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„Bebras Brandenburger“ Tor erwacht aus dem Dornröschenschlaf
12.09.15 - Kein Mensch käme auf die Idee, den Eiffelturm in Paris oder die Londoner Towerbridge einfach abzureißen. So wie das Brandenburger Tor für Berlin steht, wird zukünftig der Bebraer Lokschuppen in Verbindung mit dem Wasserturm das Wahrzeichen der Stadt mit der großen Eisenbahngeschichte darstellen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Es hämmert. Es klopft. Geschäftiges Treiben herrscht in dem Bebraer Vorzeigeobjekt, das über Jahrzehnte in einen tiefen Dornröschenschlaf gefallen war. Einige meinen, das hätte der Lokschuppen mit der Stadt gemeinsam. Deshalb sei das bogenförmige Gebäude, das wie ein verkleinerter Nachbau des Flughafengebäudes Berlin-Tegel wirkt, geradezu ein Sinnbild für Bebra im Wandel.
Jetzt, im Zuge dieser einzigartigen Stadtsanierung, soll auch der Lokschuppen ins Leben zurückgeholt werden. Glücklicherweise, denn ein Abriss des Bauwerks, das in bevorzugter Lage den Aufstieg Bebras und seine einzigartige Eisenbahn-Historie so perfekt repräsentiert, war quasi in letzter Minute verhindert worden. Nun also haben die Handwerker das Kommando auf dem entstehenden Vorzeigeplatz am Bahnhof übernommen. Besonders freut sich Stefan Knoche von der Stadtentwicklung Bebra GmbH, dass bei der beschränkten Ausschreibung der Handwerksleistungen lokale Betriebe den Zuschlag bekommen haben. So bleiben die Aufträge für Gerüstbau und Baustellensicherung in der Nachbarstadt Rotenburg und wurden an die Firma Alfred Heupel vergeben. Für die Dacheindeckung ist der Bebraer Dachdeckermeister Wolfgang Hornung verantwortlich. Auch die Maurerleistungen bleiben in Bebra und werden von der Firma HS-Bau aus Solz erledigt. Bereits im Vorgriff auf diese Maßnahmen wurden von der Firma Beisheim im Inneren des Lokschuppens Rückbau- und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt.
Die charakteristische Dachkonstruktion, bestehend aus Stahl und Holz, wird saniert
Das Mauerwerk wird Meter für Meter kontrolliert und restauriert. Hier ist die Solzer Firma HS Bau am Werk. Fachleute haben zuvor die gesamte Mauerkonstruktion auf ihre Tragfähigkeit geprüft und grünes Licht für die Sanierung gegeben „Die Substanz ist altersgemäß angegriffen. Aber das Gebäude ist unbedingt erhaltenswert“, sagt Statiker Joachim Kümmel vom Ingenieurbüro ihb Thümmler. Seine Firma ist spezialisiert auf Holzbau und die Erhaltung historischer Bauwerke.
„Ich habe schon schlimmere Dächer als dieses gesehen“, sagt der Ingenieur. „Allein aus ästhetischen Gesichtspunkten wäre es jammerschade gewesen, dieses Gebäude nicht zu erhalten und wieder zu beleben.“
Erstmal standfest machen
Im ersten Abschnitt geht es darum, die Standfestigkeit des Gebäudes zu sichern. Die Stahlteile der Dachkonstruktion werden abgestrahlt und erhalten einen neuen Rostschutzanstrich. Holzbalken werden entfernt und begutachtet. Was noch verwendbar ist, wird aufgearbeitet und wieder eingebaut. Teile, die nicht mehr zu rekonstruieren sind, werden durch neue ersetzt. Christoph Englert von der Firma Bennert bei Erfurt ist in seinem Element. Der gelernte Zimmermann ist Spezialist für alte Dächer und die Rekonstruktion historischer Gebäude. Gemeinsam mit seiner Mannschaft arbeitet er sich Stück für Stück voran. Dabei gilt es, nicht nur handwerklich perfekte Arbeit abzuliefern, sondern auch die Arbeiten zeitlich zu koordinieren. Denn der Kran, der altes Material vom Dach holt und neues nach oben schafft, kann nicht jeden Tag eingesetzt werden - eine Hochspannungsleitung läuft über das Gebäude. Und die kann nur an bestimmten Tagen aus- und wieder eingeschaltet werden. Oberstes Ziel ist es, bis Ende Oktober ein neues Dach auf den Lokschuppen zu setzen und die Statik des Gebäudes vollständig zu sichern.
EU übernimmt die Hälfte der Kosten
Das alles kostet Geld, viel Geld. Die veranschlagte Summe für die Bestandssicherung des Gebäudes mit dem unschätzbaren ideellen Wert für Bebra: Eine halbe Million Euro. Ein Betrag, den die Stadt alleine nicht stemmen kann. Das viel gescholtene Europa ist das Zauberwort, und hier schließt sich ein Kreis. Denn der Lokschuppen, Bestandteil des einst größten europäischen Eisenbahnknotenpunkts, hat in dieser Funktion durchaus internationale Bedeutung. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), im Volksmund auch „EU-Regionalfonds“ genannt, schultert etwas mehr als die Hälfte, rund 300.000,00 Euro, der benötigten Bausumme. Neben „EFRE“ hat das Land Hessen einen großen Beitrag zur Wiederbelebung des Lokschuppens geleistet: 175.000 Euro zahlt das Bundesland aus Stadtumbaumitteln für die Restaurierung. 75.000 Euro muss die Stadt Bebra als Eigenmittel aufbringen. Bauherr der gesamten Maßnahme ist die Stadtentwicklung Bebra GmbH. (Gerhard Manns)+++