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Was ist eigentlich SOZIALISMUS? Vom Versuch einer besseren Welt - VIDEO
03.11.14 - 25 Jahre - ein Vierteljahrhundert - ist inzwischen vergangen, seit sich die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland am 9. November 1989 öffnete. Mit unserer siebenteiligen Serie wollen wir ein paar Aspekte dieser jüngsten deutschen Vergangenheit wieder in den Fokus nehmen. Inspiriert wurden wir vom Theaterstück Grenzland, das das Theater mittendrin, Barbara Gottwald und Jessica Stukenberg, nach eingehender Recherche und Interviews mit vielen Zeitgenossen geschrieben haben. Verdichteter und genau auf den Punkt gebracht, kann man das Thema kaum beleuchten. Einzelne Szenen zeigen wir im Video und empfehlen, sich das Stück im Original anzusehen.
Sozialismus, was ist das?
Alle gleich – bis auf den Parteibonzen, der West-Kaugummi kaute. Alle gleich – bis auf die, die sich zu spät für Bananen angestellt haben. Alle gleich – bis auf den, der sich unter der Mauer durchzugraben bereit war.
Der Sozialismus der Deutschen Demokratischen Republik: So viele unterschiedliche Erinnerungen kreisen um diesen Staat, bei dessen Gründung 1949 „Sozialismus“ etwas ganz anderes war als beim Untergang der DDR 1989. Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität – als Staatsmaxime keine schlechte Nummer. Aber in welcher Ausprägung? Nationalsozialistische Gleichschaltung, diktatorische Gleichheit der Arbeiterklasse oder Sozialismus chinesischer Prägung – Formen von Sozialismus waren und sind Grundgedanke vieler Staaten. Die Frage nach einer genauen Definition: Eine wahnsinnig erscheinende Aufgabe, schier unlösbar.
Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Sozialismus so:
Der Sozialismus ist eine politische Weltanschauung, die darauf abzielt, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen, in der die Grundwerte Freiheit und Gleichheit verwirklicht werden. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Veränderung der privatkapitalistischen Wirtschaftsordnung ein, die nach sozialistischem Verständnis soziale und ökonomische Abhängigkeit begründet und der persönlichen und gesellschaftlichen Emanzipation entgegensteht. Der Sozialismus wendet sich gegen die einseitige Überhöhung individueller Freiheitsrechte und die Verabsolutierung des Privateigentums. Traditionell gibt es sehr unterschiedliche Ausprägungen des Sozialismus; der Grundgedanke – die Abschaffung der Herrschaft von Menschen über Menschen – trug wesentlich zu seiner internationalen Verbreitung bei.
Gleichmacherei oder real gewordene Utopie auf Augenhöhe?
Vor 25 Jahren hing die „Herrschaft der Arbeiter- und Bauernklasse“ so manchem ordentlich zum Halse heraus. Denn der sozialistische Alltag in der DDR war eines sicher nicht: von stolzer Gleichberechtigung geprägt. Ein gemeinsam erlebtes Gefühl der Unzufriedenheit macht noch keine Gleichheit. Das System mit hoher Mauer um die „Befreiten“, Überwachung und Ausschaltung politischer Diversität machte das entgegen seiner Intention unmöglich. Aber auch das gab es in der DDR: kostenlose Kinderbetreuung, kostenlose Schulmilch und –essen, ein Bildungssystem mit Anspruch auf Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit
Kann es eine von der Mehrheit als positiv empfundene Gleichheit geben? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Gerecht fühlt sich erzwungene Gleichheit nicht immer an. Schon gar nicht für die, die in Stasi-Gefängnissen gequält worden sind. Soziale Gerechtigkeit mit Zwang und Unrecht um jeden Preis durchsetzen zu wollen, kann nicht funktionieren.
Solidarität
Mein Opa sagte mal: „Wir hatten alle nicht viel. Und wenn mal einer was hatte, wurde getauscht, was das Zeug hielt. Hattest du Dachlatten und wolltest Zellstoff für die Windeln deiner Kinder, hast du eben einen gesucht, der gegen eine Autobatterie Tapete eintauscht. Die Batterie brachte dir Auslegware ein, die du für den Zellstoff getauscht hast.“ Vieles in der DDR wurde wohl weniger aus Solidarität getan – vielmehr aus Eigennutz. Weshalb sollten Menschen jenseits einer Grenze solidarischer sein als andere? Gemeinschaftliches Handeln und kameradschaftliches Miteinander geht auch ohne propagandistische Überhöhung.
Nicht besser und nicht schlechter waren die Menschen links und rechts einer 1949 verhandelten Linie (von den Schweinehunden mal abgesehen). Den Rest haben unterschiedliche Systeme geschafft. (Anna Medlin)+++