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Diese Freiheit blieb Lukasz drei Monate verwehrt: Der Blick von seinem Balkon - Fotos: Konstantin Müller

MINI-SERIE (1/2) Auf einen Kaffee in der Ex-Knacki-WG

„Ich habe viel Scheiße gebaut“ - Lukasz über seine Zeit in der JVA

22.01.15 - Lukasz (Name von der Redaktion geändert) will sein Leben wieder in den Griff bekommen. Nach seinem dreimonatigen Aufenthalt in der Hünfelder JVA hat er von der Caritas eine zweite Chance bekommen. Der gebürtige Pole ist im Projekt Übergangswohnen für Haftentlassene der Arbeitsgemeinschaft für Gefangenen- und Haftentlassenenhilfe in Fulda. Seit dem 25. November lebt er nun in einem Fuldaer Plattenbau in einer Dreizimmerwohnung. Derzeit wohnt er dort noch alleine. Zwei weitere Ex-Häftlinge sollen ebenfalls in das Hilfsprogramm aufgenommen werden. „Ich bin nicht gerne alleine, ich würde mich über ein oder zwei Mitbewohner freuen“, so Lukasz.

Hell, offen, freundlich und extrem sauber – so sieht die Übergangswohnung des Ex-Häftlings aus. Bis zum Mai kann er hier wohnen und sich nach einer eigenen Bleibe und einem Beruf umsehen. Unterstützung bekommt der 49-Jährige von seiner Betreuerin Anja Hemken. Die Sozialpädagogin steht Lukasz jederzeit mit Rat und Tat beiseite, hilft ihm bei der Bewältigung von bürokratischem Papierkram und bietet ihm psychosoziale Unterstützung. Lukasz redet gern und viel. Bei einem Kaffee und einer Zigarette sitzt er in seinem knapp 20 Quadratmeter großen Zimmer und blättert in der Fernsehzeitung. Die Redaktion von OSTHESSEN|NEWS interessierte sich für die Geschichte des Ex-Häftlings und traf sich mit ihm auf ein Interview.

Lukasz ist schlicht gekleidet, trägt eine beige Hose und einen schwarzen Pulli. Bei unserem Eintreffen kocht er Kaffee, freut sich über unseren Interviewtermin und plaudert mit uns über den Alltag im „Knast“, seine tragische Vergangenheit und seine Wünsche für die Zukunft. „Ich habe keine Geheimnisse“, so Lukasz. 2.800 Euro Schulden haben ihn im vergangenen Jahr in Schwierigkeiten gebracht. Zuletzt arbeitete er als Kurierfahrer beim DPD, im alkoholisierten Zustand baute er einen Unfall. „Ich habe viel getrunken zu der Zeit, ich habe auch viel Scheiße gebaut, das weiß ich. Ich habe versucht mich durchs Saufen zu betäuben, habe immer den Schwanz eingezogen und versucht mich zu verstecken.“

Lukasz versuchte seine Schulden abzubezahlen – scheiterte aber bei dem Versuch. Die Rechnung ist einfach: Er bekam 706 Euro Arbeitslosengeld, bezahlte 340 Euro Miete für seine Wohnung in Ziehers-Süd, dazu noch Strom und Gas und das, was er zum Leben braucht. Viel blieb für die Tilgung der 2800 Euro nicht mehr übrig. Gegen Ende ließ er drei Monatsmieten aus. „Ich war die letzten Monate vor meinem Haftantritt fast nur draußen, ich habe mich geschämt… wollte meinem Vermieter nicht mehr unter die Augen treten. Der Staatsanwalt in Fulda hatte irgendwann die Schnauze voll gehabt und einen Haftbefehl erlassen, bei einer Personenkontrolle am Normaparkplatz bin ich dann verhaftet worden.“ Lukasz ist sich aber sicher: Er hat niemandem wehgetan, kriminell ist er nicht.

Für den gelernten Bäckermeister und Konditor gestaltete sich der Gefängnisalltag zunächst schwierig. Drei Monate sind keine lange Zeit – das wusste Lukasz. „Die ersten zwei Wochen aber haben sich wie zwei Jahre angefühlt.“ Ob nun Fernsehen, Radio, Zigaretten – alles musste er schriftlich beantragen. Auch einen Job als Elektriker konnte er in der JVA erst nach einer Woche ausüben. Die ersten drei Nächte konnte Lukasz nicht schlafen. Geplagt von Selbstzweifeln wusste er, dass er in seinem Leben etwas ändern muss. „Wir haben dort eine Stunde Ausgang am Tag. Als ich noch nicht gearbeitet habe, musste ich von 12:30 Uhr bis zum nächsten Tag um 6 Uhr morgens in meiner acht Quadratmeter Zelle bleiben. Ohne Fernseher, ohne Zigaretten, ohne alles.“

Lukasz gewöhnte sich an den Gefängnisalltag, seiner Meinung nach tut der deutsche Staat viel für die Häftlinge. Ärger ging er stets aus dem Weg, zwei Schlägereien hat er in seinen drei Monaten Aufenthalt aus nächster Nähe beobachten können. „Ich habe mich da rausgehalten, ich wollte einfach nur meine Haftstrafe absitzen und das Beste daraus machen. Ich wollte auch keine krummen Geschäfte machen. In meinem Elektrikerjob habe ich 8,60 Euro am Tag verdienen können.“ In einem Kiosk konnte der Ex-Häftling monatlich 80 Euro seines verdienten Geldes ausgeben, das zog auch den Neid der Mitinhaftierten auf ihn. Lukasz weiß: „Du bekommst als Häftling zwar viel Unterstützung, aber wenn du wirklich was bewegen möchtest, dann musst du selbst aktiv werden.“

Was Lukasz direkt nach seiner Entlassung getan hat, wie sich die Jobsuche gestaltet und welche Wünsche er für die Zukunft hat, lesen Sie morgen im zweiten Teil unserer Mini-Serie auf OSTHESSEN|NEWS. (Konstantin Müller)+++


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