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Gerichtsdrama „Terror“ von Ferdinand von Schirach – bedrückende Aktualität
07.10.16 - Die Leseaktion „Bad Hersfeld liest ein Buch“ geht in diesem Jahr in die 15. Runde. „So eine Leseaktion ist einzigartig in Deutschland“, betont Schirmherr Dr. Thomas Handke, der gemeinsam mit Sandra Rudolph als stellvertretende Leiterin der Konrad-Duden-Stadtbibliothek und Christel Zimmermann von der Hoehlschen Buchhandlung das von der kompetent besetzten Jury vorgeschlagene Buch und gleichnamige Theaterstück „Terror“ aus der Feder von Ferdinand von Schirach am Donnerstag den Vertretern der Presse vorstellte.
Zum Inhalt: In „Terror“ nimmt ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug Kurs auf die voll besetzte Allianz Arena in München. Gegen den Befehl seiner Vorgesetzten schießt Lars Koch, ein Kampfpilot der Luftwaffe, das Flugzeug in letzter Minute ab, alle Passagiere sterben. Wird er sein Handeln später vor Gericht rechtfertigen können? Darf man 164 Menschen töten, um 70.000 zu retten? Ist das eine Heldentat oder ein Verbrechen? Und wie wird das Urteil ausfallen? Seine Richter sind die Zuschauer und Leser, sie müssen über Schuld und Unschuld urteilen. Sie werden in eine aktive Rolle und zu einer Entscheidung gezwungen. Doch gibt es in dem Fall überhaupt richtig oder falsch? Dieses Buch wirft Fragen auf, stellt bisher gültige Antworten in Frage und es zeigt, wie wenig eindeutig Entscheidungen rechtlich und moralisch beantwortet werden können, aber dennoch beantwortet werden müssen.
Zum Autor: Ferdinand von Schirach arbeitet seit 1994 als Rechtsanwalt in Berlin. Er ist der Enkel des ehemaligen NS-Reichsjugendführers Baldur von Schirach. Sein Arbeitsgebiet ist das Strafrecht; zu seinen Klienten gehörten Prominente wie der BND-Spion Norbert Juretzko und Günther Schabowski. Schirach wurde mit mehreren – auch internationalen – Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kleist-Preis. Sein Erfolgsrezept: Schirach zeigt auf, dass – egal wie monströs die Taten zunächst scheinen mögen – ein Mensch doch immer ein Mensch ist.
Die Auftaktveranstaltung zu der diesjährigen Leseaktion findet am Samstag, 5.11., wie gewohnt in der Hoehlschen Buchhandlung in der City-Galerie statt. Am Sonntag, 6.11., widmen sich Pfarrer Rainer Bätzing und Sängerin Sabine Kampmann in einem Literaturgottesdienst um 10.00 Uhr in der Evangelischen Matthäuskirche in Bad Hersfeld dem Thema „Terror“. Insgesamt 16 Veranstaltungen plus die Abschlussveranstaltung am Donnerstag, 24.11., um 19.00 Uhr in der Stadthalle bieten den interessierten Gästen die Möglichkeit, für sich zu beantworten: „Wie hätte ich gehandelt?“
Eine gute Möglichkeit für alle, die das Buch noch nicht gelesen haben, es sich aber gern komplett vorlesen lassen wollen, bietet die öffentliche „Gerichtsverhandlung“ am Montag, 07.11., von 18.00 bis ca. 20.00 Uhr im „Großen Sitzungssaal“ des Bad Hersfelder Amtsgerichtes. Eine Gruppe namhafter Vorleser verfolgt damit das Ziel, gleich am Anfang ein gemeinsames Literaturerlebnis zu schaffen.
Die Gesamt- und Modellschule Obersberg, die Konrad-Duden-Schule und die Gesamtschule Geistal werden sich in den kommenden Wochen intensiv mit dem Gerichtsdrama beschäftigen und ihre Erkenntnisse und Ergebnisse einer interessierten Leserschaft öffentlich präsentieren. Die Gesamtschule Obersberg erarbeitet zum Beispiel unter der Regie von Holk Freytag eine Aufführung des Theaterstückes von bedrückender Aktualität am Dienstag, 08.11., um 19.00 Uhr, im Audimax des Schulzentrums Obersberg. Es stellt sich die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Werden wir uns für die Freiheit oder die Sicherheit entscheiden? Wollen wir, dass die Würde des Menschen trotz der Terrorgefahr noch gilt? Wie sehr darf man sich von Terroristen provozieren lassen, die mit ihren Handlungen die Grundwerte unserer Demokratie auf niederträchtigste Weise in Frage stellen?
Am 14. Oktober läuft der Gerichtsthriller „Terror“ einmalig in 100 deutschen Kinos. Drei Tage später, am 17. Oktober, wird „Terror“ als internationales und interaktives Fernsehereignis gemeinsam mit „hart aber fair“ um 20.15 Uhr in der ARD gezeigt – ein TV-Event nach dem Bestseller von Ferdinand von Schirach und mit Star-Besetzung. Im Anschluss an die Schlussplädoyers der Staatsanwältin und des Verteidigers ist allerdings nicht das Gericht, sondern der Zuschauer aufgefordert, in einer multimedialen Abstimmung zu urteilen. Jeder für sich entscheidet über das Schicksal eines Menschen: schuldig oder nicht schuldig. Mit deutlicher Mehrheit haben „Schöffen“ weltweit bisher auf Freispruch plädiert.
Die Bad Hersfelder Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, sich im Rahmen der Leseaktion den ethischen Fragen zu stellen und abzustimmen. Nach jeder Veranstaltung werden die Stimmen gezählt und zum Abschluss ausgewertet. Flyer mit dem Gesamtprogramm liegen unter anderem in der Konrad-Duden-Stadtbibliothek und in der Hoehlschen Buchhandlung aus. Das wortreich in Bad Hersfeld beteiligt sich mit einem Gewinnspiel an der Leseaktion. (pm/Gudrun Schmidl) +++