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Arbeitsagentur finanziert seit November Deutschkurse für Flüchtlinge
11.02.16 - Sie kommen aus Eritrea, Iran, Irak und Syrien. Alle mit dem gleichen Schicksal: aus Angst vor Krieg und Verfolgung lassen sie ihre Heimat hinter sich und flüchten. Nach Westen, nach Deutschland. In der Hoffnung auf eine bessere Welt. Nach einer für uns kaum vorstellbaren Odyssee durch die halbe Welt, bekommen Flüchtlinge hier Schutz. Auch in Osthessen. Um die Integration zu erleichtern, hat die Agentur für Arbeit Bad Hersfeld-Fulda Anfang November Sprachkurse ins Leben gerufen. Am Donnerstagmorgen haben sie zum Pressetermin nach Gersfeld geladen.
An den Standorten in Stadt und Landkreis Fulda haben bisher rund 290 Schutz suchende Menschen Basiskenntnisse in Deutsch erworben. 235 befinden sich in laufenden Kursen. Das Ziel: Innerhalb von acht Wochen werden in maximal 320 Stunden Grundkenntnisse der deutschen Sprache vermittelt. "Es war schnelles und unbürokratisches Handeln gefordert. Denn eine Integration ist ohne berufliche Integration nicht möglich", sagt Waldemar Dombrowski, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda. Den Asylsuchenden soll eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt geschaffen werden, daher sei das Erlernen der Sprache der erste wichtige Schritt. "Die Teilnehmer kommen fünf Stunden täglich von Montag bis Freitag, um zu lernen", sagt Angelika Möller vom Bildungsverein Kreidekreis, der den Deutschkurs in Gersfeld durchführt.
"Es war erst einmal Verunsicherung zu spüren, bei den Teilnehmern und bei mir auch", gibt Susanne Spreng zu. Spreng unterrichtet Deutsch als Fremdsprache und hält gemeinsam mit Helga Blaschek, Frau Gutmann-Friedel und Rudolf Schmitt die Kurse. Besondere Schwierigkeit: "Das sind alles heterogene Gruppen. Wir haben Akademiker dabei oder Leute, die nur sechs Jahre die Schule besucht haben. Sie sind auf ganz verschiedenem Niveau, das ist didaktisch eine große Herausforderung", erklärt Spreng. Ihre "Schüler" seien aber alle sehr motiviert und machen große Fortschritte. Manche Teilnehmer sind bereits seit zwei Jahren in Deutschland, die meisten von ihnen seit wenigen Monaten. So zum Beispiel Nima, der nicht fotografiert werden möchte. Vor fünf Monaten kam er aus der iranischen Hauptstadt Teheran nach Deutschland, seit November lebt er in Gersfeld. Er ist gelernter Schneider und hat als Handwerker und Elektriker gearbeitet. Sein Deutsch ist schon beeindruckend gut, im Kurs möchte er seine Kenntnisse weiter aubauen. "Ich mag Deutschland. Ich möchte arbeiten gehen und die Sprache verbessern", erzählt Nima, der am liebsten wieder als Schneider in seiner neuen Heimat Fuß fassen will.
Großes Potential für den Arbeitsmarkt
"Das Interesse und die Resonanz an unseren Kursen ist groß", sagt Lisa Moises, Bereichsleiterin der Agentur für Arbeit. Eines gelte es aber zu beachten: "Man muss die Lage realistisch einschätzen. Beide Seiten müssen Geduld haben", sagt Moises im Hinblick auf eine mögliche Anstellung eines Flüchtlings. Denn ein erfolgreich absolvierter Sprachkurs reiche nicht, um fit für den Arbeitsmarkt zu sein. "Man darf sie nicht zu früh in ein Praktikum oder in die Berufsschule schicken", hält Möller fest. Daher gebe es ein Drei-Punkte-Programm: ein gemeinsames Arbeitsmarkt-Büro und die Projekte "Perspektive für Flüchtlinge" und "Perspektive für junge Flüchtlinge". Denn in einem sind sich alle einig: die Asylsuchenden bieten ein großes Potential, zumal überwiegend junge Leute nach Deutschland kommen. "In der Region werden händeringend Azubis gesucht. Das ist eine große Chance für uns, die aber auch viel Zeit und Geld kostet", sagt Ulrich Nesemann vom Amt für Arbeit und Soziales. Derzeit werden im Landkreis Fulda 25 Sprachkurse mit 706 Teilnehmern angeboten. 21 Prozent von ihnen seien Frauen, 40 Prozent Menschen unter 25 Jahre. "Das ist vor allem für den Arbeitsmarkt spannend", sagt Nesemann. Finanziert werden die Kurse aus der sogenannten Interventionsreserve. "Das ist ein Topf, aus dem das Geld nicht anderen Personen entzogen wird", betont Waldemar Dombrowski.
Ein wichtiges Kriterium: der Kurs soll immer in der Nähe der Unterkunft stattfinden. Lehrerin Susanne Spreng stehen Lernmittel und Zusatzmaterial zur Verfügung. "Die Hälfte der Teilnehmer ist der lateinischen Schriftsprache nicht mächtig", zeigt Spreng eine weitere Herausforderung auf. Bei einigen müsse daher mit einem Alphabetisierungs-Kurs begonnen werden. Aber auch auf praktische Einheiten legt Spreng Wert. "Wir waren letztens im Bahnhof am Fahrkarten-Automat." Demnächst soll eingekauft, gekocht und zum Arzt gegangen werden. "Sie sollen lernen, wie man sich im Alltag richtig ausdrückt", so Spreng. Die Teilnehmer am Donnerstag sind zum Beispiel gelernter Mathe-Lehrer, Buchhalterin oder haben in der Textilbranche gearbeitet. In Deutschland träumen sie von einer neuen Perspektive - als Flugzeugmechaniker, Altenpflegerin oder Lkw-Fahrer. Der Sprachkurs soll der erste Schritt sein, aus der Hoffnung auf eine bessere Welt Realität werden zu lassen. (Tobias Herrling) +++