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- Fotos: Gudrun Schmidl

BAD HERSFELD Pogromgedenken

Vor 76 Jahren brannte die erste Synagoge - Ökumenischer Gottesdienst

10.11.14 - Vor 76 Jahren, am 8. November 1938, brannte die Hersfelder Synagoge – als erste in Deutschland im Zuge der sogenannten „Novemberpogrome“. Auch in diesem Jahr lud die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit gemeinsam mit der ACK, der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, ein zum Gedenken an die Ereignisse der „Reichspogromnacht“ von 1938. Zum ökumenischen Gedenkgottesdienst zur „Reichspogromnacht 1938“ versammelten sich Repräsentanten des öffentlichen Lebens und viele weitere, die gedenken wollten, in der katholischen Kirche St. Lullus-Sturmius in Bad Hersfeld.

Den Gedenkgottesdienst gestalteten Pfarrer Karl-Heinz Barthelmes, Pfarrer Frank Nico Jaeger, Monsignore Bernhard Schiller, Diakon Hans Joachim Kuhn und Prädikant Werner Schnitzlein. Barthelmes erinnerte an die Lebensgeschichte der Anne Frank, die ihrem Tagebuch als Zeitzeugin ihre größte Angst vor Entdeckung in ihrem Versteck, aber auch ihre Hoffnung, „dass dieser Judenhass vorübergehender Hass ist“ anvertraute. Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen.

Ungefähr 1.200 Synagogen und jüdische Gebetshäuser wurden in diesen Novembertagen 1938 geschändet und niedergebrannt, jüdische Geschäfte zerstört, Privatwohnungen verwüstet, jüdische Bürger durch die Straßen getrieben. Mehr als 30.000 Menschen wurden deportiert, andere ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Diese Pogrome markierten den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung und Ermordung in ganz Europa – mit mehr als 6 Millionen Opfern.

„Wie anders wäre unser Land, wenn sie noch da wären, die Goldschmidts, die Rothschilds, die Levis. Wir sind ärmer geworden ohne sie“, beklagt Werner Schnitzlein, Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Bad Hersfeld-Rotenburg, beim anschließenden Gedenken an der Gedenkstätte für die jüdischen Opfer am Schillerplatz. Schnitzlein weiß aus Erfahrung: „Ihre Nachfahren leiden noch heute unter Albträumen, fühlen sich heimatlos, klein gemacht und leben in Angst vor neuer Verfolgung“. Diese Sorgen sind berechtigt. „Wir hofften, es wäre vorbei“, wendet sich Pröpstin Sabine Kropf-Brandau an die Anwesenden und bedauert: „Antisemitismus und Rassismus sind nicht überwunden. „Wir müssen die Stimme erheben“ denn: „die Zeitzeugen verstummen allmählich“.

Damals sind die Bürgerinnen und Bürger stumm geblieben, haben weggeschaut, sich taub gestellt. Auch oder besonders in Bad Hersfeld, das von jüdischen Mitbürgern als „Hochburg des Antisemitismus“ beschrieben wurde. Selbst die Kirchen haben geschwiegen. „Weder von der katholischen noch von der evangelischen Kirche gab es damals eine eindeutige Stellungnahme“, beklagt Pröpstin Sabine Kropf-Brandau. Zivilcourage wäre eine christliche Tugend gewesen.

Die Erste Kreisbeigeordnete Elke Künholz mahnt an, auch denen zu gedenken, die heutzutage verfolgt werden und denen, die bei uns Schutz suchen. Sie bedauert, dass viel zu wenige an solchen Gedenkveranstaltungen teilnehmen. Statt einer Rede las sie Passagen aus dem Briefwechsel zwischen dem inhaftierten Theologen Dietrich Bonhoeffer und seiner Verlobten Maria von Wedemeyer vor. Von Bonhoeffer stammt das Diktum: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“.

Der Erste Stadtrat Dr. Rolf Göbel gesteht, dass es schmerzhaft ist, sich solchen Gedenken zu stellen. In seiner Rede erinnerte er an den evangelischen Pfarrer Julius von Jan, der nicht weggesehen, sondern seine Stimme gegen den Nazi-Terror erhoben hat. Konstantin Weckers Lied „Sag nein“ ist dagegen ein Bekenntnis gegen Antisemitismus der heutigen Zeit.

Dr. Rolf Göbel zitiert die erste Strophe: „Wenn sie jetzt ganz unverhohlen, wieder Nazi-Lieder johlen, über Juden Witze machen, über Menschenrechte lachen, wenn sie dann in lauten Tönen, saufend ihrer Dummheit frönen, denn am Deutschen hinterm Tresen, muss nun mal die Welt genesen, dann steh auf und misch dich ein: Sage nein! (Gudrun Schmidl) +++

Erster Stadtrat Dr. Rolf Göbel mit einer bewegenden Rede.

Erste Kreisbeigeordnete Elke Künholz fand passende Worte.

Pröpstin Sabine Kropf-Brandau (rechts) und Katrin Göbel-Knapp auf dem Weg zur Gedenkstätte. ...

Sie gestalteten den Gedenkgottesdienst gemeinsam: (von links nach rechts) Pfarrer Frank Nico ...


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