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Robert SEETHALER mit seinem Roman „Ein ganzes Leben“
31.07.15 - Der Grimmelshausen-Preis 2015 geht an Robert Seethaler für sein bei „Hanser Berlin“ erschienenes Werk „Ein ganzes Leben“. Das hat die Jury des renommierten und mit 10.000 Euro dotierten Literaturpreises jetzt bei einem Arbeitstreffen in Gelnhausen unter Vorsitz des hiesigen Bürgermeisters Thorsten Stolz beschlossen. Bei einer Sitzung im Frühjahr – ebenfalls in der Barbarossastadt – hatten die Jurymitglieder eine Auswahl von Werken festgegelegt, die einen bemerkenswerten Beitrag zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte geleistet haben. Diese in die engere Wahl genommenen Werke lasen sie in den vergangenen Monaten und trafen nun ihre Entscheidung. Zudem bestimmte die Jury auch die Preisträgerin des mit 2.500 Euro dotierten Förderpreises: Ihn erhält in diesem Jahr die Autorin Verena Boos für ihren im „Aufbau Verlag“ erschienen Debütroman „Blutorangen“. Die öffentliche Preisverleihung findet im November in der Stadthalle Gelnhausen statt.
Der 1966 in Wien geborene, vielfach ausgezeichnete Schriftsteller und Drehbuchautor Robert Seethaler spielte viele Jahre lang auch in Fernseh- und Kinofilmen sowie im Theater. Als seine großen schriftstellerischen Publikumserfolge gelten bislang der in 2012 erschienene Roman „Der Trafikant“ und das jetzt auch von der Grimmelshausenpreis-Jury ausgezeichnete Werk „Ein ganzes Leben“, das er im Jahr 2014 veröffentlichte. Bettina Cosack von der Frankfurter Rundschau würdigt Seethaler: „Es sind die Außenseiter, denen die Aufmerksamkeit dieses ebenso feinsinnigen wie wortschlauen Schriftstellers gilt, und seine Zuneigung auch.“
Zu „Ein ganzes Leben“: Als Andreas Egger in das Tal kommt, in dem er sein Leben verbringen wird, ist er vier Jahre alt ungefähr – so genau weiß das keiner. Er wächst zu einem gestandenen Hilfsknecht heran und schließt sich als junger Mann einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut und mit der Elektrizität auch das Licht und den Lärm in das Tal bringt. Dann kommt der Tag, an dem Egger zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens, die er jedoch wieder verlieren wird. Erst viele Jahre später, als Egger seinen letzten Weg antritt, ist sie noch einmal bei ihm. Und er, über den die Zeit längst hinweggegangen ist, blickt mit Staunen auf die Jahre, die hinter ihm liegen. Eine einfache und tief bewegende Geschichte… Elke Heidenreich (FAZ) schreibt über „Ein ganzes Leben“ und Robert Seethaler: „Was für ein wunderbarer Autor, der uns so tief bewegen kann mit einem unvergesslichen Buch.“
Förderpreisträgerin Verena Boos, 1977 in Rottweil geboren, lebt in Frankfurt und arbeitet dort nach einem Studium der Anglistik und Soziologie samt Promotion in Zeitgeschichte als Journalistin, Referentin und Autorin. Mehrjährige Aufenthalte in Italien, Großbritannien und Spanien prägen ihre bisherige Vita genauso wie die Teilnahme am Klagenfurter Literaturkurs und an der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung. Verena Boos wurde für die Bayerische Akademie des Schreibens ausgewählt und las auch schon beim „Open Mike“. Ihr Autorenkollege Jan Brandt sagt über die Autorin: „Verena Boos verbindet großes Erzähltalent mit historischer Präzision“.
Zu „Blutorangen“: Für die junge Spanierin Maite ist das Studium in München vor allem eine Chance, ihrem konservativen Elternhaus zu entfliehen. Ihre Heimat Valencia, berühmt für den Handel mit makellosen Orangen, wird ihr allmählich fremd. Sie verliebt sich in Carlos, der aus einer deutsch-spanischen Familie stammt, und freundet sich mit seinem Großvater Antonio an. Der alte Emigrant berichtet von nie gehörten Ereignissen und erzählt doch nicht alles. Eines Tages wird aus der Zuhörerin eine Fragerin: Wie gelangte ihr Vater in eine deutsche Uniform?Der bekannte Schriftsteller Thomas Lehr, Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, schreibt über „Blutorangen“: „Verena Boos verknüpft deutsche und spanische Geschichte über einen Zeitraum von 80 Jahren hinweg mit Eindringlichkeit und narrativer Vielfalt. Der Leser hält einen erstaunlichen und höchst lesenswerten Debütroman in den Händen, der mit einer enormen Stoffvielfalt aufwartet, wie man sie nur von großen Romanciers kennt“.
Der Grimmelshausen-Preis wird seit 1993 in jedem ungeraden Kalenderjahr vergeben, wobei der Ort der Verleihung jeweils zwischen Grimmelshausens Geburtsstadt Gelnhausen und Renchen wechselt, wo der berühmte Autor des „Simplicissimus Teutsch“ im Jahre 1676 verstarb. Gemeinsam mit den beiden Städten stiften die Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen die Auszeichnung. Mit dem Preis zeichnet die Jury Autorinnen und Autoren aus, die mit einem in den vorausgegangenen sechs Jahren erschienenen erzählerischen Werk einen bemerkenswerten Beitrag zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte geleistet haben und somit in der literarischen Tradition des berühmten Namensgebers stehen. Den Förderpreis vergibt die Jury seit 2003. Er wird von der Stiftung der Kreissparkasse Gelnhausen gestiftet.
Der Jury 2015 gehören die beiden Bürgermeister Thorsten Stolz (Gelnhausen) und Bernd Siefermann (Renchen), Dr. Florian Balke (FAZ), Prof. Hansgeorg Schmidt-Bergmann (Leiter des Museums für Literatur am Oberrhein in Karlsruhe), Hans Sarkowicz (Leiter des Bereichs Kultur und Wissenschaft beim Hessischen Rundfunk), Elisabeth Volck-Duffy (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst) und Ministerialrat Christoph Heinkele (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg) an. +++
Weitere Informationen zur Preisverleihung im November in der Stadthalle Gelnhauen folgen in den kommenden Wochen. +++