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Schotter, Sand und Staub: Steffen RAHN Vize-Weltmeister der GS Trophy
15.03.16 - Seine Haut ist gebräunt. Er sieht erholt aus. Kein Wunder, ist er doch vor wenigen Tagen erst aus seinem Urlaub zurückgekehrt. Die Strapazen, die Steffen Rahn zuvor auf sich genommen hatte, sind ihm nicht mehr anzusehen. Steffen Rahn ist Motorradfahrer und nahm im März an der BMW GS Trophy in Thailand teil – mit Erfolg. Mit seinen zwei Teampartnern Peter Kopf (Schwandorf) und Jens Andres (Lichterfelde) holte der Fliedener den zweiten Platz und darf sich jetzt Vize-Weltmeister nennen.
Denn die GS Trophy, eine Enduro-Challenge, ist so etwas wie die Rallye Dakar für Amateure. Mit einem großen Unterschied: „Es wird enorm auf die Sicherheit der Fahrer geachtet. Im Enduro-Sport fährt man eh keine großen Geschwindigkeiten, aber vom Veranstalter wird das Risiko bewusst minimiert“, erzählt Rahn. Schwere Unfälle oder gar Todesfälle – wie sie bei der Rallye Dakar jährlich passieren – könne sich diese Challenge nicht erlauben. Denn schließlich sei die Trophy auch eine große Marketing-Kampagne der bayerischen Motorenwerke.
Es gibt aber weitere Unterschiede. Denn die GS Trophy ist vielmehr ein großes Abenteuer als ein Gewinnenwollen um jeden Preis. „Das Tolle ist: Geld spielt keine Rolle. Es geht nur um Sport, Ruhm und Ehre. Das hat für eine lockere Atmosphäre unter den Teams gesorgt“, beschreibt der 34-Jährige seine Erfahrungen. An sieben Fahrtagen mussten Strecken zwischen 150 und 200 Kilometern zurückgelegt werden, zusätzlich gab es pro Tag zwei, drei Sonderprüfungen, die von den Teams absolviert werden mussten. „Da ging es viel um Geschicklichkeits-Tests oder Teamgeist-Übungen“, so Rahn. So musste beispielsweise eine Strecke von 100 Metern so langsam wie möglich - ohne den Fuß abzusetzen - bewältigt werden. An jedem Tag waren zwei Teams um Chiang Mai im Nordwesten Thailands unterwegs, geführt von einem Marshall.
„Nachdem man immer in Zweier-Teams unterwegs war, gab es viele Berührungspunkte, und man hat sich unterhalten. Das war wirklich ganz toll“, sagt Rahn über die interkulturelle Komponente der Trophy, bei der sich auch mit Land und Leuten beschäftigt wurde. Und: „Jeder hat jedem geholfen.“ Abends, am Ende eines Fahrtages, saßen die 19 Teams, die aus allen Ecken der Erde kamen, noch zusammen. Eine große Familie statt Konkurrenten. „Es war wirklich ein großes Abenteuer, die Erfahrung ist unbezahlbar“, sagt Rahn, der sich im letzten Jahr als einer der drei besten Deutschen für die Trophy qualifiziert hatte, bei seiner ersten Teilnahme. „Meine Freunde haben mich gefragt: ‚Bist du dir sicher, dass du das schaffst?‘ Ich habe nur gesagt: ‚Klar, ich mache das ja quasi täglich‘“, erzählt Steffen Rahn, der einen großen Vorteil hatte: Seit Jahren arbeitete er als Motorrad-Fahrlehrer und konnte viele Übungen in seinen beruflichen Alltag integrieren.
„Das war für mich ein Privileg, als reiner Motorrad-Fahrlehrer zu arbeiten“, sagt Rahn, der nach 12 Jahren eine neue berufliche Herausforderung angenommen hat: im Bundesamt für Güterverkehr in Bad Hersfeld wird der Fliedener künftig als Mautkontrolleur arbeiten, die Ausbildung zum Kraftverkehrsmeister hat er vor einiger Zeit absolviert. „Ich sehe mich nicht bis zur Rente auf dem Motorrad als Fahrlehrer. Aber ich möchte auch nicht ausschließen, dass ich das in ein paar Jahren wieder mache“, begründet Rahn, der ursprünglich aus Petersberg-Marbach stammt, seinen beruflichen Tapetenwechsel.
