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Grenzanlagen im Museum - Zeitgeschichte hautnah
04.09.14 - Vor 25 Jahren fiel die Mauer - die Grenzen zwischen Ost und West sind Geschichte, Deutschland wiedervereint. Die junge Generation kennt heute den ehemaligen Zaun zwischen - beispielsweise Rasdorf und Geisa - nur noch aus den Geschichtsbüchern oder den Gedenkstätten wie beispielsweise Point Alpha (Landkreis Fulda) oder Schifflersgrund (Werra-Meißner-Kreis).
OSTHESSEN|NEWS erinnert in den kommenden Wochen und Monaten in zahlreichen Beiträgen an den Fall der Mauer. Zeitzeugen erzählen ihre ganz privaten Erlebnisse. Wie war das Leben und Arbeiten an der innerdeutschen Grenze - im Zonenrandgebiet? Menschen aus Osthessen und Thüringen berichten von den Tagen als die Grenze endlich geöffnet wurde.
Mitten durch Deutschland - von Lübeck bis Hof - zog sich eine fast 1400 km lange Grenze. Ein Bollwerk, das Deutschland in zwei Staaten und Europa in zwei Machtblöcke teilte. Deutsche wurden von Deutschen getrennt. Das Grenzmuseum im historischen Torbogenhaus des Philippsthaler Schlosses dokumentiert die deutsche Teilung und die Wiedervereinigung, wobei der Schwerpunkt auf den längst abgebauten und zerstörten Grenzanlagen vor Ort liegt.
Elisabeth Herrmann führt die Besucher durch das Museum. Sie ist Vorsitzende des Ortsverbandes der Arbeiterwohlfahrt, der das Museum betreut. Sie wurde in Philippsthal geboren und ist an und mit der Grenze aufgewachsen. „Dieses Museum dokumentiert unsere eigene Geschichte“, erzählt sie stolz und gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Räumlichkeiten in ihrem ursprünglichen Zustand für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben, denn „die Erinnerung verblasst“. Inzwischen gibt es Stimmen aus der Bürgerschaft, das Grenzmuseum, das in die Jahre gekommen ist, neu zu gestalten. Nach den Worten von Elisabeth Herrmann befürworten allerdings auch die meisten Besucher den Erhalt des Grenzmuseums in seiner Echtheit „genau so wie es jetzt ist“.
Gegen etwas frische Farbe und eine zeitgemäße technische Ausstattung wäre allerdings nichts einzuwenden, zumal während der rund einstündigen Führung im Obergeschoss des kleinen Museums der Film „Mitten durch Deutschland, mitten durch Europa“ gezeigt wird, der in mehreren Landessprachen zur Verfügung steht. Dieser Film, der vom damaligen Gesamtdeutschen Institut produziert wurde, schildert den Weg der Grenzbefestigungen vom Stacheldraht- zum Metallgitterzaun, dokumentiert den Bau von Wachtürmen, erläutert den Einsatz von Lichtsperren und Selbstschussanlagen. Kurzum: er dokumentiert die Staatsgrenze West zur Bundesrepublik Deutschland, die sich das Regime der Deutschen Demokratischen Republik rund 15 Milliarden Mark kosten ließ.
Der Besucherstrom reißt auch heute, 25 Jahre nach der Grenzöffnung, nicht ab. Viele Schulklassen, Fahrradtouristen, Wanderer und ganze Reisegruppen, aber auch zahlreiche ausländische Gäste, zum Beispiel aus England, den Niederlanden und Frankreich, haben das Grenzmuseum in Philippsthal besucht. Im Torbogenhaus gibt es keine spektakulären Exponate wie Panzer oder Hubschrauber zu sehen, dafür ganz individuelle Führungen, bei denen den Gästen eindrucksvoll und kompetent vermittelt wird, was die Grenze speziell für die Menschen im Werratal bedeutete.
Elisabeth Herrmann, die die kostenlosen Führungen ehrenamtlich anbietet, erzählt von persönlichen Grenzerlebnissen und familiären Verbindungen zwischen Ost und West. Sie erinnert an die „Vächer Treffen“, die Mitte der 60er-Jahre ins Leben gerufen wurden. Jedes Jahr am Pfingstwochenende reisten ehemalige „Vächer“ aus dem gesamten Bundesgebiet nach Philippsthal, um sich vom Gieselsberg als Aussichtspunkt bei ihren Angehörigen und Freunden in Vacha bemerkbar zu machen. „Es hat bei diesen Treffen nie Zwischenfälle gegeben“, erzählt Elisabeth Herrmann. Mit der Grenzöffnung vor 25 Jahren haben sich diese Treffen erübrigt.
Die Anfänge des kleinen Museums liegen in der Zeit, als die Teilung noch Alltag im Werratal war. Von westlicher Seite aus übte die Grenze durchaus eine touristische Anziehungskraft aus. Um die Besucher über die Sperranlagen der DDR informieren zu können, eröffnete die Zollverwaltung im Februar 1967 die Ausstellung als Grenzinformationsstelle. Bis zur Grenzöffnung 1989 blieb das Grenzmuseum eine Einrichtung des bundesdeutschen Grenzzolldienstes, das nach einem Umzug seinen endgültigen Platz im Torbogenhaus fand. Nach der Wiedervereinigung wurden die Exponate von der Gemeinde übernommen.
Herzstück des Museum ist ein Sandkastenmodell, das Philippsthal und die thüringischen Nachbargemeinden vor der Grenzöffnung zeigt. Elisabeth Herrmann verdeutlicht ihren Besuchern die Ausmaße der Sperranlagen. Dieses Modell und weitere gezeigte Exponate wie der Wachturm im Treppenhaus des Museums wurden von Mitarbeitern der Zollverwaltung in Eigenleistung gebaut. In den Schaukästen zeugt ein selbstgebastelter Holzschuh, mit dem ein Flüchtling den engmaschigen Metallgitterzaun an der Grenze überwand, von der geglückten Flucht. An einer Wandtafel wird an die Grenztoten erinnert.
Elisabeth Herrmann hofft auch im „Jubiläumsjahr“ auf viele weitere interessierte Besucher, denn auch dieses kleine, aber reich bestückte Museum ist ein Ort „gegen das Vergessen“. Im Erdgeschoss dokumentieren großformatige Fotos die überschwängliche Freude der Menschen aus Ost und West nach der Grenzöffnung am 12.11.1989 zwischen Philippsthal und Vacha.
Das Grenzmuseum kann nach Voranmeldung bei Elisabeth Herrmann, Telefon 06622/1432, oder der Gemeindeverwaltung unter 06620/ 92100 besichtigt werden. (Gudrun Schmidl) +++