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Volker Qasir (rechts) vor dem Ausweichquartier - Fotos: Hans-Hubertus Braune

FULDA "DEN Islam gibt es nicht!"

Sunnah-Moschee an alter Ahmadiyya-Gebetsstätte: "Distanzieren uns strikt"

25.03.16 - Anfang des Jahres bekam die Fuldaer Ahmadiyya-Gemeinde ein Schreiben ihres Vermieters. "Leider müssen Sie ihren Gebets- und Treffpunkt in der Von-Schildeck-Straße 1a zum 1. März verlassen", stand darin. Von einer Umfunktionierung zur Flüchtlingsunterkunft war die Rede. Faktisch ist aber vor drei Wochen die Sunnah-Moschee eingezogen, die derzeit unter Verdacht steht, Glaubenskrieger für den Islamischen Staat zu werben. "Davon möchten wir uns strikt abgrenzen. Wir haben mit Salafisten nichts am Hut. Die Leute kennen die Ahmadiyya-Gemeinde als friedlebend und so soll es auch bleiben - wir möchten nicht verwechselt werden, weil andere Gläubige an unserer alten Wirkungsstätte in Verruf geraten", sagt der Vorsitzende der Jugendorganisation der Gemeinde.

In diesem Gebäude ist nur wenig Platz

"Die Sunnah-Moschee macht auch kein Geheimnis daraus, dass sie dem Salafismus angehören - wir wollen keine andere Gemeinschaft schlecht reden. Letztlich sind wir alle Muslime. Außerdem sorgt die Sunnah-Moschee schon selbst dafür", ergänzt Volker Qasir, Pressesprecher der Ahmadiyya-Gemeinde. Auf der Sunnah-Webseite heißt es in der Rubrik "Über uns": Unser wichtigstes Anliegen ist allerdings, Allah, dem Allmächtigen, der uns alle erschaffen hat, einzig und allein so zu dienen [...] mit dem Verständnis der drei rechtschaffenen Generationen (Salaf as-Salihiin).

"Damit berufen sie sich auf die drei ersten muslimischen Generationen und behaupten von sich selbst, den echten, ursprünglichen Islam zu leben", erklärt Qasir, der Islam-religionslehrer ist, "der Salafismus vergewaltigt aber den Islam, entreißt dem Glauben das Herz. Sie behandeln den Koran viel zu oberflächlig, bezeichnen sich als die einzig Wahren, weil sie Bärte und Gewänder tragen, wie zu den Zeiten des Propheten Mohammed."

"DEN Islam gibt es nicht!"

Für den deutschen Ottonormalverbraucher sei die Materie nur schwer zu durchdringen. Qasir könne auch Befürchtungen und gar Angst nachvollziehen: "Es gibt nicht DEN Islam. Er ist in über 70 Strömungen aufgeteilt. Eigentlich ist Koran aber sehr tolerant und akzeptiert auch andere Glaubige, solange sie ehrlich und rechtschaffend durch ihr Leben gehen." Gott habe laut Koran absichtlich verschiedene Glaubensrichtungen erschaffen, damit die Menschen im Glauben an Gott wetteifern können. "Einige Gläubige mit extremen Gedanken werfen dann leider ein schlechtes Licht auf den Rest - die jüngsten Anschläge in Brüssel sind das beste Beispiel. Man trifft sich mit Menschen, klärt auf, schafft Verständnis und schon ist alles wieder kaputt."

Wörtlich übersetzt, bedeutet Muslim "derjenige, der Gott ergeben ist".  "Somit sind letzlich alle gottergebenen Menschen quasi "Muslime", egal ob formell Jude, Christ, Buddhist, etc." "Daher kann ich auch nicht verstehen, wie man in den Koran etwas anderes hineininterpretiert. Salafisten sagen dann, das habe zu Zeiten Mohammeds gegolten. Heute müsse man das alles neu interpretieren", ärgert sich Qasir.

Gerade in der aktuellen Flüchtlingskrise mit über 1 Million Geflüchteten allein in Deutschland sorgen extreme, konservative und fundamentalistische Interpretationen des Islam für Angst vor dem Islam und Vorurteilen gegenüber einer kompletten, zumeist friedlichen und integrierten, Bevölkerungsgruppe: "Nach den Vorfällen in Köln kamen im Frannkfurter Hauptbahnhof drei ältere Damen auf mich zu und beschimpften mich", erzählt er, der selbst pakistanische Wurzeln hat, " 'fass uns bloß nicht an' und 'geh dahin zurück, wo du herkommst' haben sie durch die Bahnhofshalle geschriehen. Ich hatte wirklich Angst.

95 Prozent, wahrscheinlich noch viel mehr, der Muslime sind in Deutschland bestens integriert. Sie sprechen Deutsch, sehen Deutschland als ihre Heimat an - Anschläge sind jedes Mal aufs Neue ein Schlag ins Gesicht. Jedes Mal werden aufs Neue Angst und Vorurteile gestärkt", sagt er. Es sei noch viel mehr Arbeit der Gemeinden nötig, um auf Menschen zuzugehen, den Islam verständlich zu erklären und Barrieren zu brechen. "Da müssen wir uns vielleicht auch selbst an die eigene Nase fassen", vermutet Qasir, "es wird schon etwas zur Aufklärung und Verständigung getan, aber es könnte noch viel mehr sein."

Neuer "vorläufiger Treffpunkt" in der Edelzeller Straße

An der Sunnah-Moschee - dem alten Treffpunkt - sind Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde jedenfalls nicht zu finden. "Noch einmal: Wir distanzieren uns und hoffen, dass Fulda uns weiterhin als friedliche und engagierte Gemeinde kennt", sagen beide unisono. Auf dem Grundstück in der Edelzeller Straße, auf dem die Moschee dieses Jahr noch gebaut werden soll, hat man eine Interimslösung gefunden. "Wir haben uns in dem Bestandsgebäude dort eingerichtet - es ist aber viel zu klein, weswegen wir noch einige Container aufstellen werden. Und dann werden wir endlich in unsere eigene Moschee umziehen dürfen." (Julius Böhm) +++


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