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Verwechslungsgefahr! Giftiges Jakobskreuzkraut mit Johanniskraut: Was zu beachten ist!
11.06.16 - Die Natur erblüht gerade wieder in ihrer schönsten Pracht. Rot, Blau, Gelb - ein bunter Mix aus Farben ist draußen zu bewundern. Dass hier allerdings eine Gefahr lauert, ist auf dem ersten Blick nicht zu erkennen. Denn wie viele Menschen, hat auch die Pflanzenwelt ihren Zwilling. Optisch ähnlich, aber bei einer Verwechslung bedrohlich. "Letztens haben wir auf unserer Pferdkoppel Jakobskreuzkraut gefunden. Wie viele andere auch, hatte ich es für Johanniskraut gehalten und dank eines Tipps unseres Schmiedes dies überprüft. Wie zahlreichen Pferdebesitzern ist mir seit Jahren bekannt, das diese Pflanze giftig ist, trotzdem habe ich die Gefahr nicht sofort erkannt", so Tierliebhaberin Bettina Masché.
Während die Behörden rechtzeitiges Mähen als ausreichend zur Bekämpfung und Eindämmung hielten, empfehlen andere Quellen das Kraut auszustechen, also mit Wurzel zu entsorgen, als die einzige, wirkungsvolle Bekämpfungsmethode. Überhaupt sei Weidepflege ein wichtiges Thema: Regelmäßiges Mähen und Düngen sowie für geschlossene Grasnarben zu sorgen gehörten dazu, würde aber gerade bei Pferdeweiden oftmals vernachlässigt werden.
Doch wie sieht sie nun eigentlich aus? Seit einigen Jahren wird auf Bracheflächen, an Straßen- und Wegrändern, Bahndämmen sowie auf schlecht gepflegten Weiden und Koppeln die zunehmende Verbreitung der gelb blühenden margaritenähnlichen Pflanze mit raukenartigen Blättern beobachtet, die beim Verbiss durch Weidetiere – besonders bei Pferden – oder auch als Bestandteil in der Silage oder im Heu eine tödliche Gefahr darstellt. Das Jakobskreuzkraut (senecio jacobaea), wie auch die 25 anderen in Deutschland vorkommenden Kreuzkrautarten, enthält in allen Pflanzenteilen hochgiftige (Pyrrolizidin-)Alkaloide. Diese seien zumindest in der Jugendphase, in der die zwei bis mehrjährige Pflanze nur eine Blattrosette entwickelt, nicht durch Bitterstoffe begleitet. Ältere Pflanzen verlieren diese „Warnstoffe“ bei der Silierung oder Trocknung und werden daher von den Tieren nicht ausselektiert.
Dr. Helmut Wiedenfeld, Akademischer Direktor des Pharmainstituts der Universität Bonn, erläutert die Wirkungsweise der Pyrrolizidin-Alkaloide so: Entscheidend sei die Langzeittoxizität. Über verschiedene Metabolite werde das Alkaloid irreversibel in der Leber abgelagert und letztendlich in die DNS eingebaut, wobei der Stoff stark kanzerogen wirken könne und somit auch Krebserkrankungen auslöse. Die Langzeittoxizität der Pyrrolizidin-Alkaloide habe zum Ergebnis, dass bereits sehr geringe Mengen zu einer chronischen Belastung führen. Unter Umständen treten die Krankheitssymptome erst auf, wenn die Giftaufnahme schon lange Zeit – unter Umständen mehr als ein Jahr – zurück liegt. Dennoch lasse sich die durch Pyrrolizidin-Alkaloide ausgelöste Erkrankung (Seneciose), die häufig zum Tod führe, mit moderner Analysetechnik nachweisen. Bei den bekannten Todesfällen bei Pferden und Rindern sei zu beobachten, dass junge Tiere wesentlich anfälliger seien als ältere Tiere und Pferde eher Vergiftungserscheinungen zeigten als Rinder. Die mit der Vergiftung zusammenhängenden Symptome bei den betroffen Tieren seien mit viel Leid verbunden. Die Gefahr gelte auch für Menschen, wenn die gefährliche Substanz in die Lebensmittel gerät.
Grundsätzlich müsse bekannt sein, dass Jakobskreuzkraut im ersten Jahr eine Rosette mit raukenförmigen Blättern bilde und die Blüte immer über 13 Blütenblätter verfüge. In diesem Zusammenhang seien auch Kenntnisse über die Verbreitung der Pflanzen bedeutsam. Eine ausgewachsene Pflanze entwickle bis zu 150.000 Samen, die durch Samenflug pro Jahr eine Distanz von sieben Kilometern überbrückten. Die Samen könnten bereits ab der Vollblüte fruchten und überdauern bis zu 20 Jahre. Die Beseitigung von Jakobskreuzkrautpflanzen muss gründlich erfolgen, da Wurzelreste erneut austreiben könnten und vorhandene Samen ein besonders großes Risiko der Ausbreitung darstellten. Grund für die Verbreitung des Krautes sei zudem fehlendes Mähen von Böschungen, Feldrainen und Straßenbanketten, aber auch die Extensivierung der Grünlandflächen. „Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Verbreitung der Giftpflanze feststellen können, zumal die Straßenbauämter den Samen dieser Pflanze in ihrer Ansaatmischung hatten und damit zu einer zusätzlichen Verbreitung beitrugen“ so der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider.
Zeigen sich deutliche Vergiftungserscheinungen mit veränderten Blut- und Leberwerten, sei die erfolgreiche Krankheitsbekämpfung zumeist nicht mehr möglich. Zunächst stellt sich ein Leistungsabfall der Tiere ein. Der Konditionsverlust aus nicht nachvollziehbarer Ursache ist ein erstes Alarmzeichen. Sollten die Tiere Futter verweigern und dabei Abmagern, sollte ebenfalls eine Senecio-Vergiftung ins Kalkül gezogen werden. Alarmierend seien auch auffällige Veränderungen im Tierverhalten wie häufiges Gähnen, anhaltende Lecksucht und deutliche Depressionen. Die Krankheit sei zumeist fortgeschritten, wenn das Tier andauernde Gangunsicherheit zeige, durch langes Herumstehen auffalle und eine betonte Entlastungshaltung einnehme.
In diesem Krankheitsstadium träten auch Veränderungen im Aussehen der Tiere auf. Im Rahmen einer Photosensibilisierung falle auf, dass die Nase intensiver gefärbt sei (rosa-rot), Ödeme, Muskelverhärtungen und Gewebewucherungen wären sichtbar. Im Finalstadium der Erkrankung zeigten sich außerdem kolikartige Erscheinungen mit typischem Schmerzverhalten. Deutliche Anzeichen einer Lebervergiftung mit Gelbsucht, verminderter Blutgerinnung, vermehrten Entzündungen, Benommenheit, toxischer Rehe bis zur Blindheit seien ebenfalls der Fall. Letztendlich werde das Finalstadium mit Umherwanken und Umrennen von Hindernissen erreicht, an dessen Ende der völlige Zusammenbruch stünde. Der Tod wäre nun unabwendbar. Deswegen sei es so wichtig, Aufklärung zu leisten. (pm/hl) +++