Archiv
Dirk Deussen, Inhaber des Café Törtchen, hatte in Fulda als erster die Idee zum "Kaffee zum Aufschieben". - Fotos: Toni Spangenberg

FULDA "Kaffee zum Aufschieben" im Café Törtchen

Dirk DEUSSEN: "Die Idee muss in Fulda noch mehr Freunde finden"

19.05.16 - „Kaffee zum Aufschieben“? Was ist das denn? Im Fuldaer Café Törtchen gibt es die einzigartige Aktion seit März. Bisher sind sie die Einzigen in der Domstadt. Was es damit auf sich hat, welchem Zweck die Aktion dient und welcher tiefere Sinn dahinter steckt, hat Dirk Deussen (48), Inhaber des Cafés, im Interview mit OSTHESSEN|NEWS verraten.


Hallo Dirk. Was verbirgt sich denn hinter dem Konzept „Kaffee zum Aufschieben“?

Die Sache ist so. Du kannst reingehen, kaufst einen Kaffee für dich, bezahlst aber zwei. Und für den zweiten machen wir dann einen Strich auf eine Tafel. Und dann kommen Leute, die sich den Kaffee nicht leisten können und bekommen "Deine" Tasse dann gratis. Du spendierst quasi dem Nächsten einen Kaffee.

Was für Getränke kann der Kunde denn aufschieben?

Cappuccino, Schokolade und Kaffee können aufgeschoben werden.

Was ist das Besondere daran?

Ist das denn was Besonderes? Also die Idee kommt - glaube ich - aus Österreich. Dort gibt es das fast in jedem Café. In Würzburg gibt es auch viele Cafés, die das machen. Da haben wir uns gedacht, wir probieren das auch mal hier in Fulda aus. Vielleicht schließen sich uns ja auch noch andere an. Wir wollten da etwas anstoßen. Meistens spendieren wir dem Gast auch noch einen Cookie. Gerade die älteren Leute freuen sich dann richtig. Die sind dann richtig happy. Aber bis jetzt sind wir noch die einzigen (lacht). Die Idee hat in Fulda noch nicht so viele Freunde gefunden.

Dirk Deussen trägt einen "Kaffee zum Aufschieben" auf der Tafel ein.

Bei anderen Bäckereien ist die Idee des Kaffee zum Aufschieben also noch nicht auf offene Ohren gestoßen?

Ich glaube, die haben ein bisschen Angst, dass sie das‚ gediegene Publikum‘ verscheuchen (lacht). Aber das ist Blödsinn. Das passiert nicht.

Die Idee kommt also aus Österreich. Hast Du dir das dort abgeschaut? Wie bist Du darauf gekommen?

Ich hatte das schon immer im Kopf gehabt. Ich habe viele Freunde in Wien und die haben mir immer gesagt, dass ich das mal machen muss. Und dann ist das irgendwann so ins Rollen gekommen. Eigentlich wollte ich ja, dass alle mitmachen. Aber wie gesagt, andere finden das vielleicht weniger gut. Das ist eben so.

Welchem Zweck dient die Aktion? Was ist Dein Anliegen dahinter?

Normalerweise ist es ja ein mitmenschliches Anliegen: Zahl zwei, nimm einen mit. Mein Anliegen ist aber eher ein anderes. Ich hatte vorher schon andere Cafés. Was immer wieder passiert ist, dass ein Café irgendwann ein ganz bestimmtes Klientel hat. Das ist so geschlossen. Ich finde aber ein Café sollte ein Ort sein, an den jeder kommen kann, an dem eine Begegnung stattfinden kann. Wenn ich in ein Café gehe, will ich doch auch andere Leute treffen und sehen. Und das funktioniert auch. Es ist schon ein paar Mal passiert, dass sich jemand einen Kaffee zum Aufschieben holt und bei anderen an den Tisch setzt. Das ist total schön. Ich finde es wichtig hier ein gemischtes Publikum zu haben und keine geschlossene Gesellschaft.

