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Symbolbild Windräder - ON-Archiv: Hans-Hubertus Braune

ULRICHSTEIN Erörterungstermin zum Bau am 3. November

Neue Windräder geplant - BI und Naturschutzinitiative fürchten um Vogelschutzgebiet

01.11.16 - Am Donnerstag, dem 03. November 2016 beginnt um 9 Uhr der Erörterungstermin des Regierungspräsidiums Gießen im Rathaus Ulrichstein bezüglich des Baus drei weiterer Windkraftanlagen (WKA) auf den Erhebungen Kopf und Köppel (Eckmannshain). Das Gebiet liegt zwischen Ulrichstein und Helpershain. Darauf weist die Bürgerinitiative (BI) „Gegenwind Vogelsberg“ mit ihren Gruppen Ulrichstein und Stumpertenrod hin.

Ihrer Ansicht nach würden die drei geplanten 200 Meter hohen Windkraftanlagen die bereits bestehende Windfarm „Platte“ innerhalb des größten hessischen EU-Vogelschutzgebietes soweit erweitern, dass Ulrichstein, Stumpertenrod und Helpershain regelrecht umzingelt wären. Weiterhin würde der Zugvogelkorridor dadurch komplett abgeriegelt.

Mit dem Bau der von ovag ENERGIE AG und der Bohn GbR geplanten Anlagen käme alleine auf das Gebiet der Großgemeinde Ulrichstein dann eine Belastung mit insgesamt 57 Windrädern zu und dies führe dazu, dass der Schutzstatus des Gebietes weiter massiv unterlaufen werde.

Die BI weist zudem darauf hin, dass sich die Lärmbelastung insbesondere für Helpershain beträchtlich erhöhen und für Ulrichstein ein ähnliches Ausmaß wie in Helpershain oder Kölzenhain erreichen könnte, denn zwei der geplanten Anlagen lägen nur wenig mehr als. 1.000 Meter vom Stadtgebiet entfernt.

In diesem Bauantrag sieht die BI nur den Auftakt für eine weitere Antragsflut, die Ulrichstein und Feldatal bevorsteht. So plane die Gemeinde Feldatal mit der Firma MSH Bürger-Windpark-Feldatal GmbH & Co. KG zusätzlich vier Exemplare der größten On-Shore-Windkraftanlage der Welt (Gesamthöhe circa 230 Meter) am Eckmannshain nördlich von Ulrichstein auch inmitten des Vogelschutzgebietes. Dabei wolle man sogar vor der Entstellung und Zerstörung des Naturdenkmals „Dicke Steine“ bei Stumpertenrod nicht zurückschrecken. Eine der Anlagen solle nur 50 Meter hinter dem Denkmal errichtet werden.

Letztendlich, so die BI weiter, sei auch früher oder später mit Repowering-Anträgen für Alte Höhe, Ulrichsteiner Kreuz und Helpershain zu rechnen.

Zum aktuellen Bauantrag haben die Gruppen der Bürgerinitiative mit Unterstützung ihres Anwalts sowie der Naturschutzinitiative e.V. entsprechende Stellungnahmen abgegeben und werden im Erörterungstermin die Planer und die Vertreter des Regierungspräsidiums damit konfrontieren. 

Dieser öffentliche Termin am kommenden Donnerstag, der bei Bedarf am Freitag, dem 04. November 2016 fortgesetzt wird, kann von jedem Interessierten im Laufe des Tages besucht werden.

Kritik der Naturschutzinitiative

Die Naturschutzinitiative e. V. (NI) hat bereits im Rahmen der Offenlagen beim Regierungspräsidium Gießen zum Bauantrag auf die zahlreichen entgegenstehenden Naturschutzbelange hingewiesen. Die Gutachten der Antragsteller zum Thema Natur- und Artenschutz seien völlig unzureichend. Wichtige Faktoren oder Arten würden dabei nicht berücksichtigt. Insbesondere weise der Naturschutzverband auf die Lage der geplanten „Windfarm“ in einem Rotmilandichtezentrum hin. Der Rotmilan ist eine stark gefährdete Vogelart, für die gerade Hessen eine hohe Verantwortung trage. Zudem sei dieser Greifvogel besonders anfällig, in den Windrädern getötet zu werden, da er kein Meideverhalten gegenüber diesen Anlagen zeige.

"Es ist völlig unverantwortlich, Windenergieanlagen in einem europäischen Vogelschutzgebiet bauen zu wollen. Vogelschutzgebiete dienen dem Schutz von Vögeln und nicht ihrer Industriealisierung. Es kann nicht sein, dass der Antragsteller insbesondere den Bau der Windenergieanlage Nr. 1 auf dem Eckmannshain weiterverfolgt, obwohl sich in nur 150 Meter Entfernung ein Horst des streng geschützten Rotmilans befindet. Dies wird keinen rechtlichen Bestand haben“, erklärte Harry Neumann, Landesvorsitzender der Naturschutzinitiative e.V. (NI).

