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Esther Bejarano (90) weiß ganz genau, was sie will und vor allem, was sie nicht mehr will. Sie kämpft gegen rechtes Gedankengut - Fotos: Martin Engel

FULDA "Sie nennen mich die Auschwitz-Oma"

Esther BEJARANO besucht Domstadt - Lesung vor 900 Schülern

HinweisSehen Sie zu diesem Thema die Bilder aus der Christuskirche von ON-Fotograf Martin Engel.

17.04.15 - "Ich bin ja schon halb fertig", sagt Esther Bejarano und blickt mit einem kecken Lächeln auf eine Gruppe von Journalisten. Kein Wunder, schließlich hat die 90-Jährige heute schon einige Termine hinter sich gebracht. Sie trinkt einen schwarzen Tee - keinen Earl Grey, dafür aber mit Milch - ihre Jacke lässt sie an. Sie will sich nicht erkälten vor ihrem Auftritt am Abend. Bejarano ist eine toughe Damen. Das muss sie auch sein, bei ihrer Geschichte.

Esther Bejarano, geborene Loewy, ist 17 Jahre alt als sie von den Nazis in das Zwangsarbeitslager Neuendorf bei Fürstenwalde gebracht wird. Sie ist Deutsch-Jüdin. Zwei Jahre später kommt sie nach Auschwitz. Dort wird die musikalische junge Frau Teil des Mädchenorchesters. Nach dem sie eine weitere tragische Station erreicht, den Tod vieler Freunde erleben muss, gelingt ihr die Flucht. 

An dieser Stelle führt Bejaranos Weg in die Nähe von Fulda - ihre erste Station in Freiheit, ihre letzte im Jahre 1945 in Deutschland. Die spätere Ausbildungsstätte für landwirtschaftliche Berufe, der Gehringshof im Neuhofer Ortsteil Hattenhof, wird Unterkunft für KZ-Überlebende. Dort sammelten sich junge Menschen, die in Vorbereitungslagern gewesen waren. Für Esther Bejarano geht es von hier aus nach einigen Wochen mit dem Zug nach Frankfurt und von dort aus auf die Reise nach Palästina. 

Etwa 900 Schüler lauschten in der Christuskirche gebannt den Worten des ehemaligen ...

Am Freitag kehrte sie nun auf den Gehringshof zurück. Ein Besuch, der für sie sehr interessant war. Schwermütig wirkt Bejarano nicht, wenn sie davon erzählt. Viel mehr ist es ihre gelassene, ruhige Ausstrahlung, die überrascht. Hass auf die Nazis könnte man der 90-Jährigen nicht verdenken. Sie ist bestimmt und weiß um ihre Rolle und Verantwortung. "Als ich in Auschwitz war, habe ich gesagt, ich muss mich rächen an diesen schrecklichen Nazis", sagt sie. Ihre Rache ist die Aufklärung, der Kampf gegen rechts, ausländerfeindliches, undemokratisches Gedankengut mit ihrer Geschichte. 

Seit etwa 20 Jahre zieht Bejarano mit diesem sehr auferlegten Auftrag durch die Schulen der Nation. Anfangs jedoch war das alles andere als einfach. Sie musste erleben, dass man sie in die Schulen nicht hereinließ. "Das Thema ist tabu", hieß es. Umso erfreuter ist die zierliche Frau über das Interesse, den Zuspruch, die ihr heute bei ihren Lesungen und Auftritten entgegengebracht werden. Viele Schüler seien heute ganz besonders interessiert an der deutschen Geschichte. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund seien oftmals besonders wissbegierig, so Bejarano. Das erklärt sie damit, dass diese ihre häufig ihre eigenen Erfahrungen mit Ablehnung und Anfeindungen machten. 

Bejarano hat ihre Geschichte schon oft erzählt und ist absoluter Profi im Umgang mit ...

Strömungen wie Pegida sind für Esther Bejarano eine Katastophe. "Was mich traurig macht, ist, dass ich eine Parallele sehe zur damaligen Zeit. Da sei schreckliche, menschenverachtende Ideologie in den Köpfen. "Mein Ziel ist es, dass es keine Nazis mehr gibt", sagt sie bestimmt und wirft dann ein: "aber da können wir noch lange warten." 

Den Weg gegen derartiges Gedankengut geht sie nicht nur über ihr Bücher und Lesungen, Zeitzeugengespräch und öffentliche Auftritte. Seit 2008 kämpft die Sängerin auch mit Musik dagegen. Und zwar mit ihrer Musik - und der Musik der jungen Generationen. Die internationale Rapgruppe "Microphone Mafia" aus Köln kam 2008 auf sie zu. Rapper und Sozialarbeiter Kutlu Yurtseven war vom DGB Nordrhein Westfalen angesprochen worden, ob er sich vorstellen könne, Erinnerungsarbeit für Jugendliche zugängig zu machen. Begeistert von der Idee, kontaktierte er Bejarano. "Mit der Mafia will ich nichts zutun haben", lautete ihr direkte, erste Reaktion auf den Anruf Yurtsevens. "Wir sind die einzige Mafia, die die Welt braucht", der Anfang seiner Erklärungen. Als klar war, warum der Rapper so angerufen hatte, blieben Bejarano nur noch ein "Das ist ein wirklich bekloppter Bandname" und ein "Ja" als Antwort. Seit dem ist sie nicht nur Teil der Kombo, sondern auch selbsterklärte Bandoma. 

"Ich habe sie eingeenkelt"

Das Verhältnis zwischen ihr und den Rappern ist herzlich. Zur Begrüßung küsst Yurtseven sie zart auf die Stirn. Die große Nähe, die zwischen den Musikern herrscht, kommt auch durch ihre gemeinsame Intention. Ihr Repertoire ist höchst politisch, die Texte sind höchst ergreifend. Drei Generationen und drei Religionen stehen bei der Kombo auf der Bühne. Dann geht es aber nicht immer bierernst zu, denn "der Widerstand braucht auch Humor." Das mache die Geschichten nicht lächerlich, sondern menschlich. Authentisch, nah und geradeheraus erreichen die Musiker mit ihren Songs die jungen Generationen - und schlagen damit den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart. 

Am Freitagvormittag las Esther Bejarano vor rund 900 Schülern in der Christuskirche Fulda. Am Freitagabend wird sie gemeinsam mit der Microphone Mafia für sie Musik machen und dabei ihre Geschichte erzählen, in ihrer Sprache und ihrer gemeinsamen Musik. (Sabrina Ilona Teufel)+++

Andreas Goerke vom Bündnis Fulda stellt sich quer.


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