Archiv
Das Podium war mit Torsten Warnecke, Iman Husamuddin Meyer, Timo Schadt als Moderator, Madeleine Henfling, Kerstin Köditz und Dr. Michael Koch (von links) besetzt. -

BAD HERSFELD Rassismus und Extremismus im Alltag

Aufklärende Podiumsdiskussion "Afd & Pegida - Fischer vom rechten Ufer"

10.02.15 - Das Interesse war groß. „Hier im Saal sind sicher mehr als 300 Besucher“, mutmaßt Torsten Warnecke, der als Landtagsabgeordneter der hessischen SPD am Montag an der Podiumsdiskussion zum Thema „AfD & Pegida – Fischer vom rechten Ufer“ in der Stadthalle teilnahm, die vom Ausländerbeirat Bad Hersfeld in Zusammenarbeit mit dem DGB Bad Hersfeld-Rotenburg und dem Runden Tisch für Demokratie, gegen Rechtsextremismus in Hersfeld-Rotenburg veranstaltet wurde. Sahin Cenik als Vorsitzender des Ausländerbeirates sprach in seinem Grußwort über den Rassismus, der ihm und vielen weiteren Migranten im Alltag begegnet. Er berichtet von Hassbriefen, die den Ausländerbeirat immer wieder erreichen und der Polizei übergeben werden. Auch bei der gestrigen Veranstaltung zeigte die Polizei Präsenz. Auslöser für die Planung der Veranstaltung war nach Angaben von Moderator Timo Schadt, dass die AfD auch hier in der Region stark auftritt und mit Alexander Sauer ein Mitglied der AfD bei der Landratswahl im Landkreis Hersfeld-Rotenburg kandidiert. Vor allem soll über die Verflechtung der AfD mit der Pegida-Bewegung informiert werden.

Den zahlreichen vorangegangenen Anfragen, warum kein Vertreter der AfD eingeladen wurde, entgegnete Schadt: „Es gibt keinen Dialogbedarf. Außerdem hat der Veranstalter das Recht auszuwählen, wer etwas dazu sagen soll“.

Das war zunächst der Rechtsextremismus-Experte Volkmar Wölk aus Dresden, der in einem Einführungsvortrag seine praktischen Erfahrungen und Recherchen zu Alternative für Deutschland (AfD) und Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) aus erster Hand präsentierte. „Was ist eine Alternative?“ Parteien überlegen bei der Namensgebung, was sich besonders gut verkauft. Wir wollen grundsätzlich anders sein. Mit welchen Inhalten? Wie anders? Mit der Aussage „für Deutschland“ signalisiert die AfD, dass andere Parteien keine Politik für Deutschland machen, macht Wölk deutlich. Die Partei, die auch zwei Jahre nach der Gründung noch kein Parteiprogramm hat, steht als neue alleinige Alternative in einer langen Reihe rechts von der Union. „Die AfD ist eine Partei der Rechten mit bestimmten extrem rechten Tendenzen im Hinblick auf ihre Inhalte und ihr Personal“, ist seine Aussage.

Wölk verdeutlicht an mehreren Beispielen, dass Pegida sehr wohl von der AfD mitgetragen wird. Ein sachlicher und gut verständlicher Vortrag, der die Menschen aufrütteln soll, die sich als „Euro-Hasser“ oder in ihrer Politikverdrossenheit von der AfD vertreten fühlen. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion machte CDU-Landratskandidat Dr. Michael Koch deutlich, dass er keine Berührungsängste mit der AfD hat. Er war bis 2013 Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Thüringer Landtag und arbeitet heute im dortigen Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr. Madeleine Henfling ist stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Thüringer Landtag und eine ausgewiesene Rechtsextremismus-Expertin. Als Parlamentskollegen bezeichnet sie Björn Höcke von der AfD ungern. „Ein kleiner Herr Lucke, nur einen Zacken schärfer, der im Ton aufgerüstet hat“, erläutert sie ihre Wahrnehmung.

