Wer hat die KIRMES? Dorfjugend verbindet Party mit Tradition und Brauchtum

23.09.15 - Wer hat die Kirmes? Was für viele junge Menschen in den Dörfern der Region das Highlight des Jahres bedeutet, wird oftmals von Nichtsahnenden nur als "Saufparty" abgestempelt. Im Zelt oder Bürgerhaus wird tagelang gefeiert, getrunken und Unsinn gemacht. Klar, Spaß gehört dazu und die jeweiligen Veranstalter wollen mit ihrer Kirmes natürlich auch die Vereinskasse aufbessern. Doch hinter dem Begriff Kirmes steckt viel mehr. Ursprünglich war und ist es zumindest teilweise noch ein kirchliches Fest und begründet sich in der Kirchweih.

Lange Tradition: Dieses Bild der Kirmesgesellschaft in Dankmarshausen stammt aus ...

Regional gibt es große Unterschiede. Die einen feiern die Kirchweih, andernorts ist es die Kirmes, Kermes oder die Kerb, um nur wenige Bezeichnungen zu nennen. Es wird auch als Erntedank im Herbst gefeiert. Ursprünglich waren nur unverheiratete Männer Mitglied. Dies hat sich größtenteils geändert. Vielerorts gibt es Kirmespaare. Fast jedes Kirmesdorf hat zudem seine eigenen, ganz speziellen Rituale. Das fängt beim Outfit an, oder dem Ausgraben der Kirmes, dem Ablauf des Festes und vieles mehr. Doch alle haben eines gemeinsam: Die manchmal so gescholtene Jugend hält mit ihrem Engagement an Traditionen und Brauchtümern fest. Leider gibt es dieses Fest in einigen Dörfern nicht mehr. Entweder fehlt einfach die willige Jugend oder ein einziger Einwohner - etwa im Bad Hersfelder Ortsteil Asbach - verhindert die Kirmes wegen Ruhestörung. Doch es gibt auch erfreuliche Beispiele.

Doch wo sind die Unterschiede? Wie hat sich die Kirmes entwickelt? Wir haben nachgefragt. Am kommenden Wochenende wird zum Beispiel an der hessisch/thüringischen Grenze in Dankmarshausen das 100-jährige Jubiläum der Kirmes gefeiert. Im Hünfelder Ortsteil Michelsrombach steht eine Laube im Blickpunkt und die Kirmesgesellschaft hat ein besonderes Outfit. Die Kirchheimer Mädels und Jungs gehen es in diesem Jahr zünftig an - die erste Kirmeswiesn steht auf dem Plan.

Drei Beispiele aus ganz unterschiedlichen Regionen: 

1. Seit wann gibt es die Kirmes in Eurem Dorf?

Dankmarshausen (an der hessisch/thüringischen Grenze): Kirmes feiert man in Dankmarshausen seit mehr als 100 Jahren, das erste Foto und historische Überlieferung hält dann 1915 fest und aus diesem Grund heißt in diesem Jahr alles "Tradition mit Geschichte - 100 Jahre Kirmes Dankmarshausen".

Fesche Madl und Buam in Dirndl und Lederhosn: Die Burschenschaft Kirchheim ...Foto: Burschenschaft Kirchheim

Kirchheim (Landkreis Hersfeld-Rotenburg): In diesem Jahr feiern wir die 31. Zeltkirmes seit 1985. Die Tradition der Kirmes gibt es aber schon viele Jahre mehr. Die erste Saalkirmes wurden in den 1920er Jahren beim Hotel Eydt gefeiert. Legendär sind auch die Kirmesreden - ein jedes Mitglied bekommt einen satten, herben Spruch und nimmt es natürlich mit Humor. Das war früher schon so und erfüllt jeden mit Stolz, der einmal dabei war.

Michelsrombach (Landkreis Fulda): Das Kirchweihfest in Michelsrombach, umgänglich Kirmes genannt, gibt es schon seit Jahrzehnten, was vor vielen Jahren in den örtlichen Gaststätten begann, wurde vor 36 Jahren in eine Zeltkirmes ausgeweitet. Diese fand zunächst im Ortskern, „An der Linde“ statt, bis sie auf den im Jahr 1986 neu geschaffenen Festplatz verlegt wurde.

2. Wie viele Mitglieder habt Ihr aktuell und gibt es ein besonderes Aufnahmeritual?

Dankmarshausen: In diesem Jahr zählen wir 75 Mitglieder, eine hohe Anzahl, jedoch auch benötigt da wir alles um die Kirmes selber stemmen. Ein Aufnahmeritual wäre bei uns das sogenannte "Kelletrinken". Der Kirmesschnaps bei uns wird selber gemischt und jeder Neuling trinkt zur Aufnahme eine Kelle - schon eine sehr lange Tradition.

