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Dankgottesdienst und Festakt mit Begegnungen zur Grenzöffnung vor 25 Jahren
10.11.14 - Übervoll waren die Rasdorfer Stiftskirche und die Turnhalle der Hrabanus Schule am vergangenen Sonntag, dem 09. November. Gemeinsam feierten die Stadt Geisa und die Gemeinde Rasdorf den Fall der Mauer und die Öffnung der Grenze vor 25 Jahren. Der Dankgottesdienst wurde vom Kirchenchor Rasdorf, dem Gemischen Chor Geisa und den Männerchören Concordia Borsch und Cäcilia 1921 Rasdorf sowie Erik Reinhardt an der Orgel musikalisch mitgestaltet.
In seiner Predigt betonte Pfarrer Reiner Modenbach, dass wir heute dankbar sein dürften, dass es Menschen gegeben habe, die mutig für die Freiheit gekämpft hätten. Anfangs seien es wenige gewesen, die in Leipzig zum Friedensgebet gekommen seien. Durch ihr mutiges Hinausgehen seien sie zu Botschaftern geworden gegen Mauern, Zäune, Unfreiheit und Eingrenzung. Anknüpfend an das Sonntagsevangelium verwies er auf das Handeln Jesu, der gegen die Einengung und Eingrenzung des Religionsverständnisses seiner Zeit die Freiheit Gottes gesetzt habe. Aufgabe heute nach 25 Jahren sei aus der Geschichte zu lernen, die ehemalige DDR nicht zu glorifizieren und Unterschiede zwischen Ost und West zu beseitigen. Bleiben müssten Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit.
Während des anschließenden gemeinsamen Mittagessen in der Turnhalle unterhielt die Stadtkapelle Geisa (Leitung Peter Lenz), bevor mit der Begrüßung durch Bürgermeister Jürgen Hahn, Rasdorf, der Festakt begann. Unter den Gästen waren Bürgermeister Martin Henkel, Geisa, MdB Michael Brand, die Pfarrer Henning Voigt, Sünna, Harald Krüger, Mansbach, Reiner Modenbach, Rasdorf, Martin Lerg und Pfarrer Aloysius, Geisa. Winfried Böhm, Dr. Walter Arnold, Markus Meysner, Winfried Rippert, Rita Baier Franz Rupprecht, Reinhard Krebs, Fritz Kramer, Bernhard Schuchert, Peter Günther und Berthold Jost waren weitere Vertreter aus Politik und Gemeinden.
In den 25 Jahren nach der Grenzöffnung sei eine ganze Generation herangewachsen, die sich ein geteiltes Deutschland nicht mehr vorstellen könnten. Mit großer Spannung, Begeisterung und einer Portion Angst habe man besonders im Zonenrandgebiet die Ereignisse des Jahres 1989 mit der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR verfolgt. Jürgen Hahn erinnerte daran, dass am 05. Dezember 1989 eine Begrüßungsfeier eben in dieser Rasdorfer Turnhalle stattgefunden hatte. Sein Unverständnis galt dem Wahlergebnis in Thüringen, das mit großer Wahrscheinlichkeit einen linken Ministerpräsident nach sich ziehe.
Eben diese Entwicklung prangerte auch Geisas Bürgermeister Martin Henkel an, der mit scharfen und harten Worten die Linke als „Partei der Mauerschützen und kläglichen Rest der SED“ bezeichnete. Menschen, die das DDR – System schön redeten würden, schlügen diejenigen ins Gesicht, die unter dem menschenverachtenden System gelitten hätten. Seinen Dank an die Menschen, die nach Rasdorf gekommen seien, um das Jubiläum der Grenzöffnung zu feiern, drückte MdB Michael Brand aus. Er schildete wie er als 16 – jähriger mit seinen Eltern zum ersten Mal nach Geisa fuhr. Die Maueröffnung sei ein Sieg des Wunsches nach Freiheit und es erfülle ihn mit Stolz einem Volk anzugehören, das diesen Willen mit der Wiedervereinigung zum Ausdruck gebracht habe.
