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Georg SEDLMAIER: "Jeder Einkauf ist ein Stimmzettel"
25.10.16 - Hühnersuppe ohne Huhn, Rindfleischsuppe ohne Rindfleisch, Erdbeeraroma ohne Erdbeeren - heutzutage eher die Regel als die Ausnahme. Georg Sedlmaier sieht diese Entwicklung kritisch. Der Gründer der Interessengemeinschaft FÜR gesunde Lebensmittel träumt von einer besseren Welt. "Wenn jemand sagt, Herr Sedlmaier, Sie sind ein Träumer, dann sage ich, ja, das ist ein Volltreffer. Ich tue alles, um die Welt etwas besser zu machen."
Auch irreführende Werbung lehnt er ab. "Wenn glückliche Kühe und Schweine gezeigt werden, sollte sich das auch im Endprodukt widerspiegeln. Dem ist aber nicht immer so. Stattdessen bekommen viele Tiere in der Massentierhaltung mitunter jede Menge Antibiotika verabreicht, so dass Krankenhäuser Schwierigkeiten haben, ihre Patienten zu versorgen." Das sei ein äußerst ernstes Thema. Seine Bedenken habe Sedlmaier auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe mitgeteilt. "Das essen wir doch alles mit. Das kann nicht gesund sein."
Vor 19 Jahren hat er die IG FÜR gegründet, um etwas zu bewegen, die Welt zu verbessern. Mittlerweile hat die Gemeinschaft 700 Mitglieder. "Eigentlich habe ich nicht mehr als 25 bis 50 angestrebt." Die Motivation zur Gründung des Vereins liegt in einer USA-Reise Sedlmaiers begründet. "Ich bin vor 25 Jahren in Amerika gewesen und habe schon damals jede Menge dicke Kinder gesehen - zehn, zwölf Jahre alt, Gummizug statt Gürtel. Das hat mich schockiert." Eine Zeitlang hat er diese Erfahrung verdrängt, doch am Neujahrstag 1997 habe er in den Spiegel geschaut und sich gesagt: "An meine Glatze und meine Brille hab ich mich jetzt schon gewöhnt. Doch die Welt muss sich ändern." Auf einen alten Karton schrieb er mit Bleistift: "Ich gründe die Interessengemeinschaft FÜR gesunde Lebensmittel." Und so kam es dann auch.
Heute zählen der Dalai Lama, Reinhold Messner und Sara Wiener zu den Mitgliedern. "Das FÜR beflügelt uns alle. Wir wollen nicht sagen, was nicht geht, sondern zeigen, wie es geht." Dieser Leitgedanke hängt mit Sedlmaiers Berufsleben zusammen. Über 50 Jahre war er als Lebensmittelkaufmann bei Dallmayr-Feinkost, Edeka, Rewe und Tegut tätig. "Dort gab es immer kluge Leute, die wussten, warum etwas nicht geht. Die haben jemanden gebraucht, der es machbar machen konnte." So erkläre sich das FÜR der Interessengemeinschaft FÜR gesunde Lebensmittel.
In 19 Jahren IG habe sich in der Lebensmittelbranche einiges getan. "Rewe vermarktet ProPlanet-Produkte, es gibt Molkereiprodukte ohne Gentechnik, da den Tieren Soja von der Donau gefüttert wird. Das alles ist positiv." Sedlmaier stellt auch fest, dass Discounter wie Aldi immer mehr Bio- und FairTrade-Produkte anbieten. Die IG FÜR setze sich vor allem für mehr Handelseigenmarken ein. "Wenn es überall gesunde Alternativen zu bestimmten Produkten und mehr FairTrade-Artikel gibt, haben wir ein großes Ziel erreicht." Die Wahlfreiheit beim Einkauf ist Sedlmaier ein besonderes Anliegen. "Jeder Einkauf ist ein Stimmzettel. Man wählt nicht nur einmal alle vier Jahre den Bundestag, sondern regelmäßig im Supermarkt." Er plädiert dafür, nicht immer die billigsten Produkte zu kaufen. Qualitativ hochwertigere Lebesnmittel zeichneten sich nicht nur durch den besseren Geschmack aus, sondern täten auch den Bauern und letztlich den Tieren gut.
Doch es gibt noch einiges zu tun. "Mich stört es, dass es 7.500 Patente auf Pflanzen und Tiere gibt, auf konventionelle Lebensmittel wie Tomaten, Brokkoli und Saatgut. Das ist beängstigend." Die Übernahme des Saatgutriesen Monsanto durch Bayer sei ihm in dem Zusammenhang nicht entgangen. "Ich bin gespannt, welche Monopolisierung daraus entsteht."
Bis die Welt wirklich ein besserer Ort wird, ist es noch ein langer Weg. "Das dauert. Wir lernen ja auch von der Kindheit an langsam. Die Umstellung der Ernährung geschieht nicht von heute auf morgen." Um ihrem Ziel ein Stück näher zu kommen, veranstaltet die IG FÜR am 12. November im Fuldaer Morgensternhaus die Tagung "Zukunft gestalten". "Essen und trinken müssen wir schließlich alle. Nur hat die eine Hälfte der Menschen so viel Lebensmittel, dass sie 30 Prozent wegwirft und die andere Hälfte hat nicht genügend." Das gehe alle an. Und damit hebe sich die Interessengemeinschaft ab. "Die IG FÜR hat keine Gebote oder Verbote, sondern nur Angebote. Wir wollen Bewusstsein für gesunde Lebensmittel schaffen und erreichen, dass diese wieder als Mittel zum Leben wahrgenommen werden. Doch sind die Produkte in den Supermärkten wirklich noch alle Mittel zum Leben?" (Toni Spangenberg) +++
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