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15.05.08 - RHÖN

"Bange Zukunft der Hausarztversorgung auf dem Lande": JHV des Diakonievereins

OSTHEIM. Die bange Zukunft der Hausarztversorgung auf dem Lande beschäftigt auch den Diakonieverein Ostheim. Auf Einladung des Vereins waren zur Mitgliederversammlung im Hotel Café Kaak von den ortsansässigen Allgemeinmedizinern Dr. Wolfgang Schneider und Eberhard Helm zu Gast, um über die Entwicklung und ihre möglichen Folgen zu informieren. Der 1. Vorsitzende des Diakonievereins, Ostheims evangelischer Seelsorger Pfarrer Christian Schümann, freute sich über das Kommen der beiden Mediziner. „Es handelt sich um ein wichtiges Thema, das uns alle angeht“, so der Geistliche.

Die beiden Ärzte beklagten, dass im Zuge der von CDU/ CSU und SPD beschlossenen Gesundheitsreform medizinische Versorgungszentren begünstigt werden und nach und nach frei werdende Arztsitze in abhängige Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Eine Entwicklung, die sich gravierend auf die Hausarztversorgung auf dem Lande, insbesondere auch bei uns in der Rhön auswirken kann.

Helm und Schneider verwiesen auf die Altersstruktur der Ärzte in der Region. Die meisten sind demnach über 50 Jahre alt und in nur wenigen Jahren wird ein Großteil von ihnen in den Ruhestand gegangen sein. Der Mangel an medizinischem Nachwuchs und die Entwicklung, dass frei werdende Arztsitze von Konzernen aufgekauft werden, führt letztlich zu einem Aussterben der Ärzte auf dem Land und zu einer medizinischen Unterversorgung vor Ort, wie Helm und Schneider erklärten. Die Aussicht, dass man womöglich bald keinen Hausarzt mehr in der Nähe haben könnte und man bei einem Arztbesuch in größere Städte wie Bad Neustadt fahren müsste, machte auch bei den Versammlungsgästen Unmut breit.

Mit dem Wegfall der Arztpraxis vor Ort geht für die Patienten ein wichtiger Ansprechpartner verloren, verdeutlichte Helm, „denn ein Hausarzt kennt seine Patienten, weiß durch die meist jahrelange Betreuung was ihnen fehlt und welche Behandlung sie benötigen“. Der Gedanke, bei einer Behandlung in einem zentralen Versorgungszentrum mehr oder weniger eine „anonyme Nummer“ zu sein, bereitet vielen Menschen Unbehagen, auch die zur Versammlung anwesenden Mitglieder des Diakonievereins brachten ihre diesbezüglichen Sorgen zum Ausdruck.

Helm und Schneider, die von zunehmend schlechteren Rahmenbedingungen, überbordender Bürokratie und Honorarminderungen zu berichten hatten, welche existenzbedrohlich für die freien Mediziner sein können und zweifellos auch zum Nachwuchsmangel beitragen, verwiesen darauf, dass die freiberuflichen Ärzte im Bereich der ambulanten Versorgung eine eigene Marktposition beziehen müssen. Deshalb steht auch ein kollektiver Ausstieg aus dem System der Kassenärztlichen Vereinigung zur Diskussion, damit die Hausärzte in direkten Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen eine hausärztliche Versorgung außerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung vertraglich festlegen können.

„Wir wollen eine vernünftige und menschliche Behandlung für unsere Patienten! Und wir wollen als Hausärzte für unsere Arbeit auch ordentlich bezahlt werden“, brachte Schneider das Anliegen der Hausärzte auf den Punkt.

Am Samstag, 7. Juni 2008, soll im Olympiastadion in München eine Großkundgebung der freiberuflichen Ärzteschaft stattfinden. Bei dem politischen Protest hofft man auf zahlreiche Unterstützung aus der Bevölkerung. Auch aus der Rhön reisen Patienten in die Landeshauptstadt, der Einsatz von Reisebussen ist vorgesehen. Näheres kann man bei seinem Hausarzt erfragen.

Im Mittelpunkt der alljährlichen Mitgliederversammlung des Diakonievereins Ostheim stand neben der Information zur Entwicklung der Hausarztversorgung im ländlichen Raum der Bericht der Evangelischen Sozialstation Rhön-Grabfeld.

