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Hippies sind zurück! HERZBERG-FESTIVAL für eine bessere Welt
29.07.16 - "Hey, ich hab euch letztes Jahr schon hier gesehen, da waren das noch Babies", ruft eine strahlende Frau und eilt zu einem Pärchen und seinen zwei Hunden. Sie begegnen sich nicht zum ersten Mal, sondern erkennen einander am ersten Tag des Burg Herzberg Festival am Donnerstag in der Menschenmenge wieder. Wie viele andere freuen sie sich, bekannte Gesichter wieder zu sehen, hier auf Gleichgesinnte zu treffen. Das Wiedersehen und auch das neue Kennenlernen machen den ersten Festivaltag jedes Jahr aus. Ankommen, auspacken und losfliegen in eine friedliche Parallelgesellschaft, weit weg vom Alltagsstress: darum geht es auch am restlichen verlängerten Wochenende.
Seit dem ersten Festival im Jahr 1968 kommen im osthessischen Breitenbach am Herzberg hoch oben auf einem großzügigen Freigelände jedes Jahr Zehntausende von Hippies und Musikfans zusammen. Sie feiern dort ein - zugegebenermaßen recht spezielles - buntes Fest des Friedens, der Gemeinsamkeit und der Musik. Rund 70 Künstler stehen an den vier Tagen auf den insgesamt drei Bühnen und laden zum Tanzen und Träumen ein.
Die Festivalbesucher schätzen das spannende Line-Up. Was aber noch wichtiger ist, ist der spezielle Geist des Festivals. "Das ist hier wie ein Kick Back in meine Jugend," verrät ein Festivalbesucher. "Hier geht alles viel langsamer, wir genießen viel mehr. Nach dem Festival brauche ich immer erstmal eine Woche, bis ich wieder auf Normalgeschwindigkeit bin." Und es stimmt, hier oben auf dem Gelände scheinen die Uhren anders zu gehen. Frühstück beispielsweise gibt es hier an manchen Ständen 24 Stunden lang, an jedem der Festivaltage. Keiner muss sich an Termine halten, jeder ist irgendwie frei.
Und auch optisch ist alles erlaubt, was gefällt. Jeder darf so bunt, so verrückt sein, wie er möchte. Viele bringen auch gleich die ganze Familie mit und ermöglichen so auch ihren Kindern diese besondere Auszeit vom stressigen und uniformen Alltag "da draußen". Für den Nachwuchs gibt es einen eigenen Bereich, wo getobt und geschaukelt werden kann, wo sie kreativ und frei sein dürfen.
"Restlos glücklich"
Freiheit bedeutet auf dem Hippiefestival aber nicht nur nehmen, auch geben die Hippies der Erde etwas zurück. Sie feiern auch die Nachhaltigkeit und zwar in Form von Second Hand Märkten und Foodsharing. Lauritz Heinsch und sein Team stellt auf dem Festival das Foodsharing-Konzept vor und setzt es gemeinsam mit den Besuchern auch gleich in die Tat um. "Unser Motto ist 'Restlos glücklich'. Wir sammeln alle Lebensmittel ein, die am Ende übrigbleiben oder nicht mehr verkauft werden dürfen", erklärt er. Wer etwas übrig hat, darf es am Stand der Gruppe abgeben. Wer etwas braucht, darf es nehmen. Im Austausch besteht keine Pflicht, etwas zu geben. Eben ganz frei, nach Bedarf und Möglichkeiten. Damit setzt die Initiative ein deutliches Zeichen gegen Verschwendung. Was am Ende des Festivalwochenendes nicht geholt wurde, wird auf anderen Festivals oder in den Städten, in denen Foodsharing bereits umgesetzt wird, weitergegeben - sodass am Ende nichts verkommt. Viele nutzen das Angebot, greifen gerne zu und geben ebenso gerne.
Langsam füllt sich das Festivalgelände. Viele nehmen sich, verrät ein Besucher, gleich die ganze Woche frei. Und das, obwohl das Festival eigentlich nur vier Tage läuft. "Das hier ist letztes Stück heile Welt, das man hat", begründet ein Besucher Anfang Zwanzig und dann geht er lächelnd zurück zu seinen Freunden. Noch ist die Gruppe recht klein, doch schon bald wird er sicher um einige neue Freunde reicher sein. (Sabrina Ilona Teufel) +++