösung herbeizuführen. (Sebastian Gassner ) +++

...der "Bürgerinitiative für die Erhaltung des Lebensraumes von Mensch und Tier Ebersburg e.V."

Die Sachreferate und die Diskussionsrunde moderierte Professor Erich Ott von der Hochschule Fulda

Der Vorsitzende der Bürgerinitiative, Karsten Fries, nannte Zahlen und Bedingungen intensivierter Putenmast

Die Unterschiede zwischen solchen Großmastanlagen und Biohaltung beschrieb Helmut Schönberger (Bioland Hofgemeinschaft Rönshausen)

Auf fehlende Rechtsvorschriften und die Verantwortung der Verbraucher wies die 1. Vorsitzende des Tierschutzvereins Fulda und Umgebung, Dunja Fiedrich hin

Zu den erfahrungsgemäß zu erwartenden Folgen für Häuser und Grundstücke der Anwohner nahm der Fuldaer Immobilienmakler Georg Sticherling Stellung

Das Interesse der Bevölkerung an Informationen und Argumenten zu diesem "Reizthema" war sichtlich groß

Der Arzt Dr. Jürgen Freiherr von Rosen (Schlosspark-Klinik Gersfeld) wies auf die Gefahren für die Bevölkerung hin, die durch Antibiotika entstehen, die den Tieren in Großmastanlagen fast immer verabreicht werden müssen und in die Umwelt gelangen

Dr. Dieter Wittmann (rechts) von der Forschungsstelle "Region und Nachhaltigkeit" sprach Nachteile für Tourismus und Biosphärenreservat an - Dr. Hubert Beier, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes (links) verwies auf ein Immissionsgutachten, dass die Befürchtungen der BI widerlege

Viele Wortmeldungen gab es ...

...in der anschließenden Diskussion...

...und dabei wurden unter anderem die Bereiche Vogelgrippe, Mistausbringung, Geruchtsbelästigung und Gesundheitsgefahren angesprochen