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FULDA Berufungsverhandlung

Erstmals voll geständig: Ex-Schulleiter erneut wegen Betrugs verurteilt

16.09.16 - "Plakativ gesagt haben Sie nach Gutsherren-Art und als Alleinherrscher der Schule agiert", attestierte Richter Dr. Jochen Müller am Mittwoch dem pensionierten Schulleiter der Lüdertalschule in Großenlüder. In einer knapp vierstündigen Berufungsverhandlung wurde der Betrugsfall, der bereits 2015 unter großem öffentlichen Interesse am Amtsgericht Fulda verhandelt worden war, erneut aufgerollt. Damals wurde der heute 69-Jährige zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Doch sowohl der Verurteilte als auch der Staatsanwalt hatten gegen dieses Urteil ihr Veto eingelegt und waren in Berufung gegangen. Der Ex-Schulleiter wollte nachträglich einen Freispruch erreichen, die Staatsanwaltschaft dagegen eine höhere Strafe.

Zuvor hatte eine Verständigung der streitenden Parteien stattgefunden. Unter der Voraussetzung, dass der Angeklagte diesmal ein voll umfängliches Geständnis ablegt, sollte die Strafe auf 11 Monate verkürzt werden. Die Aussage seines Mandanten hatte der Verteidiger auch angekündigt. Trotzdem trat das Gericht noch einmal in die Beweisaufnahme ein und hörte vier Zeugen, um die mittlerweile lange zurückliegenden Vorfälle aufzuklären.

Dem pensionierten Rektor war vorgeworfen worden, Schule und Eltern betrogen zu haben. Das Gericht sah als erwiesen an, dass der 69-Jährige während seiner Tätigkeit als Schulleiter der Haupt- und Realschule zwischen Dezember 2008 und Januar 2012 in mindestens vier Fällen betrogen hat. Der Gesamtschaden belaufe sich auf fast 30.000 Euro. In einem Fall habe er Geld für Schüler-Arbeitshefte von den Eltern kassiert, obwohl in Hessen Lehrmittelfreiheit herrscht und die Hefte vom Land finanziert worden waren. In zwei weiteren Fällen ging es um doppelt abgerechnete Sportgeräte, die er zum Teil an den Sportverein TV Horas weiterverkauft hatte.

Aufgeflogen waren die Betrugsfälle, als der bereits pensionierte Schulleiter im Sommer 2012 im Rektorat der Schule erschien und rund 4.000 Euro aus dem Tresor nehmen wollte, die ihm angeblich gehörten. Seine von außerhalb stammende Nachfolgerin fand diese Forderung äußerst merkwürdig und begann, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie war auch eine für die Beweisaufnahme wesentliche Zeugin, die half, Licht in das Finanzgebaren des Schulleiters zu bringen. So kam es zu Anklage und Prozess sowie der Verurteilung.

"Stehe kopfschüttlend vor eigenem Verhalten"

Verteidiger Rudolf Karras gab heute im Namen seines Mandanten eine Erklärung ab. Dieser sei sich bewusst, dass seine Taten schwer wögen und dass das Urteil der Vorinstanz berechtigt sei. Er habe seine Vorbildfunktion verloren und stehe heute kopfschüttelnd vor dem eigenen Fehlverhalten. "In einer kaum mehr erklärlichen Verblendung glaubte er, das Geld stehe ihm zu", sagte der Anwalt. Erstmals räumte der Ex-Schulleiter heute ein, die vom Landkreis bezahlten Sportgeräte an den TV-Horas weiterverkauft und das Geld auf sein privates Konto eingezahlt zu haben, das wegen hoher Verbindlichkeiten immer im Minus gewesen sei. Schuld daran war ein hohes Darlehen für sein privates Wohnhaus, das nach seiner eigenen Einschätzung "eine Nummer zu groß" war.

Mitarbeiter des Landkreises und der Schulverwaltung berichteten dem Gericht heute, wie es überhaupt zu den Betrugsfällen über mehrere Jahre hinweg kommen konnte. Niemandem in der Verwaltung war überhaupt aufgefallen, dass die Eltern für die vom Land bezahlten Arbeitshefte noch einmal zur Kasse gebeten wurden. Auch dass sich die vom Kreis finanzierten Sportgeräte gar nicht mehr im Schulbesitz befanden, blieb der Behörde verborgen. So kritisierte Richter Müller, dass es weder eine überprüfbare Inventarisierung noch ein wirksames Controlling gegeben habe - und diese merkwürdige Praxis bis heute unverändert andauere. So sei es dem Schulleiter sehr leicht gemacht worden, sein System grauer Kassen zu etablieren.

Ebenfalls als Zeugin befragt wurde heute die jetzige Schulleiterin, deren Aufmerksamkeit den Fall überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte. Sie habe anfangs einen schweren Stand an der Schule gehabt, weil sie den allseits verehrten und beliebten Rektor vermeintlich "angeschwärzt" habe und als "Nestbeschmutzerin" angefeindet wurde. "Was er getan hat, war nicht rechtens. Ich fühlte mich von ihm getäuscht", sagte die sichtlich zermürbte Rektorin.

Schließlich verkündete das Gericht das Urteil im Berufungsverfahren: der Ex-Schulleiter wurde zu 11 Monaten Haft - ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt, die er in Raten an den Förderverein der Schule zahlen muss. "Der Betrug ist ihm sehr leicht gemacht worden. Es macht fassungslos, dass es bis heute weder vom Schulamt noch vom Landkreis ein vernünftiges Controlling gibt und sich ein solcher Fall jederzeit wiederholen könnte", konstatierte der Richter. Die Strafe sei nicht unvertretbar milde, denn der Angeklagte sei nicht vorbestraft und müsse einen hohen Ansehensverlust im sozialen Nahbereich hinnehmen. Außerdem sei es eine besondere Leistung, sein Fehlverhalten öffentlich einzugestehen und dazu zu stehen.

Für den Ex-Rektor ist die Sache aber noch nicht ausgestanden: ihm steht noch ein disziplinarrechtliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bevor, das ihn zumindest einen Teil seiner Pension kosten kann.+++Carla Ihle-Becker


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