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Weltrekordversuch: Mit Schlittschuhen 4,8 Kilometer in der Fulda schwimmen
22.01.16 - Wahrscheinlich schweben Sie seit Samstag auch auf Wolke sieben: Wir waren Papst, wir waren Weltmeister, und jetzt sind wir auch noch Weltrekordhalter. Dieses Gefühl, dass 416 wagemutige Extremsportler hintereinander auf Schlitten die Wasserkuppe fast so schnell wie die Zwergschnecke heruntergeschlichen sind, ist einzigartig. Meine Güte, was sind die Osthessen für ein sensationelles Völkchen.
Um von dieser grandiosen Emotion, etwas Außergewöhnliches geleistet zu haben, noch möglichst lange zu zehren, steht der nächste Weltrekordversuch bereits in den Startlöchern. Am kommenden Sonntag will die Barockstadt den 113 Jahre alten Weltrekord einer 338-köpfigen Ringelrobben-Gruppe knacken. Diese hatte im Jahr 1903 mit Schlittschuhen im Formationsschwimmen eine 4,7 Kilometer lange Strecke ohne Pause im russischen Ladogasee zurückgelegt. Treffpunkt ist um 13 Uhr am Vereinsheim des Kanu-Clubs. Geschwommen wird in der Fulda in nördlicher Richtung ausschließlich in luftigen Faschings-Kostümen.
Aufgrund des enormen organisatorischen Aufwands – die Planungen des Magistrats laufen bereits seit vergangenem Mittwoch – findet der Rekordversuch bei jeder Witterung statt. In der offiziellen Ausschreibung heißt es: „Auch für den Fall, dass die Fulda zugefroren ist, werden wir den Weltrekord im Wasser als Schlittschuh-Polonaise in Angriff nehmen. Das Technische Hilfswerk ist vor Ort, um bei Bedarf eine Einstiegsöffnung in die Eisdecke zu bohren.“
Knapp 2.900 Anmeldungen aus der gesamten Bundesrepublik liegen bereits vor. Euphorisch sind vor allem die Schlittschuhläufer, die von der Mini-Eislauffläche mit Plastikplatten zu Jahresbeginn auf der Wasserkuppe enttäuscht worden waren. „Klasse, in der Fulda gibt es wenigstens keine Silikonflecken auf der Kleidung, wenn man mal hinfällt“, freut sich eine Mutter, die ihren vierjährigen Sohn und ihre fünfjährige Tochter an dem Rekordversuch teilnehmen lässt. „Beide können noch nicht schwimmen, aber sie sind richtig gute Schlittschuhläufer“, vertraut die 31-Jährige darauf, dass ihre Kleinen nach 4.800 Metern als Weltrekordler wieder auftauchen.
Um am Sonntag optimale Bedingungen vorzufinden, hat die Stadt entlang der Weltrekordstrecke an der Fulda Hinweisschilder errichtet: „Das Betreten der Fulda mit Schuhen bzw. das Tragen von Schuhen unterhalb der Wasser- bzw. Eisoberfläche ist verboten. Zutritt nur mit Schlittschuhen.“ Die Sorge, dass sich speziell Anfänger unter Wasser ähnlich wie kürzlich auf dem schmierigen Untergrund der Eisbahn auf der Wasserkuppe nicht auf den Beinen halten können, ist nach Angaben des Magistrats unbegründet: „Das Flussbett der Fulda bietet auch schlecht geschliffenen Schlittschuh-Kufen perfekten Halt.“ In den vergangenen Tagen habe man trotz hoher Minusgrade ganz bewusst darauf verzichtet, unter Wasser Salz oder Split zu streuen, um ein optimales Gleiten zu ermöglichen.
Seit gestern trainieren die ersten Athleten in der doch recht frischen Fulda. Nachdem einige mit Erfrierungen ins Krankenhaus gebracht werden mussten, gilt jetzt ein Tempolimit für die Schlittschuh-Schwimmer: Die Veranstalter hatten den Fahrtwind bei höheren Geschwindigkeiten für die Unterkühlungen verantwortlich gemacht. Verletzungsbedingt nicht dabei sein kann am Sonntag leider ein früherer Oberbürgermeister Fuldas. Der 85-Jährige hat eine schmerzhafte Verstauchung bei einer komplexen Sprungkombination erlitten – dem dreifachen Hamberger. (Jochen Wieloch) +++