Von geschlachteten Schwänen und vergewaltigten Kindern: hoaxmap.org

18.02.16 - Asylbewerber schlachten Pferde, Schafe, Hunde und Schwäne. Flüchtlinge rauben Supermärkte so lange aus, bis sie schließen müssen - von Überfällen, Schlägereien und Vergewaltigungen mal ganz abgesehen. Diesen verschärften Eindruck muss ein Unbedarfter gewinnen, wenn er so kühn ist, solchen Hinweisen auf Facebook und Co ohne Überprüfung zu glauben.

Eins ist klar: Flüchtlinge begehen auch Straftaten, denn sie sind Menschen. Falsch verstandene Rücksichtnahme auf ihr mehrheitlich schweres Schicksal hat in der allgemeinen Berichterstattung sicher vereinzelt dazu geführt, tätlichen Auseinandersetzungen in den Notaufnahmen und Unterkünften keinen allzugroßen Stellenwert einzuräumen. Logisch, dass es dort zu Konflikten kommt, wo allzu viele teilweise schwer traumatisierte Menschen auf engem Raum zur Untätigkeit gezwungen sind. 

Sobald aber Straftaten begangen werden, wird berichtet - völlig unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft eines Täters. Dennoch halten sich hartnäckig Gerüchte über schlimme Gräueltaten, die umso schauriger ausfallen, je weniger Wahrheitsgehalt sie haben. Wie wahrscheinlich ist zum Beispiel das vor ein paar Monaten in Fulda kolportierte Gerücht, ein Lebensmittelhändler, dessen Laden in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft liegt, müsse wegen der unausgesetzten Ladendiebstähle jede Woche Inventur machen und bekomme die gestohlenen Waren selbstverständlich sofort vom Staat ersetzt - also im Klartext: Flüchtlinge klauen angeblich zu Lasten aller armen Steuerzahler? (Der Ladeninhaber selbst sah sich schließlich genötigt, die Falschmeldungen bei Facebook als völlig haltlos und frei erfunden zu entlarven.)

Löhertorrunine bald Unterkunft für 6.000 Flüchtlinge?

Und das leerstehende Löhertorcenter wird bald Flüchtlingsunterkunft für 6.000?? ...

Massenvergewaltigungen, spurlos verschwundene Kinder, geschlachtete Haustiere oder eine übergroße Zahl nächtlicher Überfälle geistern durch die sozialen Netzwerke und werden offenbar noch weiter gepusht, bevor sie geteilt werden. Auch die Redaktion von O|N bekam schon häufiger - meist anonyme - Hinweise oder Anfragen in der Art von "Warum berichtet Ihr denn nicht von dieser Messerattacke?" oder wie erst kürzlich: "Aus dem ehemaligen Löhertorcenter wird ja eine Notunterkunft für 6.000 (!) Flüchtlinge - warum liest man nichts darüber???"

Einer jungen Leipzigerin gingen die dauernden Falschmeldungen so auf die Nerven, dass sie sich in ihrer Freizeit hinsetzte und eine eigene Seite mit Faktenchecks erstellte. Seit dem 8. Februar ist die Seite  http://hoaxmap.org/ online und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Fast 300 Gerüchten von A wie"Asylsuchender schneidet Mädchen nach Vergewaltigung ein Ohr ab" bis Z wie Zechprellereien aller Art wird hier auf den Grund gegangen. Unter dem jeweiligen Ort ist das Gerücht mit dessen Faktencheck abrufbar, das heißt, die Berichterstattung der lokalen Medien und/oder der entsprechende Polizeireport dazu. Manches ist so absurd wie "Das Land Bremen verteilt wegen vermehrter sexueller Übergriffe Bordellgutscheine an Geflüchtete". Was soll man dazu noch sagen?

Die Region Osthessen ist bisher "nur" mit Rotenburg/F. vertreten: auch die Meldung "Edeka-Markt in Rotenburg muss wegen Diebstählen durch Geflüchtete schließen" erweist sich beim Faktencheck als frei erfunden. Die Seite erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bittet ausdrücklich um die Meldung weiterer Schauergeschichten, die regional durchs Netz wabern. Ergänzungen können gern an [email protected] oder @hoaxmap auf Twitter gemeldet werden. +++ Carla Ihle-Becker