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Milchbauern aus der Region beim Agrargipfel in München
09.06.16 - Ministerpräsident Horst Seehofer und der bayerische Staatsminister Helmut Brunner zeigten beim Agrargipfel am Montagnachmittag in München Verantwortung und Entschlossenheit, um zu einer schnellen Krisenlösung für den Milchmarkt zu kommen. Sie bekräftigten mit Adresse an Bundesminister Christian Schmidt, die Notwendigkeit wirksamer Mengenmaßnahmen für den EU-Milchmarkt.
Erleichtert und hoffnungsvoll präsentierten sich die Milchviehhalter, die mit über 200 Schlepper nach München gekommen waren, am späten Nachmittag angesichts des Verlaufs und der Ergebnisse des Agrargipfels, zu dem Ministerpräsident Horst Seehofer in der Staatskanzlei geladen hatte. Die rund 2.000 Milchviehhalter - darunter als am weitesten angereist, ein Bus mit 46 Milchbauern aus der Region Vogelsberg, Fulda und Bad Hersfeld - hatten vor Beginn des Gipfels in einer gleichermaßen lautstarken wie friedlichen Demonstration Ministerpräsident Seehofer aufgefordert, die Milch gemeinsam mit dem bayerischen Staatsminister Helmut Brunner zur Chefsache zu machen. „Schluss mit Aussitzen! Politik muss jetzt handeln!“ lautete eine zweite Forderung der Milchbauern, die demonstrativ sitzend bis zum Schluss auf die Ergebnisse dieses Gipfels warteten.
Um wirksam Mengen aus dem Markt zu nehmen und die Krise schnellstmöglich zu beenden, fordere Bayern von der EU ein Maßnahmenpaket in einer Größenordnung von einer Milliarde Euro, vor allem für Liquiditätshilfen, die zwingend an die Bedingung gekoppelt werden, die Milcherzeugung zu reduzieren. Eine klare Absage erteilte Staatsminister Brunner dem Warten auf mögliche Branchenlösungen auf freiwilliger Basis. Er habe in den vergangenen Monaten jede Branchengläubigkeit verloren, äußerte Brunner mit Blick auf das Verhalten der Molkereiwirtschaft. Aus dieser Erkenntnis heraus soll die EU aufgefordert werden, in dieser bereits weit fortgeschrittenen Krisensituation eine zeitlich befristete, entschädigungslose Mengenbegrenzung umzusetzen, um die Markterholung zu beschleunigen.
Einig war man sich in der Runde, dass neben Akutmaßnahmen auch strukturelle Veränderungen in der Beziehung zwischen Molkereiwirtschaft und Milcherzeuger notwendig sind. „Wir halten das Signal aus Bayern für sehr, sehr wichtig, um in der Umsetzung einer wirksamen Krisenlösung entscheidende Schritte weiterzukommen. Wir werden von unserer Seite alles dafür tun, damit dieser Schwung nicht wieder dadurch verpufft, dass von Seiten der Verbände der Molkerei- und Ernährungsindustrie und des Bauernverbands Druck ausgeübt und gebremst wird“, zog Romuald Schaber Bilanz.
Wie blank die Nerven liegen, hatte sich bereits gezeigt, als Bayerns Agrarminister Helmut Brunner vor dem Gipfel zu den Demonstranten ging. Als er von einem provisorischen Podium zu den Landwirten spricht, stürmte eine Milchbäuerin aus dem Landkreis Landshut, nach vorne. „Schamt’s eich. Pfui Deifi“, schrie sie. Dann schüttete sie im heftigen Schwung zwei Kannen aus, die eine mit Milch, die andere mit einer rötlichen Flüssigkeit gefüllt, Symbol für das Blut der Bauern, das die Milchkrise fordert. Brunner war irritiert, kurz sah es so aus, als ob er seinen Auftritt abbricht. Manfred Gilch, Vorsitzender des BDM Bayern, glättete die Wogen und sagte zu Brunner: „Nehmen Sie es nicht als persönlichen Angriff, sondern als Stimmungsbild."
Die Forderung der bayerischen Regierung einer sofortigen Verpflichtung zur befristeten Mengenbegrenzung der Milchproduktion durch EU-Erlass, lehnte Schmidt jedoch vorerst ab. Ein solcher Schritt sei "ultima ratio", erklärte er bei der Pressekonferenz. Einig waren sich die Bayern und der Bundeslandwirtschaftsminister darin, dass Liquiditätshilfen an mengenbegrenzende Verpflichtungen geknüpft werden. Dies bedeute, Bauern sollen Unterstützung nur erhalten, wenn sie im Gegenzug weniger Milch liefern.
Stimmen zum Ergebnis von der Hessischen Delegation:
Stefan Mann (Ebsdorfer Grund), Vorsitzender des BDM-Landesverband Hessen: "Es ist gut, dass die Bayrische Landesregierung den Weg erkannt hat. Die Umsetzung ist allerdings nur über die EU möglich und sie muss innerhalb des nächsten halben Jahres erfolgen."
Ingrid Pöhl (Reichlos), BDM-Team Vogelsberg: "Es war ein erfolgreicher Tag. Bayern steht hinter dem Konzept des BDM. Wir dürfen allerdings nicht locker lassen und werden dies bei den kommenden Agrarministertreffen deutlich unterstreichen."
Erwin Frank (Ober-Seibertenrod), Landwirt: "Die Erfolge lassen leider immer zu lange auf sich warten. Wegen den Wahlen ist die Politik wieder etwas zugänglicher."
Albert Appel (Helpershain), Landwirt: "Ich sehe das Ergebnis sehr skeptisch, denn nicht nur Bayern, sondern alle Bundesländer müssen sich für die Belange der Milchbauern einsetzen." (gr) +++