Festredner Berthold Jost, ehemals Bürgermeister der Zonenrandgemeinde Rasdorf schildete in beeindruckender Weise die geschichtliche Entwicklung nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Die Fluchtbewegung aus der sowjetisch besetzten Zone in den Westen habe zum Mauerbau im Jahre 1961 geführt. Er selbst habe noch die Schikanen der Grenzpolizei in guter Erinnerung und die Monate Oktober/ November 1989 seien für ihn unvergesslich. Berthold Jost schilderte den Demonstrationszug an die Grenze bei Geisa, die Tage vor der Grenzöffnung zwischen Grüsselbach und Buttlar und damit die Wiedereröffnung der alten Handelsstraße B 84 sowie den Ansturm auf die grenznahen Orte nachdem Stück für Stück Grenzübergangsstellen eröffnet worden waren. Die Menschen, die an der Nahtstelle von Warschauer Pakt und Nato gelebt hätten, hätten alles dafür getan, dass sich eine erfolgreiche Entwicklung im letzten Vierteljahrhundert vollzogen habe. In Anbetracht der Entwicklung in Thüringen wünschte er sich, dass sich die Menschen daran erinnerten, was sie mit der friedlichen Revolution von 1989 erstritten hätten und er wünschte für die nächsten Jahrzehnte ein Leben in Frieden und Freiheit in Deutschland.
Mit einer Fotodokumentation zeigte der ehemalige Rektor der Hrabanus – Schule und Ehrenbürger der Gemeinde Rasdorf Kurt Schlossbauer, wie er am 22. Dezember 1989 spontan mit selbst gemalten Plakaten mit den Schülern der Klasse 7 und 8 am Tag der Grenzöffnung zwischen Rasdorf und Geisa in die Nachbargemeinde zog und dort herzlich empfangen wurde.
In der Talkrunde mit Zeitzeugen, moderiert von Winfried Möller, schilderten Emil Winter, Fulda, der zeitweise in der sowjetisch besetzten Zone und dann in der amerikanisch besetzten Zone lebte, Norbert Mihm, Geismar der im Osten im Sperrgebiet beheimatet war und Rita Baier, Rasdorf, die täglich die Grenze vor Augen hatte ihre Erlebnisse und Gefühle. Emil Winter, 79 Jahre alt, verließen 1957 seinen Geburtsort Geisa, gehörte mit zu den Gründern des „Heimatkreis Geisaer Amt“ und besuchte nach der Grenzöffnung von Gefühlen bewegt seine Heimatstadt Geisa.
Norbert Mihm war von 1980 bis zur Grenzöffnung und danach weiter 10 Jahre bis 1999 CDU – Bürgermeister, davon 3 Jahre in Spahl und dann in Geismar. Seine Bericht war ein Dokument von erlebter Überwachung und Bespitzelung, trotz eigner politischer Funktion war und welche Bedeutung für ihn die Weiterarbeit nach dem Fall der Mauer hatte. Rita Baier, die zum Zeitpunkt der Grenzöffnung Ortsvorsteherin der Gemeinde Rasdorf war, lebte im Gegensatz zu ihrem Vorredner immer im freien Teil Deutschlands. Sie war mit der Grenze vor der „Haustüre“ groß geworden. In der Katholischen Landjugend (KLJB) aktiv hatte sie Kontakte in die DDR. Zur 1200 – Jahr – Feier von Rasdorf im Jahre 1980 dichtete sie ein Lied, in dem es heißt: „Im Osten trennt ein blut´ger Zaun das deutsche Land, die dahinter, sind verwandt uns und bekannt. Ja sie sind uns Freunde, die zu uns gehör´n und zu allen Zeiten auf die Einheit schwör´n.“ und schilderte was für sie die Grenzöffnung bedeutete. Zeitzeugen, sind ein Stück Erinnerung und Gegenwart gleichzeitig. Sie sind wichtig, für heutige und das historische Gedächtnis, damit nicht wiederkehrt, was unfrei macht und Menschen in ihrer Menschenwürde missachtet.
Als Schlusspunkt stellten Bürgermeister Jürgen Hahn und Martin Henkel die neu entwickelte gemeinsame Wanderkarte „ Zwischen Kegelspiel und Ulsteraue“ vor. Gekonnt moderiert hatte den gesamten Festakt Sylvia Möller. Das Jugendblasorchester der Musikschule Wartburgkreis (Leitung Bernhard Herget) setzte mit seinen Musikstücken Akzente und der Musikverein Ketten spielte während des gemütlichen Beisammenseins. Für die Bewirtung der Gäste hatten die Metzgerei Christoph Budenz, der Getränkevertrieb Herbert Hohmann sowie Kuchenspender aus der Gemeinde und freiwillige Helferinnen und Helfer in der Verantwortung des Pfarrgemeinderates Rasdorf gesorgt (iö) +++