Fotos: Gudrun Schmidl

Fotos: Gudrun Schmidl

Sahin Cenik, Vorsitzender des Ausländerbeirates

An der Diskussion nahm auch der Islamwissenschaftler, Iman & Gefängnisseelsorger Husamuddin Meyer aus Wiesbaden teil, der von seiner Phase „kompletten Deutschseins“ berichtet. „Geh zurück in dein Land“ wurde er von einem Mitbürger aufgefordert, dem die Überfremdung zu viel wurde. „Mein Name ist Meyer“, stellte sich der Iman ihm daraufhin vor. Er beobachtet eine steigende Fremdenfeindlichkeit seit rund zehn Jahren, erlebt allerdings nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in Paris die Gesellschaft deutlich aufgerüttelt. Husamuddin Meyer betont, dass der Islam eine friedliche Religion ist. Die ethnologische Bedeutung für Islam ist: Frieden finden durch Hingabe (an Gott). Woher kommt dann der Hass gewalttätiger Migranten? „Wir fühlen uns hier unerwünscht“, zitiert Husamuddin Meyer viele seiner Schützlinge.

Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) arbeitet schwerpunktmäßig am Thema, sitzt beispielsweise im NSU-Untersuchungsausschuss und hat sich mit rechtsextremen Tendenzen in der AfD auseinander gesetzt. Ob sie sich nur noch mit Polizeischutz nach Dresden traut, hält sie für eine blöde Frage. „Ich bin privilegiert, weiß, gesund, meine Überzeugung sieht man mir nicht an und ich verbreite keine Glaubensbekenntnisse“. Die Expertin beteuert: „Pegida ist keine einfache Protestbewegung von Wutbürgern“. Die Diskussion entbrennt über der Frage, ob Pegida ein ost- oder gesamtdeutsches Phänomen ist, wer sich hinter den Pegida-Anhängern verbirgt und welche Schuld die Politik und die „Lügenpresse“ an dieser Entwicklung haben. Dazu Torsten Warnecke ironisch: „Die SPD ist an allem Schuld“. Er betont, dass seine Partei Bürger aller gesellschaftlichen Schichten vertritt.

Thematisiert wird auch die Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen, wobei die Dezentralisierung keine Zustimmung findet. Dr. Michael Koch bekräftigt, dass Zuzug notwendig ist. „Ohne Migranten würde das Klinikum Bad Hersfeld nicht funktionieren“. Henfling kämpft gegen massive Vorurteile der Thüringer gegenüber Migranten und stellt wenig Bereitschaft fest, Asylsuchende und Flüchtlinge aufzunehmen. Menschen aus Eritrea und Somalia verlassen Thüringen so schnell wie möglich, weil sie die Anfeindungen nicht ertragen. Köditz sieht dagegen, dass sich eine Willkommenskultur entwickelt.

Meinungen und Erfahrungen zum "Feindbild Islam" und ansatzweise Lösungsvorschläge wurden ausgetauscht. Vor allem eines ist klar: Es gibt noch viel zu klären, es muss viel miteinander geredet werden. Aber nicht mit Verachtung im Herzen und Wut im Bauch, sondern mit Verständnis und Respekt, gleichzeitig aber offen und mutig. Volker Wölk, „als Miesmacher verpönt“, empfand die Diskussion als zu versöhnlich und zu optimistisch. Er mahnt, dass Rassismus bereits zur Normalität geworden sei. Eine anschließende öffentliche Diskussion kam nicht in Gang. Nach gerade mal drei Wortmeldungen wurde die Veranstaltung durch Timo Schadt beendet. Im Foyer präsentierte sich die Fuldaer Flüchtlingsinitiative „Welcome In“. (Gudrun Schmidl) +++

Timo Schadt

Aus Dresden Rechtsextremismusexperte Volkmar Wölk

Fuldaer Flüchtlingsinitiative „Welcome In“

Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke)


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum
Cookie-Einstellungen anpassen

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Whatsapp
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön