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"Er steht einfach für sich" - Helmut BAUMANN gibt Herrn Schultz in CABARET
12.06.15 - Für viele ist der Schauspielerberuf Leidenschaft und Stress pur. Für Helmut Baumann nicht, denn er kennt beide Seiten des Theaters. Ursprünglich war er Regisseur und kam erst Mitte der Achtziger Jahre und zudem eher durch Zufall vom Regiestuhl auf die Bühne. Sofort fand er Gefallen am Spielen. Als Regisseur trage man für alles die Verantwortungen, solch ein Job könne einen auslaugen. Als Schauspieler hingegen sei man in erster Linie für sich selbst verantwortlich. Heute, etwa 30 Jahre nach seinen ersten Auftritten bekennt er: „Ich bin jetzt viel lieber als Schauspieler unterwegs.“
Besonders gerne ist er das in Bad Hersfeld. Nach seinem ersten Gastspiel in „Sunset Boulevard“ in 2011 ist er in dieser Spielzeit als Herr Schultz in „Cabaret“ wieder auf der Ruinenbühne zu sehen. Zurück nach Bad Hersfeld kehrte er – laut eigener Aussage – aus mehreren Gründen. Zum einen habe ihn die Rolle gelockt, zum anderen die Zusammenarbeit mit Gil Mehmert und Judy Winter. Aber auch die enge Freundschaft zu Musical-Kollegin Helen Schneider brachte ihn zurück. Die beiden verbindet seit vielen Jahren eine nahezu familiäre Bindung. „Wiederbegegnungen sind mit Glück verbunden“, sagt Baumann. Theaterfreundschaften seien eine ganz eigene Kategorie. „Man sieht sich, man mag sich, aber jeder macht seine Sache.“
Auch mit „Cabaret“ verbindet Baumann viel. Als Regisseur besetzte er 1987 am Theater des Westens in Berlin Helen Schneider als Sally Bowles. Das Stück selbst ist für ihn ein „Meisterwerk“. Beweis dafür sei, dass es stets im Repertoire großer Theater stehe, keine Eintagsfliege ist. „Es hat sich durchgesetzt und steht in einer Reihe mit ‚Westside Story‘ oder ‘ Kiss me Kate‘.“ Sie alle sollten sich im Lebenslauf eines Musical-Darstellers irgendwann wiederfinden.
Seine Rolle als Herr Schultz ist für Baumann eine wunderbare Rolle, zu der man unbedingt eine persönliche Beziehung aufbauen sollte. Er sei ein Mensch, der auf das Glück verzichten müsse, weil er Jude ist. Besonders sei daran, dass man nicht den Holocaust mitspielen müsse, um dessen drastische Auswirkungen auf das Leben der Menschen zu zeigen. Dennoch ist die Figur Herr Schultz nicht von Verbitterung getrieben, er gehe nicht gebeugt aus der Sache heraus. „Er versteht seine Partnerin, die sich von ihm zurückzieht, aus klaren, realistischen Gründen. Er steht einfach für sich.“
Auch die anderen Hauptfiguren, Sally Bowles (gespielt von Bettina Mönch) und Cliff Bradshaw (Rasmus Borkowski), seien in gewisser Weise kleine Schicksale. „Die haben alle keine Ahnung von dem Drama, das auf sie zukommt“, sagt Baumann im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Am Ende sei das Stück ein Zeugnis dafür, dass die Liebe besiegt wurde.
Die großen Geschichten, großen Verluste und großen Figuren reizen Baumann an dem Stück und sind für ihn Grund für dessen Popularität. In der Ruine aber, hätte er das intime "Cabaret" zunächst nicht gesehen. Zwar mag er die „wunderbare Bühne“, doch sei er anfangs sehr skeptisch gewesen. Mit großem Ernst und Genauigkeit sei es Regisseur Gil Mehmert aber gelungen, dass "Cabaret" auch in der Ruine bestehe. „Wer diese Bühne schafft, schafft eine Menge“, sagt Baumann. Und er habe da ein ganz tolles Gefühl, dass "Cabaret" das Publikum genau richtig berühren werde. (Sabrina Ilona Teufel)+++