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Blick nach vorn: hoch gelobter Ex-Intendant Holk FREYTAG zurück
30.04.15 - Es war das erste öffentliche Aufeinandertreffen von Festspiel-Intendant Dieter Wedel und Ex-Intendant Holk Freytag, der bei den diesjährigen Festspielen „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist inszeniert. Noch einmal wurden die tiefen persönlichen Verletzungen nach der fristlosen Kündigung von Holk Freytag angesprochen, die auch in einem ersten Gespräch nach der Verpflichtung von Dieter Wedel und Holk Freytag thematisiert wurden. Holk Freytag, inzwischen vom Vorwurf zu hoher Ausgaben rehabilitiert, erläuterte dabei auch den Unterschied zwischen Wut und Zorn. Doch von beiden Gefühlen war an diesem Vormittag nichts zu spüren, der stattdessen von Leidenschaft zum Theater geprägt war.
Dieter Wedel und sein Vorgänger richten den Blick nach vorn, was sie beim heutigen Probenbeginn in den Geschäftsräumen der Firma Friedrich Krumme, einem Förderer der Festspiele, deutlich machten. Dieter Wedel freut sich sehr, dass Holk Freytag nach einer kurzen Bedenkzeit sein Angebot, bei den Bad Hersfelder Festspielen zu inszenieren, angenommen hat. Freytag versichert, dass es ihm nicht schwer fällt, dass er dieses Stück und auch das längst geplante Musical „Cabaret“ übernommen hat. Dieter Wedel und Holk Freytag, die schon lange einen losen Kontakt pflegten, sind sich einig, dass Persönliches zugunsten der wunderbaren Spielstätte zurückstehen muss. „Diese Spielstätte muss erhalten werden. Das Umfeld hat sich verändert, nahezu jede Stadt, die eine Burg, ein Schloss oder einen Marktplatz hat, veranstaltet heutzutage Festspiele“, erinnert Wedel noch einmal an die große Konkurrenz.
Bevor Wedel die Pressekonferenz vorzeitig verlassen musste, zollte er seinem Vorgänger seine Bewunderung und seinen Respekt. „Was Sie alles geschultert haben, ist vollkommen undenkbar. Aus Liebe zum Theater und zu dieser Institution haben Sie sich so belastet...." Er versicherte außerdem, dass dies nicht etwa eine Abschiedsspielzeit von Holk Freytag sein werde. In ihren Gesprächen werde schon weit über die diesjährige Spielzeit hinaus gedacht. Holk Freytag bezeichnete die Haltung von Dieter Wedel ihm gegenüber als vorbildlich und richtete eine Bitte an die zahlreichen Pressevertreter: „Lasst uns damit dieses Thema beenden und in die Zukunft schauen“.
Für Holk Freytag ist damit die Thematisierung des Skandals um seinen Rausschmiss abgeschlossen. Mit einer Archivaufnahme des Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch und dessen „Niederrhein-Hymne“ lenkt er die Aufmerksamkeit auf die erste Probe seiner Inszenierung. „Wahrheit und Wirklichkeit“ sind wie in den anderen Inszenierungen der 65. Bad Hersfelder Festspiele auch Themen in „Der zerbrochne Krug“. Holk Freytag versichert: „Kleists Lustspiel gehört zu den großen Wunderwerken deutscher Sprache. Ich kenne kein anderes Stück, in dem die Wortwahl und die zum Teil äußerst ungewöhnliche Wortreihung so viel über die Figuren aussagen. Außerdem ist es eine der tiefsinnigsten und definitiv witzigsten Auslassungen über des Pilatus Frage „Was ist Wahrheit?“
Das wichtigste Motiv, dieses Stück zu inszenieren, ist für Holk Freytag die Arbeit mit den wunderbaren Schauspielerinnen und Schauspielern, die nach seinen Worten "den Krug in der Stiftsruine zum Überlaufen bringen werden". Die Besetzungsliste kann sich sehen lassen. Stephan Schad, der für seine Rolle als Nathan 2013 mit dem Großen Hersfeld- und zeitgleich mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde, steht als Dorfrichter Adam auf der Bühne. Marie Therese Futterknecht, im letzten Jahr mit dem Großen Hersfeld-Preis für Maria Stuart ausgezeichnet, spielt Marthe Rull und Andrea Cleven, die auf der Festspielbühne ebenfalls Maßstäbe gesetzt hat, ihre Tochter Eve. Die Festspielbesucher dürfen sich außerdem über ein Wiedersehen mit vielen weiteren bekannten und beliebten Ensemblemitgliedern freuen.
Dazu gehören Nikolaus Kinsky, Markus Gertken, Hans-Christian Seeger, Viola von der Burg, Wilhelm Sandmann sowie die Zwillingsschwestern Laura und Lisa Quarg. Das größte Medieninteresse galt allerdings der bekannten Film- und Fernsehschauspielerin Nina Petri, die als Frau in die Rolle von Gerichtsrat Walter schlüpft. Von dieser Besetzungsidee Holk Freytags war auch das Ensemble überzeugt. „Dadurch wird der Konflikt noch verschärft. Wir sind in Deutschland mit der Gleichberechtigung schon sehr weit, aber können nicht zufrieden sein, solange die Löhne nicht gleich sind“. Mit ersten Leseproben entführten die Schauspielerinnen und Schauspieler in die Welt des typischen Niederrheiners, wie sie Hanns Dieter Hüsch skizziert hat: Er weiß nichts, kann alles erklären und kommt dabei vom Hundertsten ins Tausendste.
„Ich kann mir keine bessere Besetzung vorstellen“, versichert Holk Freytag und verspricht eine sehenswerte Interpretation dieses „urkomischen Stückes“. Neugierig auf die Inszenierung machen auch das vorgestellte Bühnenbild, das die Melancholie der niederrheinischen Landschaft aufnimmt und die Kostüme, die sich an der „Kleist-Zeit“ vor rund 200 Jahren orientieren. Premiere von „Der zerbrochne Krug“ ist am 13. Juni 2015 um 21.00 Uhr. Weitere Informationen unter www.bad-hersfelder-festspiele.de (Gudrun Schmidl) +++