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Wolfgang (li.) ist regelmäßiger „Stammgast“ in der Löhrgasse 3 – sei es, um eine Tasse Kaffee zu trinken oder einen Plausch mit Roland Langenberger von der Beratungsstelle für Wohnungslose zu halten. - Fotos: Stefanie Harth

BAD HERSFELD Zeit für Gespräche - Zeit für Gemütlichkeit

Mehr als eine erste Anlaufstelle für Wohnungs- und Obdachlose

17.12.14 - Genüsslich nippt Wolfgang an seinem Pott Kaffee. Draußen herrscht Schmuddelwetter. Der Wind peitscht den Regen gegen die Fensterscheiben des Bad Hersfelder Stadthauses. Die gute Stube der Beratungsstelle für Wohnungslose ist es indessen von einer molligen Wärme erfüllt. Die brennenden Kerzen des Adventskranzes tauchen den Raum in ein gemütliches Licht. Wolfgang ist regelmäßiger „Stammgast“ in der Löhrgasse 3 – sei es, um ein Schälchen „Heeßen“ zu schlürfen, einen Plausch zu halten oder in der Tageszeitung zu blättern. Der 67-Jährige hat in der Lullusstadt eine Heimat gefunden.

Dabei waren ihm in jungen Jahren der Begriff „Heimat“ und dessen Bedeutung völlig fremd: Ein liebevolles Elternhaus kannte er nicht, stattdessen verbrachte er seine Kindheit in wechselnden Heimen. „Das konnte man nicht als Leben bezeichnen“, bekräftigt der gebürtige Düsseldorfer. Mit 16 Jahren absolvierte er eine Lehre als Zimmermann. Die Zeit auf der Walz, die ihn nach seiner Freisprechung quer durch das Land führte, hätte ihn geprägt. „Ich bereue nicht, dass ich mich für die Wanderschaft entschieden habe“, unterstreicht Wolfgang, der 21 Jahre lang ein Dasein als Reisender führte. „Ich fand immer ein Eckchen, wo ich übernachten konnte und war mir für keine Arbeit zu schade. Unter anderem löschte ich Schiffe im Hamburger Hafen – ein absoluter Knochenjob.“ 1983 war Schluss mit der großen Freiheit: Ein Herzinfarkt und sein erster Schlaganfall beendeten abrupt seine Wanderära. „Irgendwann war ich schlicht und ergreifend nicht mehr vermittelbar“, resümiert der Rheinländer. Seine Gedanken kreisen lassen um einen geeigneten Platz für die Nacht muss Wolfang schon lange nicht mehr: Er verfügt in der Festspielstadt über ein festes Dach über dem Kopf, eine eigene kleine Wohnung.


Geeignete Unterkünfte sind im Landkreis Mangelware

Apropos Wohnungen: „Mit Unterkünften für wohnungs- und obdachlose Menschen sieht es im Landkreis Hersfeld-Rotenburg ganz schlecht aus“, betont Roland Langenberger von der Fachberatungsstelle, die vom Evangelischen Kirchenkreis Hersfeld getragen wird. „Das Wassermannseck, eine Einrichtung für Männer, das dem hiesigen Ordnungsamt untersteht, erachte ich als reines Notquartier. Wenn sich uns eine bessere Option offeriert, vermitteln wir eine andere Bleibe.“ Frauen könnten die Räumlichkeiten in der Wehneberger Straße nutzen. In Notsituationen geratene Familien hätten es ganz schwer. „Für diese gibt es gar nichts – es sei denn, das Ordnungsamt erklärt sich dazu bereit, eine Ausnahmeregelung zu schaffen.“

Ein Zustand, der sich in Obdachlosenkreisen mittlerweile herumgesprochen hat. „Das Gros der Durchreisenden übernachtet unter freiem Himmel, selbst bei klirrender Kälte“, erzählt der Sozialpädagoge, der unermüdlich die so wichtigen Handschuhe an „seine Gäste“ verteilt und ihnen einen heißen Tee oder Kaffe sowie eine warme Mahlzeit serviert. „Die meisten von ihnen kennen allerdings die Orte, wo sie hingehen und eine geeignete ‚Winterplatte‘ finden können.“ In der Regel verweilen die Reisenden drei Tage lang in Bad Hersfeld. „Für diese Dauer bekommen sie je einen Tagessatz in Höhe von zwölf Euro ausgezahlt. Um diesen zu erhalten, müssen sie an jedem Morgen auf dem Landratsamt vorstellig werden“, erläutert Roland Langenberger.


Augen auf, wenn der Winter und die eisige Kälte kommen

Die Einrichtung im ersten Stock des Stadthauses, die montags bis freitags von 7.30 bis 15 Uhr sowie nach individueller Absprache geöffnet hat, verkörpert für die Wohnungs- und Obdachlosen eine erste Anlaufstelle: Hier stehen ihnen Duschen, Kochgelegenheiten, Waschmaschine, Trockner, Computer mit Internetzugang sowie Gebrauchtkleider zur Verfügung. „Darüber hinaus vermitteln wir Notübernachtungsplätze, Betreutes Wohnen, wichtige Adressen, Arztbesuche, juristischen Beistand sowie Schuldner- und Suchtberatung. Selbstverständlich sind unsere Angebote kostenlos und unterliegen der Schweigepflicht“, ergänzt Roland Langenberger, der alle Waldhessen darum bittet, gerade in der kalten Jahreszeit die Augen offenzuhalten. „Der Winter macht schließlich nicht nur Obdachlosen, sondern auch hilfsbedürftigen und älteren Menschen zu schaffen. Ich kann nur appellieren, wachsam zu sein und zu helfen, wenn es nötig ist.“

Wer – gerade in der Vorweihnachtszeit – die Arbeit der Fachberatungsstelle und Tagesaufenthalt für Wohnungslose und Obdachlose unterstützen möchte, kann seinen Beitrag leisten. Spenden, wie funktionale Bekleidung, Handtücher, Schlafsäcke und Dauerlebensmittel, sind immer willkommen. Herzlich willkommen heißt das Team der Beratungsstelle diejenigen Hilfesuchenden, die Heiligabend der Einrichtung einen Besuch abstatten: Die Gäste erwartet bis etwa 15 Uhr ein kleiner Bescherungsreigen in gemütlicher Runde. (Stefanie Harth)+++

Im Bad Hersfelder Stadthaus findet sich die Fachberatungsstelle und Tagesaufenthalt für Wohnungslose ...


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