Kirchheim: Aktuell haben wir 36 Mitglieder.

Die Kirmesgesellschaft Michelsrombach. Gerade die impossanten Hüte der Jungs sind ...Foto: Kirmesgesellschaft Michelsrombach

Michelsrombach: Die Kirmeszeit wird in Michelsrombach jedes Jahr durch das traditionelle „Kirmesausgraben“ eingeläutet. Hierbei treffen sich alle Mitglieder, um zum einen Neumitglieder offiziell in die Kirmes aufzunehmen und zum anderen um die ersten Planungen durchzuführen. Um 0:00 Uhr kommen dann die ehemaligen Kirmesmitglieder hinzu, um den Beginn der Kirmeszeit zu feiern.

3. Warum genau macht ihr die Kirmes (außer natürlich, um Geld zu verdienen)? Also Kameradschaft, Spaß, Tradition?

Die Kirmesgesellschaft Dankmarshausen feiert 100 Jahre Kirmes

Dankmarshausen: Die Kirmesgesellschaft ist eine Gemeinschaft von Jugendlichen, die sich in ihrer Freizeit mit der Brauchtumspflege der Dankmarshäuser Kirmes befasst. Dies spiegelt sich wieder durch die Aufführung alt überlieferter Traditionen und dörflicher Gewohnheiten, wie z.B. das Tragen und die Pflege altertümlicher Trachten und das Umspielen durch den Ort. Des Weiteren wird das Brauchtum mittels mehrerer historische Kirmesfahnen und einem seit Generationen bestehenden Kirmesruf gepflegt. Das Schmücken der Linde und das Binden der Kirmeskrone gehört auch zu diesem. Das Ausrichten des Festumzuges gehört ebenso zur Tradition wie das Kohlrübensuppenwettessen und das Singen volkstümlicher Lieder. Weiterhin verpflichtet sich die Kirmesgesellschaft, altertümliche Fahrzeuge und Gebrauchsgegenstände für die Zukunft zu wahren.

Da die Kirmes ursprünglich das Fest der Kirchweih ist, wird besonderer Wert auf die Teilnahme am Kirmesgottesdienst und die Erhaltung der „Kirmesbeerdigung“ gelegt. Durch Teilnahme am dörflichen Geschehen und Wahrnehmung von Einladungen anderer Orte stellt sich der Verein vor und macht auf die Vereinsarbeit aufmerksam. Alle Mitglieder des Vereins widmen sich der Förderung der Kirmestradition, die in der Durchführung einer jährlich stattfindenden Kirmesveranstaltung ihren Höhepunkt findet. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, was sich auch durch die enge Zusammenarbeit mit Kindergarten und dem gesamten Dorfgeschehen äußert.

Kirchheim: Auch in Kirchheim hält die Dorfjugend zusammen und organisiert die Kirmes. Die Mädchen und Jungs engagieren so für ihr Heimatdorf und bewahren die Tradition. 

Michelsrombach: Sicherlich fällt den meisten da zuerst der finanzielle Aspekt ein –den wir auch nicht abstreiten wollen. Allerdings ist Kirmes mehr! Wir wollen mit unserem Zusammenschluss von Jugendlichen einen Teil zum dörflichen Beisammenleben beitragen und die lange Tradition - u.a. den Dreireihentanz um den Kirmesbaum – erhalten, auch wenn man hierbei mal neue Wege gehen muss. Es macht daneben auch Spaß und Stolz, eigenständig eine Veranstaltung über vier Tagen auf die Beinen zu stellen, auch wenn hierfür viel Zeit und Engagement erforderlich sind.

4. Gibt es bei Euch bestimmte Funktionen (Kirmesvater, Ploatzknecht und so weiter)? Wenn ja, beschreibt sie bitte etwas und die aktuellen Namen dazu

Dankmarshausen: Unser Verein besteht aus einem eingetragenen Vorstand: Vorsitzende: Bastian Christ, Tobias Taubert, Schriftführer: Florian Kaufmann, Kassierer: Katharina Dathe, Des weiteren werden wir in der Kirmeszeit von den Platzknächten tatkräftig unterstützt: 1. Niclas Prager, 2. Tobias Christ. Wir sind in diesem Jahr 22 Kirmespaare.

Kirchheim: Der Kirmesvater ist aktuell Marcel Naumann, zweiter Vorsitzender sein Bruder Marcel. Dazu gehören zwei Kassierer und drei Beisitzer der Burschenschaft in Kirchheim an.

Michelsrombach: Die Ämter in unserer Kirmes werden zu Beginn auch festgelegt, um den bunt geschmückten Kirmesbaum kümmern sich jedes Jahr die beiden Baumpaare (Philipp und Jasmin, René und Franziska). Die Getränkeversorgung, insbesondere am Kirmeswochenende, stellen die beiden Schnapspaare (Dennis und Theresa, André und Viktoria) sicher. Als Bindeglied zwischen allen Aufgaben und Gesamtorganisator ist das erste Ploatzpaar (Benedikt und Ronja) verantwortlich. Vertreten werden die beiden vom zweiten Ploatzpaar (Niklas und Antonia), die sich in diesem Jahr außerdem um die neue Kirmeslaube gekümmert haben.

5. Was ist das Besondere gerade bei Eurer Kirmes?

Dankmarshausen: Das Besondere an unserer Kirmes ist defintiv die lange Tradition und die enge Verwurzelung und Rückhalt im Ort. Die Kirmes ist in den letzten Jahren durch viele Neuerungen und immer neue Bands und Acts ständig gewachsen und hält so ob jung ob alt ein attraktives Programm bereit. Dies findet in diesem Jahr einen großen Höhepunkt mit unserem Kirmesjubiläum.

Kirchheim: Am Donnerstag wird die Kirmes ausgegraben, am Samstag ziehen wir mit Fackeln durch das Dorf zum Festplatz. Am Sonntagabend wird die Kirmes dann wieder eingegraben. Am Donnerstagabend bieten wir unseren Gästen beim Dorfabend spezielle Auftritte unserer Burschenschaft.

Michelsrombach: Über die Grenzen von Hünfeld ist unsere Kirmes durch die hohen, mit Blumen geschmückten Hüte bekannt, die die Kirmesburschen am Kirmeswochenende tragen.

6. Die Highlight Eurer diesjährigen Kirmes

Dankmarshausen: Das Highlight in diesem Jahr ist wirklich die gesamte Kirmes, da wir gerade an den Planungen für das Jubiläum die Köpfe schon seit 2012 zusammengesteckt haben. Gerade mit der Auswahl ist es uns immer wichtig, eine Bandbreite für die Gäste bieten zu können und auch unseren traditionellen Ablauf beizubehalten. Ausverkauftes Haus erwartet uns am Samstag mit den DORFROCKERN - denn wir sind Dorfkinder und stolz darauf. Am Sonntag findet der große Jubiläumsfestzug statt mit vielen Marsch-, Fanfaren- und Spielmannszügen und gleich im Anschluss die legendäre Kirmesparty mit den Frankenräubern. (Florian Kaufmann)

Kirchheim: Mini-Haxn, Leberkäs und Allgäuer „Büble-Festbier“: Die Kirchheimer feiern erstmals auf ihrer Zeltkirmes am kommenden Samstag die Kirchheimer Wiesn. Bereits um 19 Uhr beginnt der Fackelumzug mit der „Kirchheimer Blasmusik“ durch das Dorf, bei dem die Kirchheimer Bürger sowie Interessierte dazu eingeladen werden, sich dem Zug anzuschließen und gemeinsam mit den Kirmesburschen und -mädchen ins bayerisch geschmückte Festzelt einzuziehen. Für ausgelassene Partystimmung und Oktoberfestfeeling wird an diesem Abend die Partyband „Meilenstein“ sorgen. Die sechsköpfige Besetzung um die Sängerin Jacky versteht es durch ihre Publikumsnähe und mehrstimmigen Gesang die Besucher mitzureißen und hat die besten Party- und Stimmungshits sowie aktuelle Charts im Repertoire. (André Honstein)

Michelsrombach: Das Highlight in diesem Jahr ist aber unbestritten unsere neue Kirmeslaube! Hierin hat die Kirmesgesellschaft im Zelt ihren festen Platz und feiert die vier Festtage. Nachdem die alte Kirmeslaube nach 28 Jahren im Einsatz ausgedient hatte, war es Zeit für eine neue. Die Bauzeit begann schon im Frühjahr diesen Jahres mit den Planungen und endete mit dem Richtfest am Sonntag vor der Kirmes. Mit 18 Quadratmeter Größe und 2,70 Meter Höhe bietet es den Kirmesmitgliedern einen sehenswerten Rückzugsort. Gerade auch wegen der Erstnutzung der Kirmeslaube freuen wir uns schon riesig auf das bevorstehende Wochenende. Nach dem Dorfabend amDonnerstag gibt es am Freitagabend die Discoparty im Festzelt mit Kult-DJ Erwin, am Samstag Kirmesparty mit Soundaholics und der Familientag am Sonntag. (Benedikt Stock). (Hans-Hubertus Braune) +++