Zu einem aufgeschobenen Kaffee gibt es einen Cookie gratis dazu. Der geht aufs Haus. ...

Ab 6:00 Uhr morgens können sich Gäste ihren Kaffee abholen.

Wie lange gibt es die Aktion schon?

Die Aktion läuft ja erst seit drei Monaten und bleibt auch dauerhaft. Meistens ist es bisher so gewesen, dass sich viele einen Kaffee To-Go holen. Jetzt, wo es aber ein bisschen kälter war, sind auch einige im Café geblieben und haben sich reingesetzt. Das will ich eigentlich auch.

Welche Leute nehmen das Angebot in Anspruch?

Alleinerziehende Mütter, Pfandflaschensammler, ältere Leute, die kein Geld haben, sich einen Kaffee zu kaufen. Das sind so die Gruppen. Das sind alles ganz normale Menschen mit normalen Umgangsformen. Sie sind höflich bedanken sich. Manche bringen sogar ihre Tasse selbst wieder zurück. Wir stellen uns einen Bedürftigen vielleicht mit zerfetzten Hosen oder Lumpen vor. Das ist aber nicht so. Die Menschen sind genauso wie du und ich. Fertig.

Wenn man den Menschen nicht ansieht, ob sie bedürftig sind, besteht dann nicht die Gefahr, dass sich jemand einen Gratis-Kaffee erschleicht, den er eigentlich selbst bezahlen könnte?

Ich vermute nein. Ich hab den Leuten jetzt nicht in das Portmonee geschaut, ob da die 2,50 Euro drin sind (lacht). Die Leute, die das in Anspruch nehmen sind in der Regel sehr zurückhaltend. Am Anfang bin ich auch einige zugegangen. Einige waren dann auch etwas zurückhaltend und haben gefragt, ob der Kaffee denn etwas kostet. Dann hab ich denen die Aktion erklärt.

Bisher gibt es den "Kaffee zum Aufschieben" in Fulda nur im Café Törtchen. ...

Wie nehmen die Leute das an? Kommt da häufig jemand?

Ja, mittlerweile schon. Das hat sich gut eingependelt. Ich hatte natürlich anfangs auch die Befürchtung, dass das hier eine Wärmestube oder eine Art Heilsarmee wird (lacht). Die Mitarbeiter waren auch etwas skeptisch. Aber ich hab mir gedacht, ich lasse es mal laufen und schaue, was passiert. Viele kommen schon vormittags. Ich mach dann ein Käffchen. Das ist alles sehr angenehm. Ich hab auch gesagt: ‚Lasst uns das etablieren.‘ Wenn jeder mitmacht, ist das ja auch etwas Schönes für die Stadt. Das ist toll, auch für die Touristen, die hierher kommen. Das ist eine schöne Seite einer Stadt. Es ist blöd, wenn man überall Geld bezahlen muss und ständig konsumieren soll.

Bezahlen denn viele Gäste einen zusätzlichen Kaffee?

Also wir sprechen die Leute nicht darauf an. Es sind meistens immer dieselben, die das machen. Was ich übrigens ziemlich interessant finde ist, dass es häufig sehr junge Leute sind – Studenten und Schüler. Es sind also häufig Menschen, die selbst nicht viel Geld haben. Wir haben hier auch Publikum, das mit einem Audi und Mercedes vorfährt. Von denen ist bisher noch keiner auf die Idee gekommen einen Kaffee aufzuschieben, obwohl sie das wissen. Ich möchte das allerdings nicht bewerten.

Gibt es auch Kritiker?

Bis jetzt gibt es keinen einzigen. Niemand hat bisher gesagt, dass er die Idee blöd findet – überhaupt nicht.

Vielen Dank für das nette Gespräch. (Toni Spangenberg) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum
Cookie-Einstellungen anpassen

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Whatsapp
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön