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- Symbolbild: pixabay

REGION Heute ist Weltfaulpelztag

Michaela AXT-GADERMANN: „Faulheit ist das Reparaturprogramm des Körpers“

"Vom Glück der Faulheit"zuerst erschienen 2001 beim Herbig-Verlag; 192 Seiten lang; ISBN-10: 3776622148; Autoren: Prof. Dr. Peter Axt und Dr. Michaela Axt-Gadermann

10.08.16 - Am heutigen Mittwoch ist Weltfaulpelztag. Dieser Tag ist wie gemacht für alle Langschläfer, Menschen, die gern mal alle Fünfe gerade sein lassen, eben für alle Faulpelze. Und mal ehrlich, ist nicht jeder gern mal faul? Warum es wichtig ist, sich auch mal zu entspannen und nichts zu tun, erklärt die Petersbergerin Dr. Michaela Axt-Gadermann im Interview mit OSTHESSEN|NEWS. Sie ist Sportmedizinerin und hat den Lehrstuhl für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg inne. Axt-Gadermann kennt sich mit der Thematik aus und hat sogar ein Buch dazu verfasst - "Vom Glück der Faulheit - Langsame leben länger".

Die Gesundheitsforscherin ist Autorin des Buches "Vom Glück der Faulheit". ...Foto: Dr. Michaela Axt-Gadermann

Guten Tag Frau Dr. Axt-Gadermann. Warum ist es so wichtig, öfter mal faul zu sein?

Faulheit ist das Spar- und Reparaturprogramm des Körpers. Auch ein Auto lässt sich nicht während einer Fahrt auf der Autobahn reparieren. Auch der Körper benötigt Phasen für Regeneration und Erholung.
Selbst für Sportler ist das wichtig. Muskeln wachsen nicht während des Trainings, sondern nur in der Ruhephase. Wer zu viel trainiert und seinem Körper nicht immer mal wieder (mit gutem Gewissen) einen faulen Tag gönnt, wird keinen Erfolg haben. Man könnte sagen: Keine Pause, keine Muskeln.
In Ruhephasen regeneriert der Organismus. Das Immunsystem wird gestärkt, der Blutdruck sinkt, der Stresshormonspiegel geht zurück. Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit wird wiederhergestellt. Auch der Kreativität tut Muße gut. Die besten Ideen kommen meistens nicht am Schreibtisch, sondern auf dem Sofa, beim Autofahren oder Spazierengehen, wenn man die Gedanken schweifen lassen kann.

Wie faul darf man denn sein? Ab wann wird es zu viel?

Es gilt, ein vernünftiges Maß zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen Arbeit und Freizeit zu finden.
Bereits ein zwanzigminütiges Nickerchen am Mittag steigert die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz um bis zu 30 Prozent – so das Ergebnis einer Studie der Havard-Universität in Boston.
Faulheit heißt nicht nur, untätig auf dem Sofa zu liegen und durch die Programme zu zappen. Faulheit und Muße umfasst Zeit, in der ich ganz bei mir bin, Dinge tue, die mir Spaß machen, die nicht der Arbeit und dem Gelderwerb dienen. Aktivitäten in dieser Zeit können Klassiker wie Lesen und Musikhören sein, aber auch eine mehrtägige Radtour oder Wanderung, bei der man zwar körperlich aktiv ist, sich aber einfach treiben lässt und dort bleibt, wo es einem gefällt, nicht an die Arbeit oder die täglichen Verpflichtungen denkt, ist eine Form der Faulheit und des Abschaltens.
Natürlich darf es auch mal ein Tag auf der Couch oder zwei Wochen im Liegestuhl sein. Aber dadurch werden die wenigsten Menschen auf Dauer Erholung finden. Wer keine Aufgabe hat, die ihn erfüllt, kann auch dadurch gestresst werden. Dieses Phänomen nennt man Boreout, also das Gegenteil vom Burnout. Man ist dann gestresst von der Langeweile.

Welche Tipps können sie geben, um sich richtig zu entspannen?

