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REGION WIELOCHS WIRRE WELT (46)

Die Laubbläser sind los: Rentner-Initiative WNKBVDM fordert längere Laubblasezeiten

26.09.14 - Nicht nur die Kanadier sind stolz darauf, wenn sich die Blätter an den Bäumen stimmungsvoll verfärben. In jedem Land der Welt beobachtet man das Farbspektakel mit euphorischer Hingabe. Ein klein wenig rationaler, dafür umso professioneller als auf dem Rest des Erdballs, sieht man dieses Feuerwerk der Natur in Deutschland. Bereits Mitte Juli beauftragen Städte und Gemeinden teure Spezialisten damit, die Erdoberfläche mit hochsensiblen Seismographen zu überwachen, um rechtzeitig für das Horrorszenario schlechthin gerüstet zu sein. Dieses trat vorgestern in Osthessen ein: Ein Kastanienblatt löste sich vom Baum und segelte zu Boden. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Ein heimtückischer Angriff auf den mit der Nagelschere geschnittenen Rasen eines Rentner-Ehepaares, das ob des fiesen Anblicks reanimiert werden musste. Sofort rückten sie deshalb aus, technisch besser ausgestattet als die Frankfurter Flughafenfeuerwehr und personell um ein Vielfaches stärker besetzt als die nukleare Einsatztruppe für Reaktorunfälle: die Laubbläser.

Die Helden in orangefarbenen Westen arbeiten mit benzinmotorbetriebenem Flüster-Equipment, das nur geringfügig mehr Lärm als ein startender Kampfjet verursacht. Das Bemerkenswerte: Die Laub-Profis verwenden bei ihren Einsätzen keine Laubsauger, sondern Laubbläser. Wer bläst, hat später, im Gegensatz zum Sauger, nichts im Säckchen. „Dadurch wird der Verwaltungsaufwand reduziert. Beim Gebrauch von Laubsaugern sieht der Hessische Städte- und Gemeindebund das Engagement hochbezahlter Baumschul-Absolventen vor, die die gesammelten Blätter nicht nur farblich sortieren, sondern auch alphabetisch von A wie ,Ahorn’ bis Z wie ,Zitter-Pappel’ lochen, abheften und für mindestens 15 Jahre archivieren müssten“, erklärte ein Sprecher der Kreisverwaltung und ergänzte: „Das wäre Wahnsinn. In der Region gehen wir mit dem Thema Laub deshalb sehr entspannt um, anders als Loriot, bei dem noch galt: ,Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann’.“

Das entspannte Prozedere sieht im Detail so aus: Ganz Osthessen ist in insgesamt 12.400 Laubbläser-Raster eingeteilt. Montags, mittwochs und freitags blasen 6.200 diplomierte Laubblas-Fachkräfte (LBFK) die Baumabfälle aus ihren Quadranten heraus, dienstags, donnerstags und samstags befördern die anderen 6.200 LBFKs die Blätter wieder in die am Tag zuvor gesäuberten Blattblas-Parzellen zurück. Jeder Osthesse kommt damit im Herbst wöchentlich im Idealfall auf bis zu 72 blattfreie Stunden, muss jedoch 24 Stunden Laubbläserlärm hinnehmen, denn ein Laubblas-Arbeitstag dauert immer 8 Stunden, egal, ob noch was zum Blasen da ist oder nicht.

Der radikalen osthessischen Rentner-Initiative „Wir nehmen kein Blatt vor den Mund“ (WNKBVDM) sind die gegenwärtigen blattfreien Zeiten allerdings zu kurz. In einem aktuellen Schreiben – inkonsequenterweise auf einem Blatt Papier – fordert das Bündnis deshalb: „Wer den ganzen Tag vor Langeweile umkommt und dem Rasen beim Wachsen zuschaut, der fühlt sich durch jedes Blatt vor seinem Reihenhaus provoziert. Weg mit den Blättern und Schluss mit den Blattitüden der Politik!“ Osthessen-News fragte beim Vorsitzenden der heimischen Laubbläser-Vereinigung nach, ob er sich längere Laubblasezeiten vorstellen könne. Antwort: „Wir sind doch jetzt schon Blatt!“ (Jochen Wieloch)

HINTERGRUND:

„Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 46. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor. +++


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