Zudem gebe es mehrere Bruthinweise aus den vergangenen Jahren, möglicherweise sogar zu einem zweiten Horst in unmittelbarer Umgebung.

„Dass das Gutachterbüro des Vorhabenträgers hier selbst keine Bruthinweise gefunden hat, lässt sich mit einem nicht ausreichenden Zeitraum für die Beobachtungsgänge und teilweise nicht geeigneten Beobachtungspunkten erklären. Außerdem stammen deren Beobachtungen überwiegend aus dem Jahr 2012 und können daher die neuesten Entwicklungen gar nicht berücksichtigen“, so Rüdiger von dem Borne, Fachbeirat der NI, weiter.

Der mit der Windenergieanlage Nr. 1 geplante Bereich sei mittlerweile durch das RP Gießen aus der Regionalplanung herausgenommen worden. Offensichtlich halte auch das Regierungspräsidium Gießen diesen Standort nicht mehr für geeignet, um hier Windenergieanlagen zu errichten. Die NI weist zudem im Bereich Eckmannshain auf einen Brutverdacht des Raubwürgers, einem etwa amselgroßen Singvogel, sowie auf ein Revier des höchst windenergiesensiblen Baumfalken hin. Der Errichtung der beiden Windkraftanlagen auf dem "Kopf" stünden ebenfalls zwei Reviere des Raubwürgers entgegen.

"Angesichts des dramatischen Rückgangs des Raubwürgers in Hessen zählt mittlerweile jedes einzelne Revier für den Erhalt der Art. Demzufolge ist ein sehr strenger Maßstab anzulegen, was die Gefährdung durch Lebensraumverlust und Störwirkungen betrifft, denn Raubwürger sind sehr standorttreu und territorial", betonte Dipl.-Biologin Dr. Christine Thiel-Bender, Naturschutzreferenten der NI.

Ein Ausgleich durch Aufwertung von Habitaten in 3 Kilometer Entfernung, wie im Verfahren vorgeschlagen, sei daher nicht geeignet, den Funktionsverlust der vorhandenen Habitate auszugleichen, denn der räumlich-funktionale Zusammenhang sei hierbei für diese Tierart nicht gegeben. Neben den Schutzbedürfnissen von Vögeln, von Fledermausarten und der Haselmaus weist die NI auch auf mögliche Beeinträchtigungen von geschützten Landschaftsbestandteilen wie Quellen und Erlenbruchwäldern hin. Als besonders schwerwiegend sieht die NI die Errichtung der Windkraftanlage Nr. 3, in nur 90 Meter Entfernung von einem Erlenbruchwald und den zugehörigen Quellen des Trockenauer Bachs.

"Selbst bei einer Flachgründung kommt das Fundament gemäß dem Baugrundgutachten bereits unterhalb des Grundwasserspiegels zu liegen. Bei einer Tiefengründung, die der Vorhabenträger vorsorglich beantragt hat, würde in den Grundwasserhaushalt sogar in eine Tiefe von bis zu 7,85 Metern unter Geländeoberkante eingegriffen", so Fachbeirat von dem Borne.

Das dann erforderliche Abpumpen von Grundwasser oder dessen Verunreinigung durch Baustoffe könne zu dauerhaften Veränderungen der quelltypischen Fauna und Flora führen und die sensiblen Biotope somit nachhaltig schädigen oder gar zerstören. Weiter sei verwunderlich, dass ein Gutachten des Landesverbandes für Höhlen- und Karstforschung Hessen e.V. austretendes Quellwasser nahe der geplanten Anlage nachweisen konnte, während die Gutachter des Vorhabenträgers hingegen die Quellen in diesem Bereich einfach verneinen. Der Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen habe im Rahmen der Untersuchungen des Weiteren östlich der geplanten Windenergieanlage Nr. 4 im Kühnholz weitere wertvolle Quellen nachgewiesen, in welchen neben dem Alpenstrudelwurm sogar die äußerst seltene Rhönquellschnecke vorkomme.

"Diese kommt ausschließlich in der Rhön und im Vogelsberg vor. Die möglichen Beeinträchtigungen durch das Vorhaben sind nicht hinnehmbar, wurden durch den Vorhabenträger aber bislang überhaupt nicht untersucht. Wir fordern das Regierungspräsidium daher auf, den Antrag vollumfänglich abzulehnen", so Harry Neumann abschließend.

Die Naturschutzreferentin der NI, Dipl.-Biologin Dr. Christine Thiel-Bender sowie der Fachbeirat der NI, Rüdiger von dem Borne, werden am Donnerstag, dem 03.11.2016 den Belangen des Naturschutzes und auch des Landschaftsschutzes, welche die NI in ihrer umfangreichen Stellungnahme vorgebracht hat, im Erörterungstermins noch einmal Nachdruck verleihen. +++


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