Feste Zeiten für Arbeiten, Aktivitäten und für Freizeit und Muße einplanen, am Besten in den Kalender eintragen.
Ständiges Checken der E-Mail-Eingänge in der Freizeit und im Urlaub stören die Erholung ungemein. Oft muss man selbst erst wieder lernen und auch der Umwelt klarmachen, dass man nicht rund um die Uhr erreichbar ist. Mir ist aber auch klar, dass es heutzutage in den meisten Berufen nicht möglich ist, drei Wochen unerreichbar zu sein. Dann sollte man aber eine feste Zeit einplanen (maximal eine Stunde), in der man die Mails, die nicht warten können, beantwortet und Telefonate führt. Die restlichen 23 Stunden gehören dann den Dingen, die Spaß machen.
Wichtig ist, dass es etwas gibt, das einem auch Spaß bringt. Das darf eine völlig nutzlose Tätigkeit oder Beschäftigung sein. Wenn man dadurch aber völlig abschaltet, in eine andere Welt abtaucht und vielleicht sogar eine Art „Flow“ erlebt, also ein als beglückend erlebtes Gefühl, dass man in seiner Beschäftigung aufgeht, dann ist das die richtige Freizeitbeschäftigung.

Faul sein heißt ja manchmal auch lange zu schlafen. Warum ist es gesund, ein Langschläfer zu sein?

Man muss nach seinem eigenen Chronotyp leben. Wer gegen seinen Chronotyp, also gegen seine innere Uhr lebt, kann nicht die volle körperliche und geistige Leistungsfähigkeit bringen. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die früh aufstehen, einen höheren Stresshormonspiegel (Cortisol) haben, als Personen, die länger schlafen durften. Stresshormone beeinträchtigen unsere geistige Leistungsfähigkeit und schwächen das Immunsystem.
Zahlreiche Experten plädieren vor allem in der Mittel- und Oberstufe für einen späteren Schulbeginn. Studien haben belegt, dass Jugendliche ausgeglichener sind, erfolgreicher lernen und seltener zu Stimulanzien wie Nikotin und Koffein greifen, wenn die Schule später beginnt.
Wie wichtig es ist, ausgeschlafen zu sein, zeigt das Beispiel amerikanischer Unternehmen, die Ihren Mitarbeitern inzwischen Prämien zahlen, wenn diese ausreichend schlafen. Die US-amerikanische Krankenversicherung „Aetna“ zahlt Mitarbeitern, die mehr als sieben Stunden pro Nacht schlafen, einen Bonus. Wenn die Mitarbeiter beweisen können, dass sie 20 Nächte hintereinander mehr als sieben Stunden schlafen, erhalten sie 25 Dollar pro Nacht und bis zu 500 Dollar im Jahr. Festgestellt wird das mit Hilfe von Smartwatches.

Was ist wichtig, damit man nicht nur lange, sondern vor allem erholsam schläft?

Dunkelheit! Nur dann wird ausreichend vom Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet. Jeder Lichteinfall stört den Schlaf. Das gilt wahrscheinlich auch für elektromagnetische Wellen, zumindest scheinen diese bei etwa zehn Prozent der Menschen den Schlaf zu beeinträchtigen. Deshalb gehören Radiowecker, eingeschaltete Handys und Elektrogeräte auf Standby Funktion nicht ins Schlafzimmer.
Außerdem sollte man eine Stunde vor dem Schlafen nicht mehr die Mails am Computer checken oder mit dem Tablet oder Handy arbeiten. Der Blaulichtanteil verhindert ebenfalls die Melatoninausschüttung und macht das Gehirn wach. Die richtige Raumtemperatur liegt bei 16 bis 18 Grad.

Kann es nicht genauso gesund sein, im Alltag auch mal ein bisschen Stress zu haben, anstatt nur faul zu sein?

Ja, aber das Maß muss stimmen. Ein gewisses Maß an Stress darf sein, das ist ganz normal, und darauf kann sich der Organismus auch einstellen. Aber um langfristig dem alltäglichen Stress, dem jeder ausgesetzt ist, Widerstand leisten zu können, müssen wir auch ab und zu mal faul sein und nichts beziehungsweise nichts „Sinnvolles“ tun. Wer glaubt, dass er im Beruf nur voran kommt, wenn er täglich Überstunden macht, liegt falsch.

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Axt-Gadermann. (Toni Spangenberg) +++


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