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REGION Kirchenpräsident Prof. Peter STEINACKER gestorben

„Profilierter evangelischer Theologe des offenen und kontroversen Dialogs“

15.04.15 - Der frühere Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Prof. Dr. Dr. hc. Peter Steinacker, ist tot. Er starb am Abend des 14. April 2015 in Frankfurt nach schwerer Krankheit im Alter von 71 Jahren, wie die Familie am Mittwoch mitteilte. Steinacker stand von 1993 bis 2008 an der Spitze der EKHN. Kirchenpräsident Dr. Volker Jung zeigte sich betroffen vom Tod seines Amtsvorgängers. „Mit Peter Steinacker verliert die evangelische Kirche einen klar profilierten Theologen des offenen und kontroversen Dialogs. Ich persönlich verliere mit ihm einen kollegialen Ratgeber und guten Freund“, so Jung. Steinacker habe immer „für eine weltoffene, theologisch anspruchsvolle, gesellschaftlich engagierte und zugleich dialogbereite Kirche gestanden“. Besonders habe ihm am Herzen gelegen, die Kirche mit gesellschaftlichen Gruppen und Bereichen ins Gespräch zu bringen, die oft nicht oder nicht genug im kirchlichen Blickfeld seien. Auf Steinackers Initiative hin seien „regelmäßige Kontakte zum Sport, zu Unternehmen, zur Politik, zur Bundeswehr, den Universitäten und zur Kultur entstanden“. Diesem Anliegen habe Steinacker auch noch im Ruhestand und bis zuletzt als Kuratoriumsvorsitzender der EKHN-Stiftung gedient.

Dialog mit den Religionen stark gefördert

Steinacker hat sich nach Jung „herausragende Verdienste im Dialog mit dem Islam“ erworben. Er selbst sei durch das intensive Studium zahlreicher Werke islamischer Theologie und viele Diskussionen zu einem „profunden Kenner und Förderer des christlich-islamischen Dialogs“ geworden. Auf seine Initiative hin habe die EKHN mit Projekten in Kairo und Beirut ihre interreligiöse Kompetenz stark erweitert und viele Kontakte zu muslimischen und anderen Religionsgruppen geknüpft. Jung erinnerte daran, dass Steinacker für das Engagement im interreligiösen Dialog gemeinsam mit Karl Kardinal Lehmann, Salomon Korn und Navid Kermani 2009 mit dem Hessischen Kulturpreis ausgezeichnet wurde.

Veränderungen der Gesellschaft genau wahrgenommen

Wörtlich sagte Jung: „Sehr wachsam hat Peter Steinacker die gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen wahrgenommen und die Herausforderungen aufgegriffen, die sich daraus für die EKHN ergaben.“ Während der Amtszeit Steinackers seien die Folgen der neu gewonnenen deutschen Einheit zu bewältigen gewesen und seien Deutschland sowie die Kirchen danach zunächst in heftige wirtschaftliche Turbulenzen geraten. Außerdem hätten neue internationale Herausforderungen durch Flüchtlinge, Migranten und die Globalisierung der Wirtschaft das Denken bewegt und sei die Bundeswehr erstmals aktiv an Kriegshandlungen beteiligt gewesen, so Jung. Zugleich habe der naturwissenschaftliche Fortschritt zahlreiche bio- und medizinethische Fragen aufgeworfen und sei das Verständnis von Homosexualität gesellschaftlich neu bewertet worden. Zudem hätten sich die Medien durch das Internet und andere mediale Innovationen dramatisch verändert. Nicht zuletzt habe sich während der Amtszeit Steinackers auch die soziale Frage zugespitzt.

Aus evangelischer Perspektive klar argumentiert

„Eine turbulente Zeit“, bilanzierte Jung, „in der Peter Steinacker immer wieder mutig, kantig und auch bereit zum konflikthaften Dialog seine evangelische Stimme erhob“. Dabei sei ihm stets „eine klare theologische Argumentation aus evangelischer Perspektive wichtig gewesen“. Mit seiner breit aufgestellten Meinungs- und Dialogfreude habe sich Steinacker „bewusst und aktiv dem Akzeptanzverlust der Kirchen in Teilen der Gesellschaft entgegen gestellt“. Dazu gehöre auch, dass er sich für eine zeitgemäße Übersetzung der Heiligen Schrift eingesetzt habe und die 2006 erschienene „Bibel in gerechter Sprache“ förderte. Zugleich habe er auch gesehen, dass die Kirche in ihrem Inneren dringend Strukturreformen benötigte, um zukunftsfähig zu bleiben. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Hans Helmut Köke und später seiner Stellvertreterin Cordelia Kopsch brachte er so etwa die evangelischen Arbeitszentren oder die Stärkung der Dekanate als mittlere Leitungsebene auf den Weg.