Woher seine Leidenschaft für das Motorrad kommt? „Ich bin schon als Kind viel Rennrad und Fahrrad gefahren. Das war dann die nächste Stufe“, sagt Rahn lachend, der zwar auch ein Auto besitzt, aber eher ungern damit fährt. „Mich fasziniert am Motorradfahren, dass man sofort auf einer Kommunikations-Ebene mit anderen Leuten ist, wenn man steht. Das ist beim Autofahren anders, da ist jeder in seinem eigenen Kosmos“, erzählt Rahn, der privat eine BMW F 800 GS aus dem Baujahr 2010 fährt – mit dem historischen Stand von 120.000 Kilometern, wie er lachend festhält. „Damit bin ich schon vier Wochen an der Schwarzmeer-Küste entlang gefahren, durch die Türkei und Georgien“, erzählt Rahn, dessen erste Maschine mit 16 Jahren eine 80er Yamaha DT 80 war. „Während andere in dem Alter in ihrer Umgebung fahren, bin ich damit dann gleich zum Bodensee gefahren und habe meinen Opa besucht“, erinnert sich der 34-Jährige, dessen Leidenschaft für das motorisierte Zweirad nur bedingt geteilt wurde. „Meine Eltern waren skeptisch. Meine Mutter, eine Lehrerin, hat mal gesagt, als ich für die theoretische Prüfung gelernt habe, hat sie mich das erste Mal lernen sehen“, erzählt Steffen Rahn lachend aus seiner Jugend.
Mit seinen beiden Teamkollegen Peter Kopf und Jens Andres wurde Steffen Rahn bei der Trophy Zweiter hinter dem Team Südafrika – einen kleinen negativen Aspekt gab es dennoch: Eine Sonderprüfung, bei der Rahn und seine Kollegen und das Team England auf Südafrika hätten aufholen können, wurde aus der Wertung genommen. „Das war natürlich ärgerlich, aber wir waren am Ende 30 Punkte hinter Südafrika und hätten mit der Wertung noch immer zehn Rückstand gehabt. Von daher ist alles gut“, mag sich Rahn nicht mehr ärgern. Dass Team Deutschland, über das am 24. April (13:05 Uhr) eine Reportage auf ProSieben Maxx gezeigt wird, auf Rang zwei landete, lag auch an den beiden Internet-Votings, bei dem die besten Fotos gewählt wurden. „Da wurden wir zweimal Vierter und haben viele Punkte geholt. Das lag aber auch daran, dass wir vorher kräftig die Werbetrommel gerührt hatten“, schmunzelt Rahn, der schon die nächste Challenge im Blick hat: Am 2. April startet er beim 1. Rodgau Enduro Wanderpokal.
In Deutschland angekommen, wurde im Vorfeld schon an einer Überraschung für Steffen Rahn gearbeitet: ein Empfang für den Vize-Weltmeister aus Flieden-Katz. „Der Schwiegervater in spe und ein Nachbar haben das organisiert. Es war super“, sagt Rahn, der mit seiner Freundin im August Nachwuchs erwartet. Nach der Trophy kam sie nach Thailand geflogen, um mit ihrem Freund zwei Wochen Urlaub im Süden dran zu hängen. Es ging nach Khao Lak und Phuket – Regionen, die beim Tsunami 2004 besonders schwer getroffen wurden. „Dort stehen viele Denkmäler, und Museen zeigen die Dimension des Unglücks auf“, sagt Steffen Rahn, der die zwei Wochen zum Erholen genutzt hat. Er hatte es sich redlich verdient. Der Vize-Weltmeister aus Flieden-Kautz. (Tobias Herrling) +++