Der 1. Vorsitzende des Diakonievereins, Ostheims evangelischer Seelsorger Pfarrer Christian Schümann, der die Versammlung mit einer kleinen Andacht, in deren Mittelpunkt Wilhelm Löhe, ein wichtiger Begründer der Kranken- und Pflegeausbildung in Franken, stand, eingeleitet hatte, schätzte sich glücklich, Gaby Gerhard, Leiterin der Sozialstation und Sylvia Rommel, die neue Bereichsleiterin Rhön und Qualitätsbeauftragte des ambulanten Pflegedienstes begrüßen zu können.

Die Evangelische Sozialstation betreut in den drei Bereichen Rhön, Bad Neustadt und Grabfeld mit 43 Mitarbeitern derzeit 338 Patienten, wie Schwester Gaby informierte. Sylvia Rommel stellte sich als neue Leiterin für den Bereich Rhön vor. Sylvia Rommel ist schon seit 1990 bei der Evangelischen Sozialstation beschäftigt. Zuletzt betreute sie den Bereich Bad Neustadt, war aber vorher auch schon einige Zeit in Ostheim tätig. Laut ihrem Bericht wurden im vergangenen Jahr allein in Ostheim 22.084 Hausbesuche durchgeführt. Im Luftkurort werden aktuell 75 Patienten - 52 Frauen und 23 Männer - versorgt.

Wie die beiden Vertreterinnen der Sozialstation erläuterten, wird die Arbeit der Einrichtung durch eine zunehmend ausufernde Bürokratie erschwert. Außerdem ist zu beklagen, dass die Krankenkassenleistungen immer mehr reduziert werden. Es erfolgt eine Verschiebung der Kostenübernahme in die Pflegeversicherung, welche deutlich weniger für die erbrachten Leistungen erstattet. Gaby Gerhard machte deutlich, dass die Sozialstation ihren Auftrag an den diakonischen Gedanken gebunden sieht, wobei die Fürsorge um den Patienten im Mittelpunkt steht. Dennoch muss auch die Sozialstation wirtschaftlich arbeiten. „Es wird viel Zeit für den Patienten ehrenamtlich von unseren Mitarbeitern erbracht“, stellte die Leiterin fest.

Die Palliativpflege, das heißt die Pflege von Sterbenskranken, nimmt einen immer größeren Stellenwert in der täglichen Arbeit der Sozialstation ein. Drei Mitarbeiter haben sich auf der Hospiz-Akademie in Bamberg für diesen Pflegebereich weitergebildet. Gaby Gerhard gab zu Bedenken, dass man sich bei der Sterbebegleitung neben dem Patienten auch meist um die Angehörigen kümmert und dabei die Arbeit der Pflegekräfte mit seelsorgerischen Aspekten verbunden ist. Einem Herzenswunsch der Sozialstations-Leiterin, den Kauf einer Pflegetasche mit Utensilien für die Sterbebegleitung zu sponsern, kam man seitens des Diakonievereins gerne nach. Die zur Versammlung anwesenden Mitglieder sprachen sich einstimmig dafür aus.

Pfarrer Schümann erzählte von der Bad Neustädter Tafel, die in der kurzen Zeit ihres Bestehens – sie wurde vor rund einem Jahr ins Leben gerufen – aufgrund der riesigen Nachfrage schnell angewachsen ist und viele Bedürftige im Landkreis versorgt. Wie Pfarrer Schümann äußerte, möchte man in Ostheim eine Filiale gründen. Da die Tafelmitarbeiter jedoch hellauf mit der Bad Neustädter Tafel beschäftigt sind, kann noch kein genauer Zeitpunkt genannt werden.

Auf Antrag des 1. Vorsitzenden sprach sich die Versammlung des Diakonievereins für einen Beitritt in den bundesweiten Tafelverein aus. Der Jahresbeitrag, den der Diakonieverein zu entrichten hat, ist mit 20 Euro äußerst gering und wohl auch eher als symbolische Unterstützung für eine gute Sache zu sehen.

Zur Versammlung wurden auch noch Termine bekannt gegeben. Das Sommerfest von Diakonieverein, Sozialstation und den örtlichen Seniorenkreisen im Schlösschen ist für den 15. Juli vorgesehen. In Ostheim findet auch dieses Jahr wieder eine Gesundheitswoche (3. bis 8. August) unter der Leitung der drei ortsansässigen Hausärzte Eberhard Helm, Dr. Wolfgang Schneider und Markus Memmler statt. Eine rege Teilnahme an den Kursen und Vorträgen wird erbeten. Nähere Infos gibt es in den Ostheimer Arztpraxen. (eva) +++

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