Die Kirche mit theologischer Prägnanz geführt

Der Präses der Kirchensynode der EKHN, Dr. Ulrich Oelschläger, bezeichnete Steinacker als Leitenden Geistlichen, der „seine Kirche immer mit theologischer Prägnanz und gesellschaftspolitischer Relevanz“ geführt habe. Nach Oelschläger war der frühere Kirchenpräsident nicht nur ein „hoch geachteter Theologe, sondern auch ein ebenso hochgebildeter intellektueller Denker mit weitem Horizont“. Dies habe sich etwa bei den „profunden und ausgesprochen tiefgehenden regelmäßigen Berichten“ Steinackers vor der Synode gezeigt. Dabei sei es ihm immer wieder gelungen, die Synodalen „auf eine spannende theologische Spurensuche zu aktuellen Themen wie etwa dem Religionsdialog, der Globalisierung oder der Freiheit des Menschen mitzunehmen“. Oelschläger würdigte auch Steinackers Haltung in den Debatten des „Kirchenparlaments“. „Strittige Entscheidungen der Synode, die teilweise auch gegen seine Überzeugungen gefällt wurden, respektierte er. Für diese Haltung ist die evangelische Kirche ihm zu großen Dank verpflichtet“, so Oelschläger.


Vita von Kirchenpräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Steinacker

Pfarrer und Honorarprofessor

Peter Steinacker wurde am 12. Dezember 1943 in Frankfurt geboren. Ab 1965 studierte er Theologie und Philosophie in Frankfurt, Marburg und Tübingen. 1969 legte er das erste theologische Examen ab und promovierte in Marburg über „Das Verhältnis der Philosophie Ernst Bloch zur Mystik“. 1972 absolvierte Steinacker mit dem Vikariat in Marbach bei Marburg die zweite, praktische Ausbildungsphase zum Pfarrer und war Assistent von Carl Heinz Ratschow an der Marburger Universität. Ab 1975 wechselte Steinacker als wissenschaftlicher Assistent an die damalige Gesamthochschule in Wuppertal und lehrte dort Altes Testament und Systematische Theologie. 1980 habilitierte er sich in Marburg mit einer Arbeit über „Die Kennzeichen der Kirche“. Der Marburger Universität blieb Steinacker viele Jahre lang, auch während seiner Kirchenpräsidenten-Zeit, als Honorarprofessor für Systematische Theologie verbunden. 1985 übernahm Steinacker ein Pfarramt in Wuppertal-Unterbarmen.

Kirchenpräsident und Ehrendoktor

Im Dezember 1992 wählte die Kirchensynode der EKHN Steinacker zum fünften Kirchenpräsidenten. Er trat dieses Amt am 1. März 1993 an. Im Jahr 2000 bestätigte ihn die Synode für eine weitere achtjährige Amtszeit. In dieser Funktion war er Vorsitzender der Kirchenleitung, des Leitenden Geistlichen Amtes und des Theologischen Prüfungsamtes der EKHN. Steinacker war Ende 2008 nach 16 Jahren im Amt des Kirchenpräsidenten in den Ruhestand getreten. Im Juni 2000 verlieh die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main Steinacker die Ehrendoktorwürde für seine Verdienste um die wissenschaftliche Theologie im Raum von Universität und Kirche. Maßgeblich beteiligt war er am Kooperationsvertrag zwischen den Universitäten Frankfurt und Gießen, der den Erhalt des gemeinsamen Fachbereichs Evangelische Theologie an beiden Standorten sicherte.

Großes bundesweites Engagement

Steinacker war auch bundesweit vielfach engagiert, zum Beispiel im Deutsch-Polnischen Kontaktausschuss der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), als Vorsitzender des Kontaktausschusses des Rates der EKD mit dem Evangelisch-theologischen Fakultätentag, als Mitglied des Beirates der Seelsorge an Soldaten der Bundeswehr, im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags und im Bereich der Entwicklungspolitik. Er verantwortete auch die EKD-Erhebungen zur Kirchenmitgliedschaft „Fremde Heimat Kirche“ und „Kirche – Horizont und Lebensrahmen“ als Mitherausgeber. In zahlreichen Vorträgen widmete er sich bis zuletzt theologischen und ethischen Grundsatzfragen zu wirtschaftlichen und sozialen Problemen, sowie zu Fragen der gesellschaftlichen und politischen Kultur. Zum Ende seiner Amtszeit rückte für ihn die publizistische Auseinandersetzung mit dem Islam in den Vordergrund.

Kenner von Richard Wagner

Außerdem hatte er großes Interesse an den Kompositionen von Richard Wagner. Bei den Festspielen in Bayreuth hielt er im Rahmen des Festivals junger Künstler regelmäßig Vorträge über theologisch-philosophische Motive in den Wagner-Opern. Daraus sind zahlreiche Veröffentlichungen entstanden. Der frühere Kirchenpräsident galt zudem als leidenschaftlicher Fußballspieler. So gehörte er auch der Jury des jährlich vergebenen „Schlappekicker-Preises“ der Frankfurter Rundschau an, mit dem unter anderem soziale Projekte von Vereinen oder Einzelpersonen ausgezeichnet werden. Steinacker lebte bis zuletzt in Frankfurt am Main. Er hinterlässt seine Ehefrau Inge Steinacker, seine verheiratete Tochter und zwei Enkelkinder. Ein Termin für die Trauerfeier steht noch nicht fest.+++


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