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Computervater ZUSE liefert Konzept für moderne nichtblendende LED-Scheinwerfer
27.04.16 - Intelligente LED-Scheinwerfer erkennen entgegenkommende Autos, reagieren darauf und verhindern, dass der Gegenverkehr geblendet wird. Klingt nach Zukunftsmusik, ist aber eine Erfindung von Konrad Zuse aus dem Jahr 1958. Damals fehlte die Technologie, um dieses moderne Scheinwerferkonzept umzusetzen. Heute, mehr als 50 Jahre später, hat es Daimler zur Marktreife gebracht. Bei den dritten Hünfelder Gesprächen über Informatik haben die Daimler-Mitarbeiter Dr. Jörg Moisel, Fachreferent für Lichttechnologien, und Dr. Axel Müller, Entwickler für Ansteuerungselektronik für Pixelscheinwerfer, am Dienstag 150 interessierten Gästen im Alten Lokschuppen das Konzept näher gebracht.
Die meisten der Anwesenden wussten nicht, welche Scheinwerfertechnologie ihr Auto einsetzt. Halogen, Xenon oder doch LED? „Xenon, so viel kann ich Ihnen verraten, wird aussterben. LED gehört die Zukunft“, verrät Moisel. Besonders dem Teilfernlicht werde zukünftig große Bedeutung zu Teil. „Das ist der heilige Gral der automobilen Lichttechnik.“ Die Idee dahinter ist es, möglichst viel Licht zu erzeugen, ohne den Gegenverkehr zu blenden. Das realisiert Daimler mit dem sogenannten MULITBEAM LED-Scheinwerfer. Diese funktionierten ähnlich einem Diaprojektor und verfügten daher auch über Linsen statt Reflektoren. „Eine Kamera erkennt den Gegenverkehr, übermittelt die Informationen an die Scheinwerfer, die entgegenkommende Autos wiederum aus der Lichtquelle ausblenden.“ Licht werde hier auf Basis von Pixeln beziehungsweise LED’s erzeugt. Ein Scheinwerfer verfüge über insgesamt 84 dieser LED-Pixel, die für das Abblend- und Fernlicht zuständig sind. „Das ist eine clevere Idee, die wir uns patentieren lassen wollten. 2009 haben wir dann erfahren, dass Konrad Zuse schon viel früher auf dieses Konzept gekommen ist.“
Doch warum hat sich Zuse, der ja vor allem für Computertechnik bekannt ist, mit Autoscheinwerfern beschäftigt? Das sei mit dem technischen Fortschritt des Automobils zu erklären. „Autos wurden mit der Zeit immer schneller. Folglich mussten die Fahrer auch immer weiter und immer mehr sehen. Die Scheinwerfer wurden stärker. Die Gefahr geblendet zu werden stieg rapide.“ Doch Zuse konnte seine Idee aufgrund mangelnder technischer Möglichkeiten nicht verwirklichen. Erst die Erfindung leuchtkräftiger weißer LED’s durch den japanischen Wissenschaftler Shuji Nakamura machte dies möglich. Zur Steuerung der modernen Scheinwerfer ist die Informatik essenziell. „Auch hier hat Zuse durch die Präsentation des weltweit ersten Computers 1941 den Grundstein für eine damals kaum vorstellbare Entwicklung gelegt“, ist sich Professor Wolfgang Karl, Vorsitzender der Zusegesellschaft sicher.
„Konrad Zuse ist allgegenwärtig in unserem alltäglichen Leben, nicht nur in Hünfeld. Die Mehrheit der Menschen auf der Welt nutzt fast täglich technische Anwendungen, die auf Zuses geniale Erfindungen zurückgehen, ohne dass sein Name immer ein Begriff ist“, ist sich Hünfelds Bürgermeister Stefan Schwenk über Zuses Bedeutung auch heutzutage sicher.
Müller ergänzt, dass bereits mit der Einführung von Steuergeräten erste Zusepatente Einzug in das Auto gehalten hätten. Die Lichttechnik sei seitdem konsequent weiterentwickelt worden. „Beim MULITBEAM LED-System setzen wir eine Kamera ein, die Informationen zur Umgehung mittels eines Signals an die Scheinwerfer überträgt. In Zukunft soll es sogar möglich sein, nur das Gesichtsfeld des Fahrers auszusparen. Das Auto selbst kann dann angestrahlt werden.“ Daimler teste zudem bereits Scheinwerfer mit 1.000 statt 84 Pixeln.
Doch was passiert, wenn die Kamera ausfallen sollte? Das sei kein Problem versicherten Müller und Moisel. In einem solchen Fall schalte das System wieder auf manuelle Bedienung um. Auch vor Rehen und anderen Wildtieren werde der Fahrer durch eine Wärmebildkamera gewarnt. (Toni Spangenberg) +++