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Flüchtlinge im Handwerk: Eine Bereicherung für beide Seiten
22.04.16 - Zerray ist 20 Jahre alt. Seit acht Monaten lebt sie in Deutschland, aus ihrem Heimatland Eritrea ist sie geflohen. Die Stadt Fulda, in der sie jetzt wohnt, findet sie sehr schön. Und all das kann Zerray heute schon in nahezu perfektem Deutsch erzählen. Das Mädchen ist eine von insgesamt rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Integrationsprojekts im Bildungszentrum Bau Osthessen (BBO). "Eine gestufte Integrationskette", nennen es die Verantwortlichen selbst. Die Geflüchteten erhalten hier einen individuell auf jeden einzelnen abgestimmten Mix aus Sprachunterricht, allgemeinbildendem Unterricht, praktischem Arbeiten in Lehrwerkstätten und betrieblichen Praktika. Das Ziel: Integration in den Arbeitsmarkt.
Und wenn dieses Ziel erreicht ist, dann ist auch die Integration in die Gesellschaft nicht mehr weit. "Arbeit vermittelt Dazugehörigkeit, Anerkennung, man lernt die Sitten und Gebräuche des neuen Lands kennen", brachte es SPD-Bundestagsabgeordnete Birgit Kömpel am Donnerstagabend auf den Punkt. Das BBO hat geladen, um seine Aktivitäten und Konzepte zur Integration von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vorzustellen. Als die Agenur für Arbeit im Oktober letzten Jahres mit Sprachkursen begann, machte das BBO mit. "Damals haben wir gemerkt, dass wir die Geflüchteten weiter fördern wollen", erinnert sich der stellvertretende Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Dr. Herbert Büttner.
Also stellte man weitere Sprachlehrer ein und begann, den Flüchtlingen allgemeinbildenden Unterricht und die Möglichkeit der Arbeit in Lehrwerkstätten zu bieten. Aber nicht, ohne sie vorher einen Kompetenztest machen zu lassen, damit man homogene Gruppen gründen konnte, die vom Niveau gleich auf sind. In der großen Lehrbauhalle des BBO können sie unter anderem die Arbeit mit Holz austesten, und in den Beruf des Fliesenlegers reinschnuppern. Berufe aus dem Handwerk, in dem im vergangenen Jahr mehrere tausend offene Stellen gemeldet wurden. "Jeder Ausbildungsplatz, den wir jetzt nicht besetzen, fehlt uns später bei den Fachkräften", hieß es vom Bundestagsabgeordnetetn Michael Brandt.
Eine Bereicherung für beide Seiten also. Die geflüchteten Menschen besetzen offene Stellen und haben auf diese Weise eine Aufgabe, nach der sich viele von ihnen sehnen. "Die Flüchtlinge leisten durch ihre Arbeit einen Beitrag zur Gesellschaft, und der Meister findet vielleicht genau den Lehrling, den er schon immer gesucht hat", fasste Kömpel zusammen. Und das Ganze habe noch einen weiteren Vorteil, findet sie: "Eine Ausbildung im Handwerk bedeutet, vom Meister zu lernen. Und dieser kann ein Vorbild für die jungen Männer sein, eine Bezugsperson, die ihnen deutsche Sitten und Gebräche vermittelt." Dabei handele es sich um Kleinigkeiten, die aber nicht minder wichtig seien: Zum Beispiel, dass hierzulande auch eine Frau Chefin sein kann.
Landrat Bernd Woide lobte vor allem die Tatsache, dass sich das BBO auch dafür engagiert, dass die Teilnehmer des Integrationsprojektes auch Kontakt zu Betrieben bekommen. "Sie hier gut auszubilden und auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, macht nämlich nur Sinn, wenn wir ihnen auch Bleibeperspektiven im Landkreis aufzeigen." An der Stadt selbst kann das Bleiben schon mal nicht scheitern. Denn die, so hat Zerray zu Beginn ja schon festgestellt, ist schön. "Das Potential, dass die jungen Frauen und Männer mitbringen ist enorm. Sie sind engagiert und intelligent", bekräftigte Stephan Bernhard, Leiter der Lehrbauhalle (Suria